| # taz.de -- Klimarisiken in Deutschland: 1,5-Grad-Ziel? Schon verfehlt | |
| > Die Bundesregierung warnt vor Klimawandelfolgen in Deutschland. Die Liste | |
| > ist lang: weniger Regen, mehr Hitze, Starkregen, Dürre, Krankheiten. | |
| Bild: Sieht nur paradox aus: Die Bäume werden zum Schutz des Moores gefällt | |
| Berlin taz | Der Hering in der Ostsee kommt ins Schwitzen – und die | |
| Fischerei ebenso: Weil [1][das Meer immer wärmer wird], laichen die auch | |
| ökonomisch wichtigen Fische immer früher. Doch wenn die Jungfische nach | |
| Nahrung suchen, ist noch keine da, weil die sich nach dem Licht und nicht | |
| nach der Wärme richtet. Es komme „immer häufiger zu einer Entkopplung der | |
| Nahrungsbeziehungen“, heißt es in einem [2][Bericht des | |
| Bundesumweltministeriums zu den Risiken des Klimawandels in Deutschland.] | |
| „Die Folge ist ein drastischer Rückgang der Reproduktionszahlen des | |
| Herings.“ | |
| Es ist nur eine der vielen Folgen, die Erwärmung, Trockenheit, | |
| Meeresveränderungen und Wetterkapriolen in Folge der Erderhitzung schon | |
| haben und in Zukunft haben werden. So steht es in der „Klimawirkungs- und | |
| Risikoanalyse“ des Bundes, die am Montag vorgestellt wurde. | |
| In Deutschland geht die Erhitzung bisher sogar schneller als im weltweiten | |
| Schnitt. Um 1,6 Grad ist die Mitteltemperatur seit 1881 nach Messungen des | |
| Deutschen Wetterdienstes gestiegen, weltweit sind es bisher 1,1 Grad. | |
| Hitzetage mit mehr als 30 Grad Celsius sind seit 1951 dreimal so häufig, | |
| die Vegetationsperiode beginnt 3 Wochen früher als früher. | |
| Was diese Entwicklungen für das Land bedeuten, haben 25 Behörden aus 9 | |
| Ministerien zusammengetragen – und auch, wie sich die Betroffenen auf die | |
| Veränderungen einstellen können. Dabei schreiben sie die heutigen Trends | |
| mit jeweils positiven und negativen Annahmen bis 2050 und 2100 fort: Je | |
| nachdem, ob Klimaschutz und -anpassung ernsthaft betrieben werden oder eben | |
| nicht. Die Nachrichten sind seit der ersten Risikoanalyse 2015 nicht besser | |
| geworden: Die weltweite CO2-Konzentration steigt, und „bei knapp der Hälfte | |
| der Klimawirkungen und der Handlungsfelder hat sich das bewertete Risiko | |
| erhöht.“ | |
| Am meisten gefährdet sind demnach die Bereiche [3][Landwirtschaft, Forst, | |
| Küsten und Fischerei,] Wasserhaushalt und menschliche Gesundheit. „Wir | |
| haben gelernt, wie fundamental Gesundheit der Ökosysteme mit unserer | |
| Gesundheit zusammenhängt“, sagte Dirk Messner, Chef des Umweltbundesamts, | |
| das den Bericht koordiniert hat. Als größte Risikofaktoren listet der | |
| Bericht auf: extreme Hitze, dann Trockenheit, stetig steigende | |
| Temperaturen, Starkregen und gleichzeitig den Rückgang der Niederschläge | |
| und schließlich Starkwind. | |
| Die Risikoanalyse warnt vor über 100 Wirkungen des globalen Klimawandels. | |
| So wird als Beispiel der Meeresspiegel in der Deutschen Bucht bis 2050 im | |
| Schnitt um 32 Zentimeter steigen, Starkregen kann Abwassersysteme | |
| überlasten, die Binnenschifffahrt wird durch versiegende Flüsse | |
| eingeschränkt. Hitze im Sommer gefährdet Gesundheit und Arbeitsleistung, | |
| unterbrochene Handelsketten könnten den Nachschub von Baumwolle, Kautschuk, | |
| Kaffee, Tee und Mate (!) auf sich warten lassen. Ernteausfälle werden | |
| wahrscheinlicher, Schäden an Gebäuden nehmen zu, der Wald wird aufwendig | |
| umgebaut, invasive Pflanzen und tropische Krankheiten breiten sich aus. | |
| ## Unterscheidung nach Regionen | |
| Auch regional gibt es Unterschiede, zeigt die Analyse. An den Küsten wird | |
| es leicht wärmer und es regnet mehr. Im Osten und der Mitte Deutschlands | |
| nehmen Trockenheit und Hitzestress zu, dann aber auch wieder Starkregen. | |
| Der Westen und der äußerste Osten heizen sich am meisten auf, im Winter | |
| werden die Regionen deutlich nasser. Von Baden-Württemberg bis Sachsen ist | |
| mit höheren Temperaturen und weniger Niederschlag zu rechnen. In den | |
| Mittelgebirgen und Alpen drohen nassere Winter und trockenere Sommer, es | |
| fällt weniger Schnee. | |
| Was tun? „Die wichtigste Vorsorge ist entschlossener Klimaschutz“, sagte | |
| Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Für die nicht vermeidbaren Folgen | |
| brauche es aber auch „umfassende Vorsorge“: Mehr Bäume in den Städten, me… | |
| Grün auf den Dächern, mehr Raum für Flüsse. „Das muss schnell gehen, denn | |
| viele Maßnahmen brauchen Zeit, bis sie wirken“, so Schulze. | |
| Der Bericht diagnostiziert gleich 32 „sehr dringende | |
| Handlungserfordernisse“, etwa bei Bodenerosion, Feuchtgebieten, | |
| Waldbrandgefahr oder Schutz vor Hochwasser. Als Gegenmittel gelten eine | |
| Landwirtschaft mit anderen Fruchtfolgen oder Versicherungen gegen | |
| Ernteausfall. Wenn schnell gehandelt werde, könnten die schlimmsten | |
| Veränderungen vermieden oder vermindert werden, heißt es. | |
| „Zum Ende des Jahrhunderts könnten einige Risiken in Deutschland so stark | |
| ansteigen, dass sie nur durch tiefgreifende Vorsorgemaßnahmen reduziert | |
| werden können“, sagte UBA-Chef Messner, „Wir müssen jetzt handeln.“ Dazu | |
| gehören für ihn die Renaturierung der Flussauen, weniger Verschmutzung von | |
| Wasser, Boden und Luft und begrünte Städte. Messner: „Landschaften und | |
| Städte müssen wir so umbauen, dass sie sich ohne Schäden wie ein Schwamm | |
| mit Wasser vollsaugen und es wieder abgeben können“. | |
| 14 Jun 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Meeresbiologin-ueber-Meereschutz/!5774823 | |
| [2] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikatione… | |
| [3] /Forscherin-ueber-Klima--und-Artenkrise/!5778195 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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