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# taz.de -- Nachwuchs-Grüne über Hartz IV: „Einiges wiedergutzumachen“
> Die Grünen haben die Forderung verworfen, Hartz-IV-Sätze auf 600 Euro zu
> erhöhen. Eine vertane Chance, sagt Sarah-Lee Heinrich von der Grünen
> Jugend.
Bild: Will, dass sich die Grünen sozialpolitisch klar positionieren: Sarah-Lee…
taz: Frau Heinrich, Annalena Baerbock betont bei jeder sich bietenden
Gelegenheit, dass die Grünen nicht nur für besseren Klimaschutz stehen,
sondern auch Hartz IV überwinden wollen. Löst [1][das nun beschlossene
Wahlprogramm] diese Erwartung ein?
Sarah-Lee Heinrich: Wir haben die Abschaffung der Sanktionen drin, das ist
enorm wichtig, weil sie Menschen in Angst versetzen, dabei sollte eine
Grundsicherung doch Sicherheit verschaffen. Dazu sollen die Regelsätze um
mindestens 50 Euro in einem ersten Schritt steigen. Die Grüne Jugend und
ich, wir hätten uns allerdings schon ein Bekenntnis über 200 Euro mehr,
also 600 Euro Regelsatz gewünscht. Das fehlt nun als fixe Zahl.
Warum sind Ihnen die 600 Euro so wichtig?
Hartz-IV-Sätze sind viel zu niedrig, das wissen wir seit Jahren. Es wurden
zahlreiche Ausgaben herausgerechnet. Berechnet man die Regelsätze
realistisch, landet man bei diesem Wert. Die Fraktion hat das auch in ihrem
Konzept der Garantiesicherung treffend vorgerechnet. Aber [2][auch
zahlreiche Wohlfahrtsverbände kommen auf die 600], wenn nicht auf mehr. Das
Geld ist wichtig, um allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen.
Ausgerechnet Sozialpolitiker Sven Lehmann aus der Fraktion hat dann aber
die Gegenrede zu den 600 Euro gehalten und sich für 50 Euro Erhöhung als
ersten Schritt ausgesprochen. War das ernüchternd für Sie?
Sven Lehmann kämpft seit Jahren glaubwürdig und engagiert für eine höhere
Grundsicherung und hat die 600-Euro-Forderung der Fraktion auf den Weg
gebracht. Man kann ihn nicht als den Bösen darstellen. Er hat in dem Sinne
auch nicht den Gegenantrag vorgestellt, sondern einen Kompromiss mit dem
Vorstand. Zuerst stand dort gar kein Betrag im Programm. Und die 50 Euro
sollen nur ein erster Schritt sein.
Aber klar: Wir als Grüne Jugend hätten nicht 200 Euro mehr gefordert, wenn
uns das gereicht hätte. Wir wollen dafür nun auch weiter werben. Es kann
nicht sein, das Betroffene bis 2024 oder 2028 warten müssen, bis sie genug
zum Leben haben.
Warum halten Sie das Thema für eine Ökopartei so wichtig?
Weil wir sonst eine echte Chance vertun. Um die Klimaschutzziele zu
erreichen, wird sich die Wirtschaft verändern. Und die Wirtschaft ist
ohnehin aus vielen Gründen im Umbruch. Da ist dann doch klar: Der Wandel
braucht Sicherheit, unter anderem durch eine gute Grundsicherung. Die
Grünen haben außerdem gerade bei Hartz IV noch einiges wiedergutzumachen.
Der Partei lastet immer noch der Makel der Agenda-Partei an. Da wäre ein
radikaler und konsequenter Schritt bei Hartz IV wichtig.
Allerdings ist die Partei mit ihrem gemäßigten Mitte-links-Kurs mit Fokus
aufs Klima aktuell sehr erfolgreich. Es scheint nicht notwendig, sich beim
Sozialen zu sehr aus dem Fenster zu lehnen.
Was wir in den letzten Wochen bei den Debatten um die CO2-Bepreisung
gesehen haben, ist, dass den Grünen viel Skepsis entgegenschlägt, wenn es
um die Sozialverträglichkeit ihrer Ideen geht. Es gibt die Konzepte, wie
auch unser Energiegeld, aber diese sozialen Themen müssen eben auch präsent
in den Vordergrund rücken. Mehr soziale Gerechtigkeit und die Bekämpfung
der Klimakrise sind zwei Seiten derselben Medaille.
Manche sehen das soziale Potenzial der Grünen weniger optimistisch. Nicht
zuletzt sind die 50 Euro mehr Hartz IV, wie Sie sagen, deshalb ins
Wahlprogramm gekommen, weil es Bedenken gab, dass sonst gar keine Zahl
drinsteht.
Ich würde sagen, man sieht, dass viele wegen der aktuellen
Berichterstattung derzeit vorsichtig sind. Das kann man durchaus kritisch
sehen, denn es kann dazu führen, dass man sich zu wenig vorwagt. Allerdings
wurden auch viele eher konservativere Anträge abgeschmettert, ich würde
nicht davon sprechen, dass die Partei generell gegenüber linken Ideen
kritisch ist.
Wie meinen Sie das?
Ein Antrag der forderte, dass man sich nicht vornimmt, das Rentenniveau auf
48 Prozent anzuheben und zu halten, wie es nun im Programm steht, hat
gerade einmal zehn Prozent Zustimmung bekommen. Insgesamt haben wir als
Grüne Jugend auch im Vorhinein schon viele Punkte mit ins Programm
verhandelt. Es ist nun das linkeste Wahlprogramm, das es in den letzten
Jahren gab – linker als das von 2017 und auch als das von 2013.
Trotzdem gibt es nun die Befürchtung, dass Sie mit der Forderung „50 Euro
mehr Hartz IV“ in eine Koalitionsverhandlung mit der Union reingehen und
dann vielleicht nur mit 25 Euro mehr rausgehen.
Was klar ist – und wie es auch Sven Lehmann betont hat: Die 50 Euro mehr
Hartz IV müssen das Mindestmaß sein, eine rote Linie für
Koalitionsverhandlungen. Drunter geht’s nicht. Und danach müssen die
Regelsätze weiter steigen – und zwar deutlich. Wir als Grüne Jugend würden
allerdings ohnehin ein anderes Bündnis anstreben, mit dem inhaltlich mehr
zu erreichen ist. Grüße gehen an der Stelle an die Linkspartei raus.
16 Jun 2021
## LINKS
[1] /Parteitag-der-Gruenen/!5778519
[2] /Hartz-IV-und-Corona/!5746115
## AUTOREN
Alina Leimbach
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