# taz.de -- Eurovision Song Contest und Klimakrise: Das eurovisionäre Klima | |
> Für eine sanfte Öko-Message ist in den Liedern des Eurovision Song | |
> Contest Platz. Allzu politisch dürfen sie dabei aber nicht ausfallen. | |
Bild: Ein Kleid, blau wie der blaue Planet: Katja Ebstein bei einem Fernsehauft… | |
BERLIN taz | Schlager stehen selten an der Spitze gesellschaftlicher | |
Entwicklungen. Trotzdem hat ausgerechnet der Eurovision Song Contest die | |
Klimabewegung Fridays for Future vorhergesungen. „Ich ziehe in die Welt, um | |
den Planeten zu retten, und komme nicht zurück, bis er gerettet ist“, | |
zwitscherte der finnische Sänger Paradise Oskar ins Deutsche übersetzt auf | |
dem Wettbewerb von 2011 in seinem Lied „Da Da Dam“. | |
„Ich werde den König und das Parlament ersuchen; wenn die nicht helfen, | |
mache ich es allein.“ Es klingt wie die Geschichte der Klimaaktivistin | |
Greta Thunberg. Paradise Oskars Protagonist heißt aber Peter, erfährt mit | |
neun Jahren in der Schule von einem drohenden Planetensterben und will das | |
daraufhin verhindern – es hört aber niemand zu. | |
Politisch [1][dürfen Lieder beim Eurovision Song Contest eigentlich nicht | |
sein]. Das gilt auch diese Woche, wenn der Wettbewerb nach der | |
coronabedingten Pause im vergangenen Jahr zum 65. Mal stattfindet, diesmal | |
im niederländischen Rotterdam mit vergleichsweise wenigen 3.500 | |
Zuschauer:innen. Appelle zum Klima- und Umweltschutz gibt es unter den | |
Beiträgen aber immer wieder. Sie gehen in ihrer Sanftheit vielleicht durch, | |
stellen die Ökokrise oft als Konflikt zwischen Mensch und Erde dar, nicht | |
etwa zwischen reichen und armen, mehr oder weniger verantwortlichen, | |
stärker und schwächer betroffenen Menschen. Oder anders gesagt: eben als | |
unpolitisches Thema. | |
Noch am schärfsten hat es gleich Katja Ebstein im Jahr 1971 in ihrem Lied | |
„Diese Welt“ ausgedrückt. „Rauch aus tausend Schloten senkt sich über S… | |
und Land. Wo noch gestern Kinder war’n, bedeckt heut Öl den Strand“, sang | |
die Eurovision-Öko-Pionierin und klagte die Wirtschaft für ihre | |
Umweltverschmutzung an, wenn auch noch nicht unbedingt für die | |
Erderhitzung. In ihre Fußstapfen traten zum Beispiel die Norwegerin | |
Karoline Krüger mit ihrem Lied „For vår jord“ (zu Deutsch „Für unsere | |
Erde“) von 1988 und die Ukrainerin Alyosha, die im Lena-Jahr 2010 in ihrem | |
Titel „Sweet People“ fragte, was die Menschheit da angerichtet habe. | |
## Die Musikindustrie wacht nur langsam auf | |
Dieses Jahr hat sich der Eurovision Song Contest mit dem WWF sogar einen | |
Umweltverband als Kooperationspartner gesucht. Die Zusammenarbeit | |
beschränkt sich allerdings auf eine Onlinepetition mit dem Titel „Voice for | |
the Planet“. Ob auch praktische Schritte für den Klimaschutz unternommen | |
werden, ließ der Veranstalter auf Anfrage offen. Wie solche Schritte | |
aussehen könnten? Da wäre zum Beispiel der Bezug von Ökostrom, vermehrt | |
pflanzliches Essen, Müllvermeidung und die Bewerbung klimafreundlicher | |
Verkehrsmittel. Wenn das alles erledigt ist, kann man auch noch über eine | |
CO2-Kompensation nachdenken. | |
Die Musikindustrie wacht nur langsam auf, was ihre eigene Verantwortung für | |
die Klimakrise angeht – trotz Vorreiter:innen wie der Organisation | |
Reverb, die Musiker:innen zum ökologischen Touren berät. Umfassende | |
Berechnungen zum CO2-Fußabdruck der Branche sind rar. Auf das Konto der | |
britischen Musikindustrie würden zum Beispiel jährlich 540.000 Tonnen CO2 | |
gehen, haben Wissenschaftler:innen vor einem Jahrzehnt ermittelt, | |
nicht ganz 0,1 Prozent der damaligen britischen Treibhausgasemissionen. Gut | |
ein Viertel davon entfällt der Studie nach auf Produktion und Vertrieb von | |
Musik. Der große Rest, also ungefähr drei Viertel entstehen demnach durch | |
das Livegeschäft, also Konzerte und Veranstaltungen – wie den Eurovision | |
Song Contest. | |
[2][Die britische Band Coldplay hat 2019 bekanntgegeben], deshalb auf eine | |
Tour für ihr bislang letztes Album zu verzichten. Aber das kann sich nicht | |
jede:r leisten. Musiker:innen verdienen kaum noch am Verkauf von | |
Tonträgern, sondern vor allem durch Liveauftritte. Veranstaltungen sind für | |
die Branche wichtiger denn je. Vom kulturellen Wert des gemeinsamen | |
Lauschens, Mitsingens, Tanzens mal ganz abgesehen. | |
16 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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immer wieder, heute oder morgen können sie geschehn." Aber wer hätte | |
gedacht, ... |