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# taz.de -- Russlands ESC-Kandidatin Manizha: Sie singt gegen das Patriarchat
> Die tadschikischstämmige Sängerin vertritt Russland in Rotterdam. Die
> selbstbewusste Feministin kämpft gegen verkrustete
> Gesellschaftsstrukturen.
Bild: Die russische Sängerin Manizha während der Eröffnungs-Zeremonie in Rot…
Moskau taz | Am Ende der Vorstellung flimmern Dutzende digitale Bilder über
der Bühne. Bilder, die den Namen ihres Liedes formen: „Russian Woman“.
Manizha, das einstige Flüchtlingskind aus Tadschikistan, steht nicht allein
am Mikro beim Halbfinales des Eurovision Song Contests (ESC) in Rotterdam
und singt: „Sie kämpfen, alle rundherum kämpfen.“ [1][Es ist ein bewegend…
Chor aus mehr als 100 Frauen aus Russland, die in kleinen Videos die
Botschaft der 29-Jährigen zu einem Manifest machen: gegen das traditionelle
Frauenbild in ihrem Land.]
Manizha Sangin bezeichnet sich als Feministin; in Russland gilt das bis
heute als Schimpfwort. Sie tritt gegen neopatriarchale Strukturen ein – und
erntet Hass. Aber auch viel Bewunderung. Ihr „Russian Woman“, mit dem sie
an diesem Samstag im ESC-Finale antritt, ist ein Mix aus Russisch und
Englisch, aus Folklore-Klängen und Rap-Rhythmen. Ihre Art-Pop-Jonglage ist
vor allem für die Traditionalist*innen in Russland ein Affront.
„Diese Schwarzarschige“ wage es, über die russische Frau zu singen? Die
Kommentare, vor allem in den sozialen Netzwerken, sind menschenverachtend
und spiegeln genau das wider, wogegen sich Manizha positioniert.
[2][Sie spricht sich gegen Rassismus aus, gegen Sexismus und Xenophobie.]
Vieles davon hat die Sängerin selbst erlebt. Ihre Familie war 1993 im
tadschikischen Bürgerkrieg nach Russland geflohen, da war Manizha zwei.
Ihre alleinerziehende Mutter verdingte sich als Putzfrau und
Marktschreierin und sorgte dafür, dass ihren fünf Kindern die Bildung in
Russland offenstand, auch wenn sie zur Bestechung der Schuloberen greifen
musste.
Manizha schrieb bereits mit acht Lieder, nahm mit dem Geld der Großmutter
Englisch-Unterricht, trat später in Pop-Projekten als blondiertes, braves
Mädchen auf. Sie schämte sich für ihre Herkunft und schämt sich heute für
die damalige Scham. Es dauerte Jahre, bis sie ihre selbstgeschriebenen,
sehr persönlichen Lieder sang und durch Instagram bekannt wurde.
## Sie hilft Kindern aus immigrierten Familien
Mit 14 bekam sie ihren russischen Pass. Das Russisch-Sein aber sprechen ihr
viele ab. Selbst die Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Walentina
Matwijenko, bezeichnete Manizha verächtlich als „Pferdemensch“ und sagte,
sie wisse gar nicht, was dieses Lied solle. Vertreter*innen der Kirche
und auch Veteranenverbände warfen Manizha vor, russophob zu sein und alle
russischen Frauen zu beleidigen.
Die 29-Jährige hält der russischen Gesellschaft einen Spiegel vor und zeigt
durch ihr Leben, was schief läuft in Russland. „Sei du selbst“, ruft sie
all jenen entgegen, die in einem Land, das auf „Tradition und Moral“ baut,
vermeintlich aus dem Rahmen fallen. Sie setzt sich für Opfer häuslicher
Gewalt ein, spricht sich für gleiche Rechte der LGBTQI-Community aus, hilft
Kindern aus migrierten Familien. Ihre Gegner*innen werfen ihr vor, nach
Europas Pfeife zu tanzen und die „russischen Werte“ mit Füßen zu treten.
In „Russian Woman“ singt sie mit viel Ironie gegen die Frau als Beiwerk an.
„Oh, Schönheit! Wartest du auf deinen Jüngling? Du bist schon über 30, hör
mal, wo bleiben die Kinder?“, heißt es da bewusst auf Russisch, lediglich
der Refrain ist auf Englisch. Auf Manizhas knallrotem Arbeiteroverall
prangt auf Kyrillisch: „Raschn Wuman“. „Es gibt sehr viele wie mich in
unserem Land“, sagt sie in Interviews. Viele solcher russischen Frauen, die
einen Wandel wollen – weg vom Patriarchat.
21 May 2021
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=ajfaz1CKZq0
[2] /Europarat-kritisiert-Russland/!5578203
## AUTOREN
Inna Hartwich
## TAGS
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