# taz.de -- Musiker Peter Schilling über Klimasongs: „Öl im Getriebe der Me… | |
> Mit „Die Wüste lebt“ hat Peter Schilling 1983 den ersten deutschen | |
> Klima-Hit geschrieben. Dabei ist der Klimawandel schwer in Worte zu | |
> fassen, sagt er. | |
Bild: Protest von Fridays for Future im Mai in Berlin: eine große Zielgruppe f… | |
taz: Herr Schilling, eine Ihrer Liedzeilen geht so: „Nach vielen Tausend | |
Jahren hat/ Die Erde nun den Menschen satt/ Sie gibt die Atmosphäre auf/… | |
Peter Schilling: … und schaltet die Computer aus.“ | |
Der Song schaffte es 1983 auf Platz 7 der deutschen Charts – „Die Wüste | |
lebt“ ist so etwas wie der erste deutschsprachige Klimahit. Wie sind Sie | |
auf den Text gekommen? | |
Ich bin seit jeher ein naturwissenschaftlich interessierter Mensch. In | |
meiner Fantasie habe ich mir damals vorgestellt, was wohl passiert, wenn | |
die Erde so rücksichtslos mit uns umgehen würde, wie wir mit der Erde | |
umgehen. Allerdings war mir seinerzeit noch nicht klar, wie wichtig eine | |
intakte Atmosphäre ist – oder andersrum, auf welch gefährlichem Weg die | |
Menschheit eigentlich ist. | |
Das Problem ist heute in aller Munde. Warum sind Pop- oder Rocksongs zur | |
Klimakrise trotzdem rar? | |
Die Herausforderung an den Künstler ist es meines Erachtens immer, nicht | |
mit erhobenem Zeigefinger zu arbeiten. Vielmehr ist es unsere Aufgabe, den | |
Menschen Probleme über Geschichten nahezubringen, die wir erzählen. Das ist | |
beim Thema Erderwärmung nicht so einfach. | |
Philipp Grütering von der Band Deichkind sagt, es sei verdammt schwer, | |
einen guten Song über den [1][Klimaschutz] zu schreiben. Hat er recht? | |
Ja, vollkommen. Meine Erfahrung ist folgende: Die Menschen schauen sehr | |
ungern auf das Klimaproblem, denn mittlerweile haben wir verinnerlicht, | |
dass die Erderwärmung uns alle betrifft, unsere Katastrophe ist. In unserer | |
menschlichen Natur liegt es aber, dass wir die Nachbarkatastrophe trefflich | |
analysieren können, weil sie nicht uns betrifft. Mit den Folgen der eigenen | |
Katastrophe wollen wir dagegen nur ungern konfrontiert werden. | |
Hat Popmusik die Aufgabe, solche Katastrophen ins gesellschaftliche | |
Bewusstsein zu rücken? | |
Musik generell! Sie verbindet die Menschen weltweit, Musik ist das Öl im | |
Getriebe der Menschlichkeit. Musik erreicht die Menschen emotional, und das | |
ist ja auch die Triebfeder von uns Musikern: die Menschen emotional zu | |
erreichen. Ich halte die Aufgabe, gute Songs zum Problem zu schreiben, für | |
Popmusiker für verpflichtend. Das ist ebenso wichtig, wie gute Politik zu | |
machen. | |
Mit der [2][„Fridays-for-Future-Bewegung“] gibt es jetzt ja auch ein | |
Publikum, viele junge Bands wie „AnnenMayKantereit“ oder die „Bläck Fö�… | |
traten bei den Demonstrationen auf. Kommt jetzt die „Neue Deutsche | |
Klimawelle“? | |
Wichtig ist, dass Musik authentisch ist. Künstler die versuchen, einer | |
Bewegung mal einen Song draufzupflanzen, das wird nicht funktionieren. Das | |
Publikum ist wahnsinnig sensibel, die Leute merken, wenn etwas künstlich | |
ist. Sicherlich, es wird möglicherweise mehr Bands geben, die sich des | |
Themas annehmen. Dass daraus aber eine neue „Welle“ entsteht, das glaube | |
ich nicht. | |
Sie selbst brachten im Januar ein neues Album heraus, „Vis Visa“ heißt es. | |
Ist da ein neuer Klimasong dabei? | |
Es gibt explizit keinen neuen Klimatext, aber meine Texte befassen sich wie | |
immer mit Psychologie, mit Naturwissenschaft, mit Zukunft. | |
Könnte eine „Neue Deutsche Klimawelle“ den Klimaschutz voranbringen? | |
Natürlich helfen Songs, auf das Problem aufmerksam zu machen. Ich fürchte | |
aber, das nutzt sich irgendwann ab. Deshalb müssen wir aufpassen, frisch | |
und originell in der Wortwahl zu bleiben, um Menschen auch tatsächlich zu | |
erreichen. Mir ist beim Songschreiben folgende Perspektive wichtig: Wir tun | |
immer so, als würden wir Menschen der Erde schaden. Aber das ist natürlich | |
Quatsch! Wir schaden nicht der Erde, wir schaden uns selbst. | |
17 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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