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# taz.de -- Belarus beim Eurovision Song Contest: Kein Lied für Rotterdam
> Belarus soll seinen ESC-Beitrag aus politischen Gründen ändern. Die Band
> lehnte das ab. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk.
> Folge 70.
Bild: Braucht einen neuen Text wenn sie beim ESC antreten will: Irina Sorgovits…
2020 verloren die Belarussen das Recht, ihren Präsidenten zu wählen, und
2021 – die Landesvertreter beim Eurovision Song Contest (ESC). Erst vor
wenigen Tagen wurde bekannt gegeben, dass die unbekannte Gruppe Galasy
ZMesta aus Baranowitschi, einer Stadt im Bezirk Brest, beim
Musik-Wettbewerb antreten solle. Sie wurde vom Fernsehsender BT ausgewählt
(einem Sender, der zu 100 Prozent dem Präsidenten untersteht).
Wenn man die Bandmitglieder googlet, erfährt man, dass die Gruppe sich erst
im Herbst letzten Jahres gegründet hat, gleich nach den Wahlen, um ihre
Abneigung gegen die Opposition zu propagieren.
Im Repertoire der Gruppe finden sich [1][Lieder über Maria Kolesnikowa]
(politische Gefangene, die 2020 im Stab des Präsidentschaftskandidaten
Wiktor Babariko war) und über Pawel Latuschko (ehemaliger Kulturminister,
der jetzt aktiv gegen die herrschende Macht auftritt), und über alle
diejenigen, die derzeit im Baltikum sind und von außen auf Belarus schauen
und die Protestierenden von dort lenken (eine Anspielung auf [2][Swetlana
Tichanowskaja und ihr Schattenkabinett]).
Das Lied, mit dem Belarus beim ESC vertreten sein sollte, enthält Sätze
wie: „Ohne Vergangenheit wird alles einfach sein“ (was sagen will, es sei
Zeit, den August 2020 zu vergessen), „Ich werde dir beibringen, nach meiner
Pfeife zu tanzen“ (also: du wirst das tun, was die Machthaber sagen), „Ich
werde dir beibringen, nicht vom Weg abzuweichen“ (also sei demütig).
Im russischsprachigen Internet ließ die Resonanz nicht lange auf sich
warten. Musikkritiker schrieben Rezensionen über dieses Lied und die Worte
„Schande“, „trash“, „das ist Politik“ kamen am häufigsten darin vo…
Im Internet gab es unterschiedliche Reaktionen, aber vor allem waren es
witzige Kommentare, zum Beispiel: „Aus Belarus fährt dieses Jahr die
Fremdscham zum ESC“. Oder: „Als sie erfuhren, wer dieses Jahr Belarus beim
ESC vertreten wird, begannen die Belarussen plötzlich, sich von ihrer
Staatsangehörigkeit loszusagen“ und „2021 ist das erste Jahr in der
Geschichte des ESC, in dem ein Lied im Wettbewerb vertreten sein wird, das
dafür gemacht wurde, Maulwürfe zu erschrecken.“
Als bekannt wurde, das solch ein Lied nicht beim ESC gesungen werden darf,
erklärte der Bandleader, dass er bereit sei, seine Kandidatur
zurückzuziehen und nicht plane, das Lied bis zum 13. März umzuschreiben
(und die Frist war kurz, und man war sehr überzeugt davon, im Recht zu
sein.)
Nach einer Analyse der des Liedes erklärten Experten, dass das Lied den
„nicht-politischen Charakter des Wettbewerbs“ in Frage stelle.
Lukaschenko äußerte sich auch zur Situation mit dem Wettbewerb: „Diese
Situation wird uns Glaubwürdigkeit verleihen! Die Forderung der
Europäischen Rundfunkunion, dass das Lied der belarussischen Teilnehmer am
Eurovision Song Contest 2021 unbedingt geändert werden müsse, steht im
Einklang mit dem allgemeinen äußeren Druck auf unser Land“, zitiert die
Agentur BelTa den Präsidenten. [3][„Man fängt schon an, von allen Seiten
Druck auf uns auszuüben.] Sogar beim ESC, wie ich sehe. Was sind das da für
Typen? Nun, sie haben ihnen (der Gruppe Galasy Zmesta; Anm. der Redaktion)
nur zusätzlich Autorität verliehen. Wie sagt man? Gute PR. Na ja, wenn wir
überhaupt mitmachen, nehmen wir halt ein anderes Lied.“
Man kann ja jede Menge unguter Dinger über die Tätigkeiten der
belarussischen Machthaber sagen, aber ein weises belarussisches Sprichwort
passt hier selten gut: Ihre Taten sprechen für sich selbst!
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey]
19 Mar 2021
## LINKS
[1] /Weibliche-Oppositionelle-in-Belarus/!5713585
[2] /Belarussisches-Auslieferungsgesuch/!5742679
[3] /Keine-Eishockey-WM-in-Belarus/!5742681
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
## AUTOREN
Olga Deksnis
## TAGS
Belarus
Protest
Kolumne Notizen aus Belarus
Minsk
Alexander Lukaschenko
Schwerpunkt Eurovision Song Contest
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Homophobie
Belarus
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
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