# taz.de -- Verschwörungsmythen an der Schule: Die Entschwörung | |
> Lehrkräfte, Eltern, Schüler*innen – alle sind konfrontiert mit | |
> Verschwörungsmythen. Längst sind sie im Klassenraum angekommen. Was tun? | |
Peer Gärtner* ist zu spät. Als er versucht, seine Schüler*innen im | |
Unterricht gegen [1][Verschwörungsmythen] zu stärken, bevor sie bei ihnen | |
ankommen, muss er feststellen: Sie sind längst da. Lügen über ein Virus aus | |
dem Labor, über Bill Gates, über eine Regierung, die die Bevölkerung | |
angeblich unterdrücken will – sie haben längst den Weg zu seinen | |
Schüler*innen an einer bayerischen Mittelschule gefunden. „Die ganzen | |
typischen Erzählungen waren bei den Schülern schon aufgeploppt.“ Gärtner | |
hat ein Problem. | |
30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland halten Verschwörungserzählungen | |
für wahrscheinlich richtig oder sicher richtig, wie eine [2][repräsentative | |
Befragung] von Infratest dimap zwischen Oktober 2019 und Februar 2020 mit | |
mehr als 3.200 Teilnehmenden ergab. 11 Prozent sind laut der im Auftrag der | |
Konrad-Adenauer-Stiftung durchgeführten Studie überzeugte | |
Verschwörungsgläubige – und das noch vor der Pandemie. | |
Die Schule ist kein geschlossener Raum, bei dem gesellschaftliche | |
Entwicklungen außen vor bleiben. Ideen werden hineingetragen durch Eltern, | |
Schüler*innen, Lehrkräfte – auch Verschwörungsmythen. Und so sehen sich | |
Schüler*innen mit verschwörungsideologischen Lehrkräften konfrontiert, | |
Lehrer*innen müssen mit Verschwörungsmythen von Schüler*innen und | |
Eltern umgehen. | |
Das spürt auch [3][die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin | |
(MBR)]. „Die Anfragen zum Umgang mit Verschwörungsideologien haben sich von | |
2019 bis 2021 mehr als verdreifacht und machen jetzt etwa ein Viertel aller | |
Anfragen an uns aus“, sagt Berater Michael Sulies. Auch im Kontext Schule | |
konnte die MBR diese Steigerung feststellen. Sulies erreichen | |
Fortbildungsanfragen für Referendar*innen und Beratungsgesuche zum | |
Umgang mit Verschwörungsideologien im Kollegium, bei Schüler*innen und | |
Eltern. | |
Peer Gärtner sah sich schon vor der Pandemie mit verschwörungsgläubigen | |
Jugendlichen konfrontiert. Der Geschichts- und Politiklehrer spricht in | |
Ruhe mit ihnen, fühlt nach, woher die Einstellungen stammen. „Dort, wo die | |
eigenen Ängste gelagert sind, docken Verschwörungsmythen an“, erklärt Beate | |
Leinberger. Sie ist Kinder- und Jugendpsychotherapeutin und Professorin für | |
Soziale Arbeit an der Internationalen Hochschule Nürnberg. Seit dem | |
Ausbruch des Virus wachse die Angst. Verschwörungsmythen betrachtet | |
Leinberger als Plattformen, die Gläubigen Orientierung gäben. „Ein Mythos | |
kann einen wahren Kern haben, an den die Jugendlichen sich klammern, mit | |
dem sie argumentieren.“ Aktuell bieten viele ihnen diese Plattformen an. | |
Oft sind es die Eltern, die den Jugendlichen den Zugang zu | |
Verschwörungsideologien eröffnen. Das erlebt Christoph Becker*. Der | |
Politiklehrer unterrichtet an einer Privatschule in Berlin. Mindestens drei | |
seiner Siebt- und Achtklässler seien durch ihre Eltern dem | |
„[4][Querdenken]“-Milieu nahe, begleiteten sie sogar auf Demonstrationen. | |
Becker will sie damit nicht alleine lassen. Er nutzt Online-Einzelgespräche | |
mit den Jugendlichen, fragt sie, was sie auf der Demo erlebt haben, wie es | |
ihnen gefallen hat. „So kann ich sehen, welchen Erlebnissen die Schülis | |
ausgesetzt sind, und kann es mit ihnen gemeinsam einordnen.“ | |
Die Schüler*innen nehmen dieses Angebot an. Relativ ungefiltert | |
berichteten sie dann von angeblich gefährlichen Tests und nutzlosen Masken. | |
Und sie haben Fragen an Becker: „Warum bezeichnen mich Leute als Nazi, wenn | |
ich auf ‚Querdenken‘-Demos gehe?“ Becker spricht mit ihnen über die | |
Symbole, die auf diesen Demos regelmäßig gezeigt werden, über ihre | |
antisemitische Bedeutung. | |
„Hast du solche Symbole schon mal auf den Demonstrationen gesehen?“ | |
„Nein, aber ich werde darauf in Zukunft mal achten.“ | |
„Hast du schon mal Gewalt gegen Journalisten auf den Demos gesehen?“ | |
„Joah, es wurde schon rumgeschubst. Aber auch von der Polizei gegen | |
Demonstranten.“ | |
„Glaubst du, eine Demonstration muss sich von solchen Aussagen | |
distanzieren?“ | |
„Auf alle Fälle. Nazis sind ja scheiße und das will man nicht auf einer | |
guten Demo haben, die eigentlich nur gegen Corona ist.“ | |
## Rote Linien und Mikrofone | |
Laut Psychotherapeutin Leinberger ist es wichtig, den Jugendlichen | |
zuzuhören, sich mit ihren Perspektiven auseinanderzusetzen und möglichst | |
neutral zu diskutieren. „Eine Diskussion lebt von These und Antithese. Ein | |
Mythos aber ist eine Verfestigung von nur einem dieser Bestandteile.“ Die | |
Diskussion als Ausweg aus einer Gedankensackgasse. Schüler*innen | |
bloßzustellen sei jedoch „nicht Sinn der Sache“. Stattdessen müsse ein Ra… | |
für Ideen geöffnet werden, auch für die Ideen der anderen Schüler, sagt | |
Leinberger. „Wenn ein Schüler, der einem Verschwörungsmythos anhängt, | |
mitbekommt, dass da 28 Menschen anders denken, ist das eine Möglichkeit, | |
angeregt zu werden.“ Nur so sei man in der Lage, den eigenen Standpunkt zu | |
verändern. | |
Doch manchmal lassen sich Standpunkte nicht ändern. Gärtner kennt das | |
Scheitern. Bei zwei Schüler*innen dringt er auch nach noch so | |
umfangreichen Gesprächen nicht durch. „Fakten und Aufklärung haben nicht | |
gefruchtet. Die Beziehung zu mir war nicht prägend genug, als dass sie von | |
ihrer Ideologie hätten ablassen können.“ Er trifft mit den Schüler*innen | |
eine Vereinbarung über Dinge, die in seinem Klassenraum nicht gesagt werden | |
dürfen, zieht eine rote Linie. | |
Was untergeht während der Pandemie, wenn Erwachsene übers Homeoffice | |
streiten, über Impfreihenfolgen und geschlossene Restaurants, sind häufig | |
die Belange von Kindern und Jugendlichen. Und dann käme Querdenken, so | |
Leinberger, und biete eine Botschaft: Bei mir dürft auch ihr das Mikrofon | |
halten. | |
[5][Bei vielen „Querdenken“-Demonstrationen sind auch Kinder], skandieren | |
gemeinsam mit den Erwachsenen, nicht selten sind sie auch Thema der Demo, | |
etwa wenn erlogen wird, Kinder würden durch das Tragen von Masken sterben. | |
Und auch auf der Bühne sind Kinder zu finden. Im November 2020 steht eine | |
11-Jährige bei einer dieser Demonstrationen auf einer Bühne in Karlsruhe. | |
Sie vergleicht sich mit Anne Frank, weil sie wegen der Coronamaßnahmen | |
leise ihren Geburtstag mit Freundinnen feiern musste, damit die Feier nicht | |
auffliegt. Am Ende der Rede wird geklatscht. „Wenn die Eltern applaudieren, | |
ist das für die Kinder eine tolle Situation, ähnlich dem Lob für eine Eins | |
in der Schule“, sagt Leinberger. „Die Kinder merken überhaupt nicht, dass | |
sie instrumentalisiert werden.“ | |
## Verunsicherung bei Jugendlichen | |
Dabei unterscheidet Leinberger zwischen Kindern bis zum Alter von etwa 12 | |
Jahren und Jugendlichen. Kinder hätten weniger Möglichkeiten, zu verstehen, | |
was Verschwörungsmythen überhaupt sind. „Jugendliche haben aufgrund ihrer | |
gereifteren Hirnentwicklung mehr Möglichkeiten, Informationen und | |
Nachrichten zu verstehen und können diese dann anders verarbeiten.“ Doch | |
dieses Begreifen kann zu Konflikten in der Familie führen. | |
Wenn ihre Eltern an Verschwörungserzählungen glauben, litten Kinder und | |
Jugendliche, sagt Leinberger. „Besonders Jugendliche erkennen sehr gut, in | |
welche Ideen die Eltern sich begeben, und haben ihre eigene Meinung dazu.“ | |
Auch wenn sie versuchten, die Taten und Gedanken der eigenen Eltern für gut | |
zu befinden, merkten sie: Da ist etwas nicht stimmig. „Das bringt eine hohe | |
Verunsicherung dessen, in wie weit man den eigenen Eltern noch vertrauen | |
kann.“ Manche der Jugendlichen gingen dann mit ihren Eltern in den | |
Konflikt. | |
Gärtner und Becker finden es wichtig, auch mit den Eltern ins Gespräch zu | |
kommen. Bei Becker entstehen dabei immer wieder Konflikte. Manche Eltern | |
beschränkten sich darauf, ihm Youtube-Kanäle von Coronaleugner*innen | |
zu empfehlen. Andere schrieben ihm E-Mails, in denen sie einen kritischeren | |
Umgang mit den Maßnahmen der Bundesregierung fordern oder dass sich die | |
Schule über die Hygienemaßnahmen hinwegsetzt. Immerhin zahle man ja | |
Schulgeld. Einige Eltern schickten ihre Kinder gar nicht mehr in die | |
Schule. Während ihre Mitschüler*innen im Wechselunterricht sind und | |
sich ihr Leben langsam wieder normalisiere, blieben sie ausschließlich im | |
Online-Unterricht. Bei ihnen sieht Becker momentan besonders große | |
Motivationsprobleme. | |
Joscha Falck, Kreisverbandsvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und | |
Wissenschaft Roth-Schwabach-Hilpoltstein, beobachtet, dass manche Eltern | |
ihre Kinder selbst in den letzten Wochen vor der Abschlussprüfung nicht in | |
die Schule lassen. „Wir wissen, dass das dem Kind schadet – massiv! Aber | |
wir können nichts tun“, sagt Falck. Gleichzeitig würden manche Lehrkräfte | |
den Schüler*innen die Situation erleichtern wollen, versuchen, digitale | |
Lernangebote zu schaffen, während sie den normalen Präsenzunterricht | |
weiterführen. „Wir müssen akzeptieren, dass wir an diese Kinder nicht mehr | |
rankommen, dass wir sie verlieren. Oder wir müssen uns zerreißen“, so | |
Falck. „Viele Lehrer machen das gerade. Sie leisten mehr, als sie können. | |
Das wird nicht lange gut gehen.“ Die GEW frage derzeit regelmäßig, wie es | |
den Kolleg*innen geht, versuche ein Stimmungsbild zu bekommen, auch zum | |
Thema Burnout. | |
Falck ist überzeugt, dass die Zeit zu Hause, ohne den Klassenverbund, bei | |
den Jugendlichen Spuren hinterlassen wird, die über Lernlücken hinausgehen | |
– weil sie zu Hause mit Meinungen bombardiert würden, dass alles erfunden | |
sei, ohne Mitschüler und Lehrer, die regulierten. „Und gleichzeitig, | |
während sie zu Hause sitzen, findet in der Schule, in ihrer Peer Group, | |
eine Realität statt, in der sie keine Rolle mehr spielen.“ Falck geht davon | |
aus, die sozialen Auswirkungen der Pandemie auf die Schüler*innen noch | |
ein ganzes Jahr lang zu spüren. Mindestens. | |
Helfen könnte die Soziale Arbeit und Vereine. „Jugendliche, die nach Außen | |
gehen und sich von den Eltern ablösen, brauchen diesen Zwischenschritt“, | |
erklärt Leinberger. Doch wenn die Sportvereine, die Jugendclubs, die | |
Schulen nicht oder nur phasenweise geöffnet sind, dröselt sich das | |
Sicherheitsnetz der Regulation und der Geborgenheit auf. „Wir bräuchten für | |
jede Jahrgangsstufe mindestens eine pädagogische Fachkraft, die sofort | |
verfügbar ist, wenn Verschwörungserzählungen oder rechte Ideologien im | |
Unterricht aufkommen“, fordert deswegen GEW-Mann Falck. Eine Lehrkraft | |
könne das bei 30 Schüler*innen pro Klasse nur bedingt leisten. „Doch an | |
Bayerischen Mittelschulen haben wir in der Regel ein bis zwei Fachkräfte | |
für 300 bis 400 Schüler.“ | |
## „Mahnwache“ mit Lehrkraft | |
An der Freien Waldorfschule Schopfheim sind nicht die Jugendlichen das | |
Problem. Im Frühjahr 2020 beginnt eine Gruppe von Menschen wöchentlich | |
sogenannte „Mahnwachen“ auf dem Marktplatz abzuhalten. [6][Bald berichtet | |
die Badische Zeitung] darüber, welche Verschwörungserzählungen dort | |
verbreitet werden und dass auch Waldorf-nahe Personen unter den | |
Organisator*innen sind. Auch Freia Arncken bemerkt das. Sie ist | |
Schülerin der Waldorfschule, steckt gerade mitten in ihren Abiturprüfungen. | |
Es seien teilweise Eltern bei den „Mahnwachen“ gewesen, aber auch | |
mindestens eine Lehrerin und eine Schulbegleiterin. Mitte Dezember 2020 | |
schreibt letztere der Waldorfschule einen Brief. | |
Darin vergleicht die Frau die Situation von Coronaleugner*innen mit | |
der von jüdischen und homosexuellen Menschen im Nationalsozialismus. Und | |
sie forderte die Schule auf, sich an ihre Seite zu stellen, etwas gegen die | |
sogenannte „Hetze“ der Presse zu unternehmen – obwohl die Schule sich | |
bereits öffentlich von der „Mahnwache“ distanziert hat. Arncken geht der | |
Brief zu weit. „Die Formulierungen kommen vom rechten Rand. Es ist die | |
Rhetorik, bei der ich dachte: Das ist absolut nicht in Ordnung, egal was | |
die Intentionen dahinter sind.“ | |
Sie wendet sich an eine Lehrerin, bittet um Rat und wird darin bestärkt, | |
selbst aktiv zu werden. Gemeinsam mit Klassenkamerad*innen verfasst | |
sie kurz vor Weihnachten einen offenen Brief, den viele Schüler*innen | |
der Waldorfschule unterzeichnen. Immer mehr Menschen zeigen ihre | |
Zustimmung. Auch von der Schule kommt viel positive Rückmeldung. Inzwischen | |
sei die Schulbegleiterin nicht mehr an der Schule, erzählt Arncken. | |
Auch an anderen Schulen in ganz Deutschland kommt es immer wieder zu | |
ähnlichen Fällen. In Berlin beschweren sich Schüler*innen eines | |
Oberstufenzentrums über einen Berufsschullehrer, der auf Youtube | |
Verschwörungsideologien verbreitet – und laut ihnen auch im Unterricht. | |
[7][Erst als sie sich an den RBB wenden], der groß darüber berichtet, wird | |
der Lehrer abgemahnt. | |
„Wenn Lehrer*innen vor Schüler*innen verschwörungsideologische, | |
rassistische oder antisemitische Äußerungen vertreten, ist das ein Grund | |
einzuschreiten“, sagt auch Sulies von der MBR. Es mache aber einen | |
Unterschied, wer das tue. „Der Raum Schule ist durch Hierarchien geprägt, | |
und die Handlungsmöglichkeiten von Schüler*innen, die allein schon durch | |
die Noten von Lehrer*innen abhängig sind, sind andere als die im | |
Kollegium.“ Während Eltern und Kollegium sich auch an höhere | |
Hierarchieebenen wenden können, sei das für Schüler*innen manchmal | |
schwieriger. Vernetzung mit anderen Schüler*innen und Lehrer*innen, | |
denen sie vertrauen, sei aber eine gute Möglichkeit, mit dem Erlebnis | |
umzugehen. Auch der Schritt an die Öffentlichkeit könne eine Möglichkeit | |
sein. | |
## Es bleibt nur Autodidaktik | |
Ein Handeln wie das von Arncken und den Schüler*innen des OSZ zu | |
fördern, auch das ist Aufgabe der Schulen. Einige Lehrkräfte bemühen sich | |
deswegen eigenständig darum, in diesen Bereichen ausgebildet zu werden. So | |
etwa Hannah Kempe*, die gerade an einer Haupt- und Realschule in | |
Niedersachsen ihr Referendariat macht. Bereits während ihres | |
Geschichtsstudiums hat sie sich gezielt damit auseinandergesetzt, wie sie | |
Rechtsextremismus und Fake News begegnen kann. Sie hat Vorträge besucht und | |
Jugendlichen dazu einen Workshop in einer Gedenkstätte gegeben– als Übung | |
für sich selbst. „Denn auch, wenn ich selbst weiß, wie ich mich stark gegen | |
Verschwörungserzählungen positioniere, muss ich ja erst lernen, wie ich das | |
auch Jugendlichen beibringe.“ | |
Dennoch ist Kempe sich unsicher, wie gut sie im Ernstfall reagieren wird, | |
wenn tatsächlich das erste mal ein*e Schüler*in vor ihr steht und | |
Verschwörungsmythen vertritt. Wenn der Raum nicht ein vorbereiteter | |
Workshop ist, sondern eine kleine Äußerung im Unterricht oder auf dem | |
Pausenhof. | |
Vielen Lehrkräften fehlt die Expertise im Umgang mit | |
Verschwörungsgläubigen. Zwar gibt es viele Workshop-Angebote von | |
Bildungsträgern und Beratungsstellen wie der MBR, die an manchen Schulen | |
sogar jährlich Schulungen durchführt. „Die Schulungen sind aber nicht auf | |
den Themenbereich Verschwörungsideologien beschränkt“, so Sulies. „Dafür | |
ist der Themenbereich erst zu kurz im Fokus der Gesellschaft. Häufiger ging | |
es bisher um Rechtsextremismus, Antisemitismus oder Rassismus.“ Und auch | |
Beratungsstellen, die Workshops zu Verschwörungsideologien anbieten, haben | |
zwei große Probleme: Zum einen kosten manche von ihnen Geld. Zum anderen | |
braucht es jemanden an der Schule, der den Workshop organisiert. Becker | |
glaubt, dass manche Kolleg*innen so überlastet seien, dass sie sich | |
darum im Moment nicht kümmern könnten. „Jemand müsste uns den Workshop in | |
die Schule tragen.“ | |
Falck, Becker, Gärtner, Kempe – sie haben während ihres Studiums gelernt, | |
mit rechtsextremen Äußerungen im Klassenzimmer umzugehen. Doch sie alle | |
sind Lehrer*innen in Fächern wie Politik, Sozialkunde und Geschichte. | |
Falck sagt, Lehrer*innen aus anderen Fachbereichen hätten häufig nicht | |
schon während des Studiums viel zu diesen Themen gearbeitet. Auch im | |
Referendariat sei der Umgang mit rechten Ideologien selten Thema. Die | |
meisten Lehrkräfte müssen sich ihre Strategien im Umgang mit | |
Verschwörungsmythen selbst erarbeiten – und sie dann im Unterricht | |
anwenden. | |
Doch dafür braucht es eine grundlegende Mangelware: Zeit. Becker hat Glück, | |
er kann sie sich nehmen, hat im Geschichts- und Politikunterricht den | |
Luxus, dass Demokratiebildung eines der übergeordneten Ziel des Lehrplans | |
ist. Für Mathe- und Chemielehrer*innen könnte es schwieriger werden. | |
„Aber selbst wenn es nicht reinpasst, wäre es mir wert, dafür den Stoff | |
hinten anzustellen“, sagt Becker. Die gesellschaftliche Diskussion ist ihm | |
wichtiger, das, „was den Kids gerade auf der Seele brennt“. Dafür müsse an | |
einer Schule immer Platz sein. | |
*Die Lehrer Gärtner und Becker und die Referendarin Kempe tragen in | |
Wirklichkeit andere Namen. Da sie jedoch als Mitarbeitende von Schulen | |
nicht ohne Genehmigung über ihre Arbeit sprechen dürfen, wurden sie von der | |
taz anonymisiert. Ihre wahren Identitäten sind der Redaktion bekannt. | |
3 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Verschwoerungsmythen-und-Corona/!t5015225 | |
[2] https://www.kas.de/documents/252038/7995358/Eine+repr%C3%A4sentative+Umfrag… | |
[3] https://mbr-berlin.de/ | |
[4] /Geschaefte-machen-mit-der-Pandemie/!5754871 | |
[5] /Polizeieinsatz-gegen-Coronaleugner/!5725717 | |
[6] https://www.badische-zeitung.de/wer-hinter-den-corona-protesten-im-kreis-lo… | |
[7] https://www.rbb24.de/politik/thema/corona/beitraege/2021/02/berufsschullehr… | |
## AUTOREN | |
Johannes Drosdowski | |
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Hans-Georg Maaßen | |
Coronaleugner | |
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