# taz.de -- Schule in der Pandemie: Hurra, hurra, sie brennt nicht | |
> Lange galt die Schule als Ort der Qual und Hort der Unterdrückung. Doch | |
> in der Pandemie ist sie für viele Kinder zum Sehnsuchtsort geworden. | |
Bild: Am Mittwoch geht es in Berlin wieder los: Die Schulen kehren zum Regelunt… | |
Ach, dann musst du ja jetzt bald in die Schule gehen.“ Diesen Satz hören | |
Fünf- oder Sechsjährige immer seltener. Dass [1][die Schule] reiner Zwang | |
sei, bezog sich auf eine Gesellschaft, in der Kinder nach dem Mittagessen | |
auf den Straßen oder auf dem Feld herumstromerten und dort tatsächlich frei | |
waren. Heute sind Orte der Freiheit, also des Beisammenseins mit anderen | |
Kindern, sehr viel mehr institutionalisiert; und neben Vereinen spielt die | |
Schule die wichtigste Rolle. | |
[2][Am kommenden Mittwoch kehrt nun auch Berlin] zum Regelbetrieb an den | |
Schulen zurück. Man mag das Aufweichen der Idee, als einziges Bundesland | |
den Wechselunterricht bis zu den Sommerferien durchzuziehen, als | |
populistisches Wahlkampfmanöver sehen [3][oder mit einem Wutausbruch auf | |
diese mögliche Infektionsparty vor den großen Ferien] reagieren. Man wird | |
aber kaum übersehen können, dass nichts den allermeisten Kindern und | |
Jugendlichen solche Freude bereitet hat wie die Nachricht: Ihr dürft | |
zusammen sein. Während ihre Eltern teils noch zu „Hurra, hurra, die Schule | |
brennt“ abtanzten, sehnen sich die Kinder heute nach dem Ort mit | |
ihresgleichen. | |
Wenn die Schule nicht mehr die „Penne“ ist, Ort der Qual und Hort der | |
Unterdrückung: Dann stellt sich die Frage, was die Erwachsenen eigentlich | |
in diesen zentralen Ort der Herzensbildung und der demokratischen Erziehung | |
zu investieren bereit sind. Wie in anderen gesellschaftlichen Feldern – | |
Wohnungsfrage und öffentlicher Nahverkehr insbesondere – hat die Pandemie | |
offengelegt, dass die Epoche der Marktpropaganda und der mit ihr | |
einhergehenden radikalen Vereinzelung zumindest eine Pause einlegt. | |
Es gibt derzeit ein historisches Fenster für etwas, [4][das der Ökonom | |
Cédric Durand in der New Left Review gerade] als „Möglichkeit, doch einmal | |
den Geschmack populärer Siege zu schmecken“, ausgemacht hat. Das sei nicht | |
viel, „aber für Leute wie mich, die in den 1970ern oder später geboren | |
sind, ist es das erste Mal“. | |
Kinder, die aus Häusern, die kein Spekulationsobjekt sind, durch gepflegte | |
öffentliche Parks, auf sicheren, breiten Radwegen oder in nicht überfüllten | |
U-Bahnen in ihre schönen Schulen fahren – diese Vision muss natürlich | |
jemand bezahlen. Und wie Durand es sagt: „There’s not a market-based | |
solution“. | |
4 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Leistungsdruck-waehrend-Corona/!5772739 | |
[2] /Berliner-Schulen-zurueck-in-Praesenzlehre/!5775848 | |
[3] https://www.tagesspiegel.de/politik/schuloeffnungen-in-berlin-frisch-infizi… | |
[4] https://newleftreview.org/sidecar/posts/1979-in-reverse | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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