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# taz.de -- Chinas Zensur gegen Oscar-Gewinnerin: Die gecancelte Regisseurin
> Chloé Zhao hat einen Oscar gewonnen. Doch Chinas Filmfans dürfen sich
> nicht mit der Regisseurin freuen. Die Staatsmedien verschweigen sie.
Bild: Chloé Zhao freut sich über mehrere Oscars für „Nomadland“
Peking taz | Eigentlich wäre der historische Oscar-Gewinn von
[1][Regisseurin Chloé Zhao] ein regelrechtes PR-Geschenk für Pekings
Staatsführung. Schließlich gewinnt die in China geborene Filmemacherin die
öffentlichkeitswirksamste Auszeichnung der Kinobranche – erstmals eine
nichtweiße Preisträgerin. [2][Ein historischer Moment], schreiben die
Redaktionen im Ausland.
Im Heimatland der 39-Jährigen verstummte das Echo jedoch: Ihr Oscar-Gewinn
wurde von den staatlich kontrollierten Medien nicht einmal erwähnt. Chloé
Zhao, die vielleicht talentierteste Regisseurin ihrer Generation, ist von
den Zensoren in China ausradiert worden.
Die Oscar-Verleihung durfte auf Anordnung der Behörden nicht live
übertragen werden. Selbst in Hongkong, dessen Freiheiten aufgrund von
Pekings Repressionen im letzten Jahr erodiert sind, zeigte erstmals seit
über 50 Jahren kein Fernsehsender die Veranstaltung.
Die Filmkritiken des ausgezeichneten Werks „Nomadland“ sind vom
chinesischen Netz gelöscht worden, der heimische Kinostart wurde bereits
vor Wochen gestrichen. Selbst auf sozialen Medien haben die Zensoren die
meisten Debatten einfach verschwinden lassen. „So lange ich bereits über
chinesische Zensur und Propaganda schreibe, kann ich es immer noch nicht
fassen“, schrieb die New York Times-Kolumnistin Li Yuan auf Twitter.
## Kritisches Interview
Anstoß erregte ein Interview, das die 1982 in Peking geborene Regisseurin
vor acht Jahren einem New Yorker Filmmagazin gegeben hat. Darin spricht sie
von ihrer rebellischen Jugend in China; einem Land, „wo Lügen überall sind.
Viele Informationen, die ich erhielt, waren nicht wahr.“ Sie erzählt, dass
sie als Teenager auf einem britischen Internat die Geschichte ihres
Heimatlandes neu lernen musste.
Im März schließlich gruben chinesische Internetnutzer die kritischen
Aussagen aus dem Archiv aus – und lösten einen staatlich orchestrierten
Shitstorm aus, der die Filmemacherin künftig als Landesverräterin
brandmarkte.
Tatsächlich ist China mit seiner umfassenden Internetzensur längst zu einem
Orwell’schen Überwachungsstaat geworden, der ungewollte Themen und Personen
schlicht aus dem kollektiven Gedächtnis streichen kann. Wer etwa die
Enzyklopädie „Baidu Baike“ besucht, das chinesische Äquivalent von
Wikipedia, wird keinen Eintrag zum Tiananmen-Massaker von 1989 finden. Und
dass Mao Tse-tung mit seiner fehlgeleiteten Wirtschaftspolitik die
vielleicht größte menschengemachte Hungersnot im 20. Jahrhundert ausgelöst
hat, wird ebenfalls unter den Teppich gekehrt.
Dass nun sämtliche Debatten über Chloé Zhaos Oscar-Gewinn unterdrückt
werden, beinhaltet vor allem eine einschüchternde Botschaft: Keine Chinesin
und kein Chinese, ganz egal mit welcher Staatsbürgerschaft oder welchem
Wohnort, soll das System der Volksrepublik kritisieren. Chloé Zhao
zumindest scheint dennoch ihren Optimismus nicht aufgegeben zu haben: „Ich
habe immer das Gute in den Leuten gefunden, die ich überall auf der Welt
getroffen habe“, sagte die Regisseurin in ihrer Dankesrede.
26 Apr 2021
## LINKS
[1] /US-Filmemacherin-Chloe-Zhao/!5759179
[2] /Oscarverleihung-2021/!5762749
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Film
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