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# taz.de -- Lange Buchnacht in Kreuzberg nur digital: Mordsmäßige Unterhaltung
> 2020 fiel die Lange Buchnacht aus. Am 15. Mai aber findet sie statt. Doch
> nur digital. Das Programm ist vielfältig und bietet Politisches und
> Krimi.
Bild: Lange Buchnacht 2019: „Mörderischen Schwestern“ Gisela Witte, Heidi …
Berlin taz | Wie war das immer schön. An einem lauen Frühlingsabend ging es
von Lesung zu Lesung, von Buchhandlung zu Galerie zu Ladenlokal zu Kneipe
(den Veranstaltungsorten), umringt von einer enthusiastischen
Zuhörerschaft, mit wilden Diskussionen übers Gehörte und immer einem
Getränk oder so in der Hand. Wer nicht rein kam, um zuzuhören, blieb
draußen im Pulk stehen, um zu lauschen, oder zog, wenn das nicht klappte,
einfach weiter. Gab ja immer genug Angebote, mit den Jahren waren es immer
mehr geworden (bis zu 100 an 30 Orten). Die Lange Buchnacht in der
Oranienstraße war (und ist) Kult.
Seit dem Neustart im Jahr 2019 – mit dem die Lange Buchnacht wieder kleiner
wurde – hat der tak Theater Aufbau Kreuzberg e.V. die Trägerschaft
übernommen. Aber ach, im letzten Jahr war das Ganze wegen Corona komplett
ausgefallen. „Wir hatten schon die Plakate gedruckt“, sagt Anna Koch vom
Vereinsvorstand der taz am Telefon. Das passiert diesmal nicht. „Wir haben
lange überlegt, wie wir es machen“, so Koch, alle beteiligten
Veranstaltungsorte wurden vorab eingebunden. Und so findet die [1][Lange
Buchnacht] in und rund um die Oranienstraße am heutigen Samstag – in
mittlerweile 23. Auflage – rein digital statt.
Also nichts da mit Publikum vor Ort und Happening-Gefühl, die Variante
wurde als zu unsicher verworfen. Und natürlich könne die rein digitale
Buchnacht nicht das Gefühl eines Live-Events vor Ort mit dem Flanieren über
die Oranienstraße ersetzen, sagt Koch, doch wären digitale Veranstaltungen
ja längst gang und gäbe. Also können alle, die wollen, live dabei sein,
[2][alle 24 Veranstaltungen werden per Livestream] übertragen.
Die Lange Buchnacht ist eine Art „basisdemokratisches Festival“, sagt
Moritz Pankok vom tak-Vorstand. „Alle Veranstaltungsorte planen ihre
Lesungen ganz autonom, zahlen auch Honorare und übernehmen das Streamen –
wir führen die ganzen Beiträge zusammen und bieten die Struktur.“ Man
könnte auch sagen, dass sich die Nachbarschaft in der Oranienstraße
vernetzt. „Damit der Kiez widerständig bleibt“, fasst Pankok das schön
zusammen.
## Eine irre Bandbreite
Das Programm startet um 17 Uhr mit gleich vier Veranstaltungen
unterschiedlichster Couleur. Hochaktuell wird es bei Buchvorstellung und
Diskussion mit Lann Hornscheidt und Ja'n Sammla und der Frage, wie wir alle
divers schreiben und gendergerecht sprechen können. Das „Praxis-Handbuch zu
Gender und Sprache“ ist jüngst bei [3][“w_orten & meer“] erschienen, dem
Verlag für verbindendes diskriminierungskritisches Handeln. Die
Veranstaltung wird aus dem Verlagsräumen in der Oranienstraße gestreamt.
Das Angebot hat eine irre Bandbreite. Da lesen um 18 Uhr
Vertreter:innen des Bürgervereins Luisenstadt aus „Der Luisenstädtische
Kanal“ von Klaus Dunzte. Es geht hier um die Erschaffung der historischen
Lebensader, eben besagtem Kanal, aus der die ehemalige Luisenstadt
entstand, über deren Zuschüttung in den 1920ern, die Nutzung als
Sperrgebiet und Todesstreifen während der Jahre der Teilung Berlins bis zum
heutigen Grünzug, der Kreuzberg und Mitte verbindet … Und zur gleichen
Stunde liest Hannah Reuter aus ihrem Buch „Blind mit Kind“ und steht
anschließend zum Gespräch zur Verfügung.
Natürlich spielen Comics in gleich mehreren Veranstaltungen eine Rolle,
auch Corona hier und da – und Beethoven!? Der mehrfach ausgezeichnete
Comicautor Mikaël Ross imaginiert anhand tatsächlicher Aufzeichnungen
Beethovens Jugendjahre als Sozialdrama (ab 20.45 Uhr).
Der Programmbeitrag aus dem [4][tak Theater Aufbau Kreuzberg] verspricht
eine Begegnung mit [5][arabischer Literatur]. Ab 20 Uhr gibt es zwei
Lesungen und vorab ein kurzes Gespräch mit den Autor:innen. Das sind
Haytham El Wardany, 1972 in Ägypten geboren, der sein Buch „The Book of
Sleep“ (Poetische Prosa) vorstellt, und Rasha Abbas, 1984 in Syrien
geboren, die „Eine Zusammenfassung von allem was war“ (Erzählungen)
mitbringt. Es liest die Übersetzerin Sandra Hetzl.
## „Die Mörderischen Schwestern“
Versprochen ist zudem mordsmäßige Unterhaltung. Auch das hat Tradition –
und wird auch so bleiben, wie Moritz Pankok sagt, der sich das Programm als
eine Mischung von „politischen Drive und Krimi“ sehr gut auch für die
Zukunft vorstellen kann.
Seit 15 Jahren sind „Die Mörderischen Schwestern“ fester Bestandteil der
Langen Buchnacht. „Wir sind Urgestein“, sagt [6][Susanne Rüster] am
Telefon, sie ist bei der Lesung mit einer neuen, noch unveröffentlichten
„satirischen Kurzgeschichte“ vertreten. Mit ihr dabei sind ihre
Mörderischen Schwestern Thea Wilk und Comsha Stein. Die drei lesen in der
Mittelpunktbibliothek Wilhelm Liebknecht/Namik Kemal in der Adalbertstraße,
von dort wird ab 19 Uhr live übertragen.
Aber was oder wer sind die „Mörderischen Schwestern“ überhaupt? Bei dem
Verein handelt es sich um eine Art „offenes Netzwerk“, wie es Susanne
Rüster erklärt, dazu würden „Anfängerinnen genauso wie arrivierte
Autorinnen“ zählen, im [7][Berlin-Brandenburger Vereinsableger] rund 55 an
der Zahl. Die Idee für so eine Zweckgemeinschaft entstand in den USA
(„Sisters in Crime“) in den 1980er Jahren. Der „Mörderische Schwestern
e.V.“ feiert in diesem Jahr 25-jähriges Bestehen. Susanne Rüster selbst ist
seit Anfang der 2000er Jahre dabei. Ziel ist es, von Frauen geschriebene,
deutschsprachige Kriminalliteratur zu fördern und sichtbarer zu machen,
sich gegenseitig zu unterstützen durch Expertinnen-Wissen und auch für mehr
Honorar (wie es männliche Krimiautoren schon bekommen) zu kämpfen.
In Rüsters Geschichte „Abrisshaus“ geht es um Bauspekulanten, eine alte
Lady in Florida und widerständige Hausbesetzer in Kreuzberg, die „nicht
mehr die Welt, aber zumindest unseren Kiez retten“ wollen. „Es muss ja
nicht immer Mord und Totschlag sein“, sagt Rüster, die als Richterin in
Potsdam arbeitet und seit etlichen Jahren Kriminalromane schreibt.
„Der letzte Tanz“ war 2012 der erste Krimi, er spielte in Kreuzberg, es
folgten u.a. drei Krimis, die in Potsdam-Babelsberg angesiedelt waren,
zuletzt 2019 „RaubLust“. Derzeit schreibt Susanne Rüster an einem neuem
Krimi, in dem das Team aus ihrem ersten Roman wieder ermitteln wird. Es
bleibt spannend.
14 May 2021
## LINKS
[1] https://www.lange-buchnacht.de/2021/
[2] https://www.lange-buchnacht.de/2021/
[3] https://wortenundmeer.net/
[4] https://tak-berlin.de/
[5] https://www.lange-buchnacht.de/2021/tak-theater-im-aufbau-haus/haytham-el-w…
[6] https://susanneruester.de/
[7] https://www.moerderische-schwestern-berlin.de/
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
Kriminalliteratur
Buch
Kreuzberg
Bücher
Lesung
Kriminalroman
Literaturhaus Berlin
Nordfriesland
Kolumne Der rote Faden
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Buch
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Organisatoren hätten die Veranstaltung gern politischer.
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ihres Bestehens nichts an Charme verloren. Am Samstag tummelten sich über
15.000 Besucher bei über 100 Lesungen gepaart mit Fußballlärm - und
lauschten meist überaus gebannt.
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