# taz.de -- Kunsthandel und Klimaschutz: „Auf den Seeweg umsteigen“ | |
> Der Kunstmarkt will grüner werden. Dafür will die Gallery Climate | |
> Coalition Wege suchen. Ein Gespräch mit Gründungsmitgliedern der Gruppe | |
> in Berlin. | |
Bild: Wollen mehr Klimaschutz auf dem Kunstmarkt: die Mitglieder der Gallery Cl… | |
Heute Venedig, morgen Basel, übermorgen New York – vor allem Reisen und | |
Transporte sorgen bei Galerien für eine miese Klimabilanz. Die Gallery | |
Climate Coalition, 2020 in London gegründet, möchte das ändern. Die | |
Plattform will vernetzen und liefert praktische Informationen für einen | |
besseren Umgang mit Ressourcen. Kürzlich wurde eine Berliner Untergruppe | |
ins Leben gerufen, die sich am 12. Mai ab 17 Uhr per Zoom präsentiert | |
(Anmeldung: [1][[email protected]]). Zum taz-Interview kamen | |
die Gründungsmitglieder Franziska von Hasselbach von der [2][Galerie Sprüth | |
Magers], Carolin Leistenschneider von der Haverkampf Gallery, Emiliano | |
Pistacchi von der [3][Esther Schipper Gallery], Helen Turner vom E-Werk | |
Luckenwalde und Kim Kraczon von der NGO Ki Culture zusammen. | |
taz: Sie sind alle fünf im Berliner Kunstmarkt tätig. Wie sind Sie auf die | |
GCC aufmerksam geworden? | |
Franziska von Hasselbach: Die GCC wurde im vergangenen Jahr in London | |
gegründet. Sie hat tolle Arbeit geleistet und viele im Kunstmarkt | |
wachgerüttelt. Sprüth Magers war dort schon Mitglied, aber nicht so aktiv | |
wie in Berlin. Jennifer Chert von ChertLüdde hatte Ende 2020 die Idee, eine | |
Berliner Gruppe zu gründen. | |
Dass über die Klimabilanz des Kunstmarkts gesprochen wird, ist überraschend | |
neu. Erst seit das Klima in der Kunst als Thema immer präsenter geworden | |
ist, werden solche Fragen offener diskutiert. Wie würden Sie den Status quo | |
beschreiben, wie nachhaltig ist der Kunstmarkt? | |
Helen Turner: Überhaupt nicht. Vor der Pandemie gab es mehr Kunstmessen als | |
Tage im Jahr. Die Geschwindigkeit und der Exzess waren unglaublich. Die | |
Kunstwelt hat sich tatsächlich lange darauf beschränkt, Umweltfragen | |
künstlerisch zu thematisieren, in großen Gesten, wie auf der [4][Venedig | |
Biennale 2019]. Alle sprachen darüber, aber niemand war bereit, selbst | |
etwas zu verändern. | |
Hasselbach: Die Zwangspause, die mit der Pandemie kam, war eine Chance, | |
solche Fragen endlich anzugehen. Diese Art von Zusammenarbeit gab es vorher | |
nicht. | |
Carolin Leistenschneider: Wir arbeiten alle schon lange im Kunstmarkt und | |
wissen, wie groß die klimatechnischen Herausforderungen dort sind. Aber | |
wenn sich das Karussell wahnsinnig schnell immer weiter dreht, ist es | |
schwer, auszusteigen. Die Initiative aus London war auch deswegen so | |
großartig, weil sie von größeren Galerien gestartet wurde, die wirklich | |
eine Veränderung bringen können. Aber natürlich müssen auch die kleineren | |
Räder mitspielen. Ich komme von einer jüngeren Galerie. Wir sind gerade | |
erst dabei, etwas aufzubauen. Unsere Gruppe ist sehr divers und das ist gut | |
so. | |
Was will die GCC Berlin konkret erreichen? | |
Leistenschneider: Unser Ziel ist es, dem Pariser Klimaabkommen entsprechend | |
innerhalb von zehn Jahren unsere Emissionen zu halbieren. | |
Wie wahrscheinlich ist das? | |
Leistenschneider: Wir arbeiten daran. Sehr hilfreich ist der Carbon | |
Calculator auf unserer Website. Die meisten Galerien sind gerade dabei, | |
damit ihren CO2-Fußabdruck zu berechnen, um dann Jahr um Jahr zu | |
vergleichen, wie sich dieser hoffentlich reduziert. | |
Der Klimawandel ist ein globales Problem, warum setzen Sie dennoch auf | |
Vernetzung auf lokaler Ebene? | |
Kim Kraczon: Das kann ich beantworten. Ich arbeite für Ki Culture, eine NGO | |
aus Amsterdam, die sich mit Nachhaltigkeit von Kulturgütern beschäftigt. | |
Während der Pandemie habe ich dafür an einem Guide zu Abfallmaterialien | |
mitgeschrieben. Der Guide war allgemein gehalten, Entsorgung ist aber | |
regional sehr unterschiedlich organisiert. Auf der Seite der GCC Berlin | |
haben wir Informationen zu Sammelstellen zusammengetragen, geben | |
Empfehlungen, wie Abfall reduziert werden kann, und es gibt ein Forum, in | |
dem Galerien Ausstellungsmöbel und Material tauschen können. | |
Wie ist das beim Thema Transport, mit dem Sie sich beschäftigen, Herr | |
Pistacchi? | |
Emiliano Pistacchi: Die Idee der Berliner Plattform ist es, | |
Sammeltransporte zu organisieren. Je mehr ein Van oder Lkw beladen ist, | |
desto geringer der CO2-Fußabdruck des einzelnen Transports. Es reicht aber | |
nicht, dass nur wir unser Bewusstsein ändern und uns absprechen, wir | |
versuchen eine Lobby zu schaffen, die gesamte Kette einzubinden und Dinge | |
langfristig zu ändern. Versicherungen müssen ihre Angebote anpassen und | |
Speditionen sollten mit angeben, wie viel CO2 je nach Art des Transports | |
verbraucht wird. | |
Frau Turner, Sie betreiben mit dem E-Werk Luckenwalde nicht nur einen | |
Kunstort, sondern produzieren auch Ökostrom. Beliefern Sie jetzt die GCC | |
mit Ihrem Kunststrom? | |
Turner: Noch nicht, aber wir arbeiten daran. Bei Kunstinstitutionen und | |
Galerien ist Energie ein sehr großer Faktor. Um Kunstwerke zu lagern, gibt | |
es spezifische Anforderungen an Luftfeuchtigkeit, Heizung und Licht, das | |
ist sehr stromintensiv. Umso wirkungsvoller ist es daher, zu einem grünen | |
Anbieter zu wechseln. Für GCC haben wir eine Übersicht zusammengestellt, in | |
der wir nicht nur uns, sondern fünf Anbieter empfehlen, die 100 Prozent | |
grüne Energie liefern. | |
Nachhaltiger zu werden ist ein hehres Ziel, was aber bedeutet das konkret | |
für eine international agierende Galerie wie Sprüth Magers? | |
Hasselbach: Wir erinnern uns alle noch gut daran, wie es war, bevor wir | |
alle festsaßen: Der Kunstmarkt war extrem schnell, der Druck sehr hoch. Im | |
Rückblick fühlt sich das seltsam an. Langfristiger zu denken ist ein | |
Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit. Bei internationalen Transporten tun wir | |
das bereits. Für unsere Galerie in L.A. bemühen wir uns, auf den Seeweg | |
umzusteigen. Auch unsere Künstlerinnen und Künstler erwarten von uns ein | |
Umdenken. Viele wollen keine Transporte per Luftfracht mehr. Es ist eine | |
große Aufgabe, aber sie ist längst überfällig. Seien wir ehrlich: Die | |
Kunstwelt hat das viel zu lange ignoriert. | |
Heißt das, Sie werden nun nicht mehr zu all den Messen, Biennalen und | |
großen Ausstellungen um die Welt reisen? | |
Hasselbach: Das diskutieren wir schon seit Jahren. Durch die vielen | |
Zoom-Meetings in der Pandemie sind wir noch enger mit unserem Team rund um | |
den Globus zusammengewachsen. So ist die Notwendigkeit zu reisen allein | |
dadurch schon geringer geworden. Und wir prüfen jetzt sehr genau, welche | |
Messen wirklich notwendig sind. Die vielen Reisen sind auch gesundheitlich | |
eine Anstrengung. Wir sind uns dessen bewusst und werden unsere | |
Konsequenzen daraus ziehen. Um Ihre Frage zu beantworten: Ja, wir werden | |
weniger und bewusster reisen. | |
Die zunehmende Digitalisierung, die Sie ansprechen, bringt aber eigene | |
Probleme mit sich … | |
Leistenschneider: Das diskutieren wir ebenfalls. Der Stromverbrauch von | |
Servern ist sehr hoch, somit haben auch diese einen CO2-Fußabdruck. Wir | |
wollen auch das in den Rechner integrieren. | |
Wie reagieren eigentlich Sammler*innen darauf, nun länger auf ihre Käufe | |
warten zu müssen? | |
Leistenschneider: Überraschend kooperativ. Wir hatten gerade erst einen | |
Transport nach Italien, der als Sammelgut befördert wurde. Der Sammler war | |
bereit, vier Wochen darauf zu warten. | |
Wie ist das bei Esther Schipper? | |
Pistacchi: Wir suchen immer nach einer Transportmöglichkeit per Boot, wenn | |
dies möglich ist. Wir müssen immer von Fall zu Fall entscheiden und die | |
Sammler mit einbeziehen, denn es hängt auch von der Art und dem Material | |
des Kunstwerks ab. Ich versuche mich jedes Mal aufs Neue zu fragen, welche | |
Art von Verpackung die Kunden wirklich brauchen. Muss es eine Kiste sein? | |
Wird diese danach nur entsorgt oder wird sie zur Lagerung weiter benutzt? | |
Reicht Pappe? Muss es Holz sein? Für die Zukunft wäre es interessant, wenn | |
man bei Speditionen Platz in einer Kiste mieten könnte, in der Kunstwerke | |
von einer Stadt in die andere befördert werden. | |
Turner: Obwohl wir eine lokale Gruppe sind, müssen wir international und | |
ambitioniert bleiben und immer weiter nach kreativen Möglichkeiten suchen. | |
Ich denke, wir befinden uns eher in einer Krise der Vorstellungskraft als | |
in einer des Klimas. | |
12 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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