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# taz.de -- Berliner Kunstfestival artspring: Kunst wieder geöffnet
> Das Kunstfestival artspring gilt den Künstler:innen, die in
> Berlin-Prenzlauer Berg ihr Atelier haben – mit einem Artwalk und offenen
> Ateliers.
Bild: Die „Heads“ von Buffy Klama am Kino Colosseum im Prenzlauer Berg
Die Passanten auf der Schönhauser Allee fragten neugierig nach. Passiert
jetzt wieder was im Kino Colosseum? Im Foyer, an den Schaukästen für die
Kinoplakate an der Fassade, an den Türen wurde gearbeitet. Glastüren
leuchten jetzt in farbigen Streifen, die Dorothee Berkenheger entworfen
hat. Auf einer roten Wand prangen dort, wo früher Filme angekündigt wurden,
gezeichnete Köpfe von Buffy Klama, in einem dramatischen Schwarz-Weiß, und
man kann sie sich gut als Protagonisten eines divers besetzten Filmes
denken.
In einem Schaukasten spielen Figuren aus Pappe (von Paetrick Schmidt) eine
abenteuerliche Szene nach. Das geschlossene Kino ist zu einer großzügigen
Ausstellungsfläche für den Artwalk in Prenzlauer Berg geworden.
Nicht nur wegen Corona ist [1][das Colosseum geschlossen.] Die
Betreibergesellschaft meldete Insolvenz an, eine Erbengemeinschaft hat
Verkaufspläne, ein Bauvorentscheid fiel zu Ungunsten des Erhalts als
Kinostandort aus. Ob aus dem Plan, der Bezirk solle das Kino kaufen, etwas
wird, ist fraglich. Das Interesse an seinem Erhalt als Kulturort aber ist
groß.
Deshalb war Jan Gottschalk, der den Artwalk zusammen mit Julia Brodauf
organisiert hat, sehr erfreut, als er über hartnäckige Suche und Klingeln
beim Hausmeister Kontakt zum Colosseum gefunden hatte und sich die
Möglichkeit eröffnete, das Kino in den Kunstspaziergang einzubeziehen.
## Nicht genug Orte des Gesehenwerdens
Der Artwalk, bis 6. Juni 2021, lässt die bildende Kunst und Hörstationen im
Spazieren erfahren, zurzeit eine gute Variante. Und er ist Teil des
[2][artspring Festivals,] zu dem auch Ausstellungen und Atelierbesuche
gehören, die dank der fallenden Inzidenzzahlen möglich sein werden. Am
ganzen Programm des Festivals nehmen 320 Künstler:innen teil –
Voraussetzung ist, dass sie ein Atelier im Prenzlauer Berg haben.
Mit Julia Brodauf und Jan Gottschalk gehe ich ein Stück des Artwalk. Bei
dem Festival, das sie zum fünften Mal organisieren, geht es ihnen um
Sichtbarmachung der vielen Künstler:innen und Autor:innen, die hier oft
unter prekären Bedingungen leben, aber nicht genügend Orte haben, um
wahrgenommen und anerkannt zu werden.
Das Ausstellen jetzt etwa in Schaufenstern von Sparkassen oder der AOK ist
eine Möglichkeit, aber auch ein harte Übung. Verstaubte Topfpflanzen, eine
Auslage zur Zahnpflege oder ausgeblichene Dekoelemente in den Fenstern
rahmen die Kunst. Hier Aufmerksamkeit zu bekommen, ist nicht einfach. Nicht
alles ist so gut inszeniert wie am Colosseum oder in den Schönhauser Allee
Arcaden.
Dort, wo jetzt Tische und Stühle von Bistro und Cafés aufeinandergestapelt
sind und mit einem Band abgesperrt, manche Leute nur schnell einkaufen
wollen und mit Maske in der Einlasswarteschlange stehen, kann man da Kunst
zeigen? Patricia Lamberti hat es riskiert, mit einer Art Tapete, die aus
der Ferne zunächst anheimelnd wirkt, mit Bergen und Blumen, als sollten
hier Bier und Brezeln ein bayerisches Panorama bekommen.
## Zug ins Nirgendwo
Man nimmt das Werk nicht gleich als künstlerischen Eingriff wahr. Aber geht
man näher, und das tut man, denn das Panorama macht neugierig, sind Brüche
und Unstimmigkeiten zu entdecken. Teils hängt die fiktive Blümchentapete in
Fetzen, dann sieht man Panzer und Jeeps in der Landschaft, Ornamente
entpuppen sich trotz rosafarbenem Grund als Wiederholungen Bewaffneter. Das
ist eine gelungene Collage von Idylle und Bedrohung, einem unterschwelligen
Grollen, das immer lauter wird. Alles kippelt ins Unheimliche.
Über den Rolltreppen schwebt eine große Skulptur, Silhouetten von Menschen,
Frauen, Männern, Kindern, die hintereinander auf einem schmalen Balken
gehen. Sie könnten auf einer Wanderung sein oder auch auf einer viel
längeren Reise, womöglich ist es eine Flucht. Ihr Bewegungsstrom kreuzt den
der Leute, die auf den Rolltreppen unterwegs sind.
Wenn die Skulptur sich dreht und man nur auf die Schmalseite blickt, ist
nichts zu erkennen, erst im Weiterdrehen werden die Menschen sichtbar. Für
Jan Gottschalk, der mit Rita Wesiak an diesem Zug gearbeitet hat, spiegelt
dieser Wechsel zwischen Sichtbarkeit und Verschwinden unsere Aufmerksamkeit
für die vielen Menschen auf der Flucht, deren Bilder immer nur kurz
wahrgenommen werden.
Auch von Julia Brodauf ist eine Arbeit in den Arcaden platziert, ganz
bescheiden, die Vergrößerung eines Zettels mit der Notiz, „Heute ist auch
nichts passiert“. Und ob es stimmt oder nicht, man liest es als kurze
Zustandsbeschreibung in der Zeit der Pandemie.
Jan Gottschalk, der selbst ein Atelier in der Ateliergemeinschaft Milchhof
hat, organisiert artspring Berlin seit der Gründung 2016. Ihm ist wichtig,
mit dem Festival auch die Lebensbedingungen der Kunstschaffenden zu
thematisieren, ihre Nöte mit Ateliermieten und geringem Einkommen, was in
digitalen Talkformaten verhandelt wird. Drei Jahre lang arbeitete das
Orgateam mit sehr geringen Mitteln, seit 2020 werden sie mit dem
EU-Programm EFRE gefördert. Das brachte eine bessere Ausstattung, aber dann
kam Corona. Die diesjährige Festivalausgabe hat auch viele digitale
Formate, wie ein [3][Filmprogramm] allwöchentlich freitags.
21 May 2021
## LINKS
[1] /Berliner-Kinopleite/!5730511
[2] http://www.artspring.berlin
[3] https://www.creative-city-berlin.de/de/events/event/artspringnale-2021-sign…
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Kunst Berlin
Festival
Berlin Prenzlauer Berg
Open Air
Literatur
Design
Schwerpunkt Klimawandel
Stadtentwicklung
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