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# taz.de -- „Querdenken“-Demo in Stuttgart: Signifikante Infektionstreiber
> Tausende „Querdenken“-Anhänger:innen ziehen ohne Masken durch Stuttgart.
> Polizei lässt sie gewähren. Gegendemos werden aufgelöst.
Bild: Wie viele Regelbrüche zählen Sie?
Stuttgart taz | „Bitte halten sie den Mindestabstand ein und tragen sie
eine Mund-Nase-Bedeckung.“ Per Durchsage ruft die Stuttgarter Polizei die
Menschenmenge zu „besonnenem Handeln“ auf. Doch der [1][Appell bleibt
weitgehend wirkungslos]. Mehr als tausend Personen stehen am Vormittag
dicht gedrängt auf dem Marienplatz im Süden der Stadt, wobei nur eine
verschwindend kleine Minderheit Masken trägt oder auf Mindestabstände
achtet.
„Wir befinden uns mitten in der dritten Pandemiewelle“, hatte
Ordnungsbürgermeister Clemens Maier im Vorfeld der Querdenken-Demo betont.
Daher behalte sich die Stadt „ausdrücklich vor“, die Versammlung bei
Verstößen gegen die Auflagen aufzulösen. Und auch [2][Carsten Höfler], der
den Polizeieinsatz leitet, hatte angekündigt, bei Regelbrüchen
einzuschreiten: „Es gibt in Stuttgart keine rechtsfreien Räume.“
In der Praxis wurde das allerdings nicht umgesetzt. Zwar könne man
insgesamt von einem friedlichen Verlauf sprechen, sagt Polizeisprecher Jens
Lauer der taz. „Aber die Auflagen wurden vielfach nicht eingehalten.“ Es
sei jedoch „nicht möglich, eine so große Personenzahl festzusetzen“, teilt
er mit. Zudem würde ein solches Eingreifen der Polizei das Infektionsrisiko
für die Demonstrationsteilnehmer:innen erhöhen. Daher würden die
Beamt:innen Regelverstöße dokumentieren und nachträglich ahnden.
## Polizeihandschlag mit Querdenker-Ordner
An anderer Stelle war hingegen sofortiges Handeln möglich: Mit einem
Fahrradkorso protestierten gut 100 Gegendemonstrant:innen gegen den
„Querdenken“-Aufmarsch und blockierten dafür zeitweise die B14 in der
Innenstadt. Die Polizei kesselte sie ein und erteilte allen Beteiligten
Platzverweise. In der begleitenden Begründung heißt es, ihr Verhalten
stelle „eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung
dar“. Die Blockade einer Bundesstraße sei nicht hinnehmbar, erläutert
Polizeisprecher Lauer. Zudem ist das polizeiliche Eingreifen nach seiner
Einschätzung unter Gesichtspunkten der Virusverbreitung weniger bedenklich.
„Denn hier haben fast alle Beteiligten Masken getragen.“
In sozialen Netzwerken wird das Vorgehen der Beamt:innen teils scharf
kritisiert. Unter anderem kursiert hier ein Video, das einen [3][Polizisten
des Anti-Konflikt-Teams beim Handschlag] mit einem Ordner der vom
baden-württembergischen Verfassungsschutz beobachteten
„Querdenken“-Bewegung zeigt. Wie bereits in Leipzig, wo Anhänger:innen
des verschwörungsgläubigen Protests Verbote und Auflagen missachteten, ist
es der Staatsmacht auch in Stuttgart nicht gelungen, Hygienemaßnahmen und
Infektionsschutz durchzusetzen.
Außerdem gilt auch wie bei anderen Querdenken“-Demonstrationen zuvor, die
[4][Presse als Feindbild]. Dabei kam es erneut zu Übergriffen. Wie die
Polizei am Abend mitteilte, sei ein Tatverdächtiger identifiziert worden,
der [5][einen freien Journalisten geohrfeigt] haben soll. Am Rande einer
Kundgebung wurde zudem ein Fernsehteam der ARD von einer „Lügenpresse!“
skandierenden Menge bedrängt.
## Deutlich mehr Teilnehmende als erwartet
Der Demozug der „Querdenker:innen“, wo regenbogenfarbene Friedensflaggen
neben Reichsfahnen zu sehen waren und Teilnehmende Impfungen als „Bill
Gates' Endlösung“ bezeichneten, wuchs vom Ausgangspunkt am Marienplatz bis
zur Abschlusskundgebung auf dem Wasen-Gelände im Ortsteil Bad-Cannstatt
deutlich an. Eine genaue Teilnehmer:innenzahl könne man nicht nennen,
heißt es seitens der Polizei. Aber es seien „deutlich mehr“ als die
erwarteten 2.500.
Bei der bislang [6][größten „Querdenken“-Kundgebung in Stuttgart], bei der
im vergangenen Mai Verschwörungsideologe Ken Jebsen als Stargast
aufgetreten ist, hatten sich etwa 10.000 Teilnehmende versammelt. An diesem
Samstag scheint die Beteiligung nicht deutlich geringer ausgefallen zu
seien. Damals markierten Kreuze auf dem Boden den vorgeschrieben
Mindestabstand zu den Nebenstehenden. Aber Kreuze vorzuschreiben, hat das
städtische Ordnungsamt dieses Mal nicht für nötig befunden.
## Querdenker Veranstaltungen Infektionstreiber
„Wir alle zusammen beenden jetzt den Lockdown“, sangen die
Querdenken-Anhänger:innen euphorisiert auf der Abschlusskundgebung. Wie es
für die Bewegung kennzeichnend ist, könnte auch in diesem Fall eine gewisse
Diskrepanz zwischen subjektivem Empfinden und empirischer Realität
vorliegen. Denn eine [7][Studie aus dem Februar hatte die
„Querdenken“-Demonstrationen] als signifikanten Infektionstreiber
identifiziert – wobei insbesondere auch der Bus- und Bahnverkehr als
Ansteckungsort ins Gewicht fällt.
In Stuttgart, wo die 7-Tage-Inzidenz aktuell bei 104,9 liegt, droht die
Rückkehr der nächtlichen Ausgangsbeschränkungen. Obwohl das Ordnungsamt
angekündigt hatte, das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen im öffentlichen
Nahverkehr strikt zu kontrollieren, waren reihenweise Waggons voller
maskenloser „Querdenker:innen“ zu beobachten, die höchstens von
couragierten Fahrgästen behelligt wurden. Vor diesem Hintergrund erscheinen
weder Polizeitaktik noch die Demonstration geeignet, für ein baldiges Ende
der Corona-Einschränkungen zu sorgen. Vielmehr dürften sie die Ausbreitung
begünstigen.
3 Apr 2021
## LINKS
[1] /Neonazis-in-der-Corona-Protestbewegung/!5758371
[2] https://polizei.news/2021/04/01/corona-demos-am-karsamstag-in-stuttgart-sta…
[3] https://twitter.com/MatthiasMeisner/status/1378316801549946881
[4] /Pressefreiheit-bei-der-Querdenken-Demo/!5723803
[5] https://twitter.com/zvw_redaktion/status/1378328562839785473
[6] /Verquerer-Protestmix-in-Stuttgart/!5684107
[7] https://www.zew.de/presse/pressearchiv/mehr-covid-19-infektionen-nach-querd…
## AUTOREN
Minh Schredle
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Nena
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