# taz.de -- Neues Album von Danielle de Picciotto: Nachdenken mit Einstein | |
> Die Berlinerin Danielle de Picciotto hat ihr neues Album „The Element Of | |
> Love“ veröffentlicht. Es enthält magischen Realismus und | |
> Gesellschaftskritik. | |
Bild: Ist viel herumgekommen: Danielle de Piciotto | |
Noch eine Pille, um besser zu funktionieren in einer aus den Fugen | |
geratenen Welt, um Panik damit wegzudimmen? Danielle de Picciotto, Berliner | |
Künstlerin und Musikern, sieht andere Möglichkeiten. Statt „Take another | |
Xanax, to calm our panic“ könnte man der Angst aktiv begegnen: „We who fly | |
to the moon/ and have Einstein’s theory/ Truly underestimate our own | |
glory“. | |
So heißt es jedenfalls in dem Song „Beautiful Creatures“, der auf ihrem | |
neuen Album „The Element of Love“ enthalten ist. Gleich zum Einstieg | |
erinnert de Picciotto an das Superheldenpotenzial im Menschen: „I believe | |
we are super heroes“ – wenn auch ramponierte: „In writhing amnesia/ Riddl… | |
by arrows“. In postheroischen Zeiten taumeln selbst Superhelden. | |
„Beautiful Creatures“ ist einer von elf atmosphärischen, ambientartigen | |
Songs, mit denen de Picciotto eine zugewandte Ansprache mit einer Prise | |
magischen Realismus, Esoterik und Gesellschaftskritik zusammenbringt. Sie | |
schafft damit Musik, die Trost spendet – „zunächst mir selbst, aber auf dem | |
Weg vielleicht auch anderen“, erzählt die US-Künstlerin, die mit | |
Unterbrechungen seit 34 Jahren in Berlin lebt. | |
In den unterschiedlichen Bereichen der Subkultur ist sie unterwegs, | |
zwischen Kunst, Musik und Club. Auch die Loveparade hat sie einst | |
mitinitiiert. Einen Eindruck von dieser künstlerischen Arbeit vermitteln | |
ihre Memoiren „The Beauty Of Transgression“ (2012) ebenso wie ihre 2019 | |
erschienene [1][Graphic Novel] „Die heitere Kunst der Rebellion“. | |
## Superheldin der Subkultur | |
Als sie im Herbst die Musik von „The Element of Love“ komponiert hat, sei | |
sie deprimiert gewesen, wegen der politischen Gesamtlage, nicht zuletzt | |
auch wegen den „komischen Querdenkern“. „Das kommt jetzt gesellschaftlich | |
bei der Coronakrise heraus? So etwas hatte ich nicht erwartet. | |
Bevor ich darüber misanthropisch wurde, musste ich mich daran erinnern, | |
woran ich glaube“, sagt sie. Zwar nicht unbedingt an die übernatürlichen | |
Kräfte von Superhelden. Doch sie ist überzeugt, „dass Fantasy Kraft | |
spendet. Sie hilft dabei, von der Realität ins Magische zu gehen.“ | |
De Picciotto sieht Künstler:innen in der Verantwortung, gerade in | |
Krisenzeiten. „In der Idee, ein verzweifeltes Album zu veröffentlichen, | |
steckt letztlich eine Eindimensionalität“, findet sie. „Momentan sieht man, | |
wie grundlegend Kultur für das Funktionieren der Gesellschaft ist. | |
Künstler:Innen haben die Verantwortung, fantastische Entwürfe zu machen, | |
die von anderen in die Realität umgesetzt werden.“ | |
## Schwelgerische Popsongs | |
„The Element of Love“ ist ihr drittes Soloalbum und schlägt eine sanftere | |
Tonlage an als der vergleichsweise spröde, elektronische Vorgänger | |
„Deliverance“ (2019). Zudem kennt man de Picciotto als Mitglied der Band | |
Crime & The City Solution und als eine Hälfte von Hackedepicciotto, dem | |
Musikprojekt, das sie mit ihrem Mann Alexander Hacke teilt, dem Bassisten | |
der [2][Einstürzenden Neubauten]. | |
Experimentelle Elemente, die in die schwelgerischen Songs eingewebt sind, | |
lassen einen selten stolpern, der Gesamteindruck ist verwunschen, ein | |
bisschen elegisch. De Picciotto spielt Geige, Drehleier, Autoharp und | |
Keyboards, dazu performt sie Spoken-Word-Kaskaden, mit sanftem Nachdruck | |
vorgebracht. | |
„Mit Sprechgesang klingt es tiefsinniger, als in einem gesungenen Song. | |
Zumindest geht das mir so. Schon als Kind habe ich Gedichte geschrieben“, | |
meint de Picciotto. Später, in den frühen 1990ern, war die heute 56-Jährige | |
mit den [3][Space Cowboys] in HipHop-Gefilden unterwegs. „Rap hat mein | |
rhythmisches Sprechen geschult.“ | |
Thematisch ist das Album sehr dicht: Mit Kindheitserinnerungen in „The | |
Glory of Innocence“, mit sympathischen Antworten auf die große Frage „Who | |
Am I?“ in „Strange Times“ irritiert dagegen eine latent wohlfeil | |
daherkommende Auflistung, was alles schiefläuft in der Welt: Bienensterben, | |
Fleischkonsum. Ach so. | |
Highlight ist das großstadtromantische „Nacht“, der einzig deutschsprachige | |
Track des Albums. Den Text, so erzählt sie, habe sie in | |
Tagebuchaufzeichnungen aus den 1990ern gefunden, als sie noch in Clubs wie | |
dem Tresor und dem E-Werk arbeitete und frühmorgens mit dem Taxi nach Hause | |
fuhr. „Auch wenn ich kein Nachtmensch mehr bin, steckt in dem Song ein | |
Gefühl, mit dem ich mich immer noch verbinden kann. Ich fühle mich | |
geborgen, sitze in diesem Vehikel, das sich bewegt, ohne dass ich mich | |
anstrengen muss. Zugleich werfe einen Blick nach draußen.“ | |
Besonders die Momente, in denen Privates auf Universelles trifft, sind | |
gelungen, dann entwickelt de Picciottos Musik ihren tröstlichen Sog. | |
19 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Stephanie Grimm | |
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