# taz.de -- Musiktipps der Woche: Mission Schwarmästhetik | |
> Erstmals Gäste bei der vierten Ausgabe der „Kosmostage“, gespentische | |
> Sounds beim Trio Dictaphone und eine Livestream-Expedition mit Mdou | |
> Moctar. | |
Bild: Christoph Rothmeiers Sonograph dokumentiert klangliche und räumliche Vor… | |
Das Thema des Schwarms trieb Daniel Glatzel, Leiter des großartigen | |
Andromeda Mega Express Orchestra schon um, bevor pandemiebedingt das | |
Verhältnis zwischen Individuum und Gruppe auf die Agenda rückte. Um | |
derartige Frage kommt man ja derzeit als Orchester, das nicht Orchester | |
sein darf, kaum herum. | |
Doch bereits 2019 hatte das 18-köpfige Ensemble mit der dreiteiligen | |
Konzertreihe „Neue Orchesterformen“ erprobt, was Schwarmintelligenz | |
ermöglichten kann, im Hinblick auf ein freieres Experimentieren. | |
Zwar balancierten sie bei ihrem Mix aus Jazz, Neuer Musik, Afro-Funk, | |
Electronica, Progressive Rock und Popzitaten von jeher geschickt zwischen | |
Struktur und Improvisation, doch früher lag den Stücken eine komplexe | |
Notation zugrunde; mittlerweile versucht man sich eher am momentbezogenen | |
Ausbuchstabieren. | |
So gesehen passt, dass bei der [1][ersten digitalen Ausgabe der zum vierten | |
Mal stattfindenden Kosmostage] das Thema Schwarmästhetik im Fokus steht. | |
Erstmals steht das Festival, zu dem sich das AMEO auch Gäste lädt, nicht | |
unter der Regie von Glatzel. Statt dessen übernehmen vier AMEO-Musiker die | |
künstlerische Leitung: Johannes Schleiermacher, Oliver Roth, Grégoire Simon | |
und Oliver Potratz. Das Ganze steht unter dem Motto „Interstellar Waggle | |
Crush“ und entstand knapp zwei Wochen vor der jetzt anstehenden | |
Veröffentlichung. | |
Am Eröffnungstag präsentierten das AMEO dafür im Radialsystem ihr aktuelles | |
Konzertprogramm und zudem Kompositionen von Daniel Glatzel. An den | |
folgenden Tagen teilte es sich dann in drei Schwarmzellen auf, die wiederum | |
auf interaktive Klanginstallationen trafen: zum Beispiel auf einen vom | |
Schweizer Komponisten Thomas Peter programmierten Algorithmus, der einen | |
Modular-Synthesizer steuert. | |
Zum Abschluss fanden die drei Zellen wieder zusammen, um eine Komposition | |
von Grégoire Simon vorzustellen, der eine Beschäftigung mit dem Thema | |
„Trance“ zugrunde liegt. Präsentiert wird das Ergebnis in Form von acht | |
halbstündigen Konzertfilmen, die zwischen Dienstag (27. 4.) und Donnerstag | |
(29. 4.) online gehen ([2][www.andromedameo.com]). | |
## Gerät mit Eigenleben | |
Kommunikation mit einer Gerätschaft, die ein Eigenleben führt, gibt es auch | |
[3][auf dem neuen Album „Goats & Distortions 5“] (DENOVALI) des Berliner | |
Trios Dictaphone, das am Freitag (30.4.) erscheint. Mastermind und | |
Komponist Oliver Doerell fand zuhause einen alten Kassettenrecorder, der | |
gespenstische Sounds von sich gab, bevor er dann ganz den Geist aufgab. | |
Vorher hatte Doerell die Klänge noch gesampelt; zusammen mit dem | |
Klarinettisten und Saxofonisten Roger Döring und Alex Stolze an der Geige | |
entstanden auf dieser Grundlage entrückte, verspukt-verspulte Tracks. Die | |
entwickeln eine ganz eigene Atmosphäre und nicht zuletzt dank Dörings | |
Klarinette zudem einen warmen Sog. | |
Sein Instrumnet verlor der Musiker nach den Aufnahme übrigens in der | |
U-Bahn; irgendwie sträubten sich die mitwirkenden Instrumente offenbar | |
gegen dieses Album. Zuhörer*innen wird es sicher anders ergehen. Live zu | |
erleben ist das Ganze dann, knock on wood, am 30. 7. bei Detect Classic | |
Festival in Neubrandenburg. Und hoffentlich auch bald mal in Berlin, an | |
einem lauen Sommerabend… | |
## Expedition mit Feinschliff | |
Zum Abschuss noch eine Livestream-Expedition in eine Region, das sonst eher | |
selten auf der Pop-Landkarte steht: zum Gitarristen und Songwriter Mdou | |
Moctar in den Niger. Für sein nächsten Monat erscheinendes Album „Afrique | |
Victime“ beschäftigte Moctar sich mit der Gitarrentechnik von Eddie van | |
Halen und brachte die mit den Melodien der Tuareg zusammen. | |
Größtenteils entstanden die Tracks in Hotelzimmern, Studios und Backstage | |
im Rahmen einer Tour, waren Moctar und Band doch 2019 als Support von Tame | |
Impala in der Welt unterwegs. Den Feinschliff gab sie den Songs dann aber | |
nach ihrer Rückkehr in den Niger. | |
Als die Band ihre Songs in Niamey, der Hauptstadt des Niger, vor der Kamera | |
einspielten wollte, wuchs sich das zu einem dreitätigen Nachbarschaftsfest | |
aus, dem man ab Freitag (23. 4.) ab 2 Uhr morgens bewohnen kann (Stream für | |
24 Stunden 10 Dollar, [4][www.mdoumoctar.bandcamp.com]) | |
23 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] http://www.andromedameo.com/%20oder%20https://berta.berlin/ | |
[2] http://www.andromedameo.com/%20oder%20https://berta.berlin/ | |
[3] https://soundcloud.com/doerell | |
[4] https://mdoumoctar.bandcamp.com/merch/mdou-moctar-live-in-niamey-niger | |
## AUTOREN | |
Stephanie Grimm | |
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