| # taz.de -- Merkels Regierungserklärung: Durchhalten – bis wann? | |
| > Acht Monate vor Ende ihrer Amtszeit ist Merkels Einfluss ungebrochen. | |
| > Doch in der Coronakrise gerät ihr pragmatischer Stil an eine Grenze. | |
| Bild: Die Krisenkanzlerin: Merkel bei ihrer Regierungserklärung | |
| Angela Merkel wird in acht Monaten Kanzlerin a. D. sein. In einer Welt ohne | |
| Pandemie hätte sie derzeit nicht mehr allzu viel zu sagen. Sie kann ja | |
| keine Karrieren mehr befördern oder verhindern, keine grundlegenden | |
| politischen Weichen mehr stellen, wobei das in den letzten 15 Jahren | |
| sowieso selten war. Merkel wäre eine klassische lame duck. | |
| Davon ist nichts zu spüren. Im Gegenteil. Niemand prägt die Coronastrategie | |
| so entschieden wie [1][die Kanzlerin]: kühl und kontrolliert, nüchtern | |
| und rational, immer mit Blick auf die Zahlen. Die Risikomanagerin, die jede | |
| Dezimalstelle erklären kann, ist ihre Paraderolle. Und ihre Mahnung zur | |
| Vorsicht war im Spätherbst ja richtig. Bei der Bekämpfung der zweiten Welle | |
| habe man „nicht früh und konsequent genug“ gehandelt, so Merkel im | |
| Bundestag. Das ist ein mit typischem Understatement versehener | |
| Frontalangriff gegen die MinisterpräsidentInnen, die eher an die | |
| Möbelindustrie als an die Logik exponentieller Steigerung dachten. Dass | |
| der Lockdown nun erst unter einer Inzidenz von 35 aufgehoben wird, trägt | |
| Merkels Handschrift: bloß vorsichtig bleiben, gerade angesichts aggressiver | |
| Virusmutanten. | |
| Der Einfluss der Kanzlerin ist ungebrochen. Dass die Bundesländer gegen | |
| ihren Willen Schulen und Kitas früher öffnen werden, ist kein Indiz für | |
| Machtverlust. Das ist schlicht die föderale Konstruktion der | |
| Bundesrepublik. | |
| Also alles wie immer? Merkel, die souveräne Krisenverwalterin, | |
| unbeeindruckt vom Genörgel an der Seitenlinie? Nicht ganz: Die offenen | |
| Fragen und Ungereimtheiten werden mit der Zeit zahlreicher und größer. Die | |
| etwas bizarre Entscheidung, dass nur Friseursalons bald öffnen dürfen, | |
| nicht aber zum Beispiel Museen, geht zwar nicht auf die Kappe der | |
| Kanzlerin. Anderes aber schon. | |
| ## Ungewohnte Halsstarrigkeit | |
| Warum debattiert das Parlament trotz berechtigter Kritik der Opposition | |
| immer erst nach den Entscheidungen? Auffällig ist auch die hartnäckige | |
| Weigerung der Kanzlerin, Fehler einzuräumen – etwa, dass [2][beim Impfen | |
| viel schiefgelaufen] ist. Hier zeigen sich eine ungewohnte Halsstarrigkeit | |
| und ein Mangel an Selbstkritik. | |
| Vor allem aber kommt Merkels überaus erfolgreicher pragmatischer Stil an | |
| eine Grenze. Auf Sicht zu fahren reicht nicht mehr, wenn die Gesellschaft, | |
| wenn Kitas, KünstlerInnen und GastronomInnen immer nervöser werden. Sehr | |
| vernünftig an den Durchhaltewillen zu appellieren reicht irgendwann nicht | |
| mehr. Durchhalten – bis wann? | |
| Wenn man die Pandemie nur empirisch betrachtet, dann lässt sich diese Frage | |
| nicht seriös und exakt beantworten. Und doch braucht die Gesellschaft eine | |
| Perspektive, wann und wie der [3][Lockdown] endet. Sie braucht ein Szenario | |
| über den 7. März hinaus, wenigstens für den Fall, dass neue Mutanten keinen | |
| Strich durch die Rechnung machen. Das ist ein politisches Risiko, das | |
| Merkel scheut. Sie ist zu sehr Physikerin und zu wenig Psychologin, um zu | |
| erkennen, wie nötig das jetzt ist. | |
| 11 Feb 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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