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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Schweineflüsterer
> Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Clemens „Kotelett“
> Tönnies, der letzte, große deutsche Schlachtviehversteher.
Bild: Es stinkt im Land des Schweinebarons: Clemens Tönnies
Schweißnass ist die Schwarte, laut sägt der Rüssel die Luft durch. Der
Koben knarrt und ächzt, denn Clemens Tönnies sieht sich mit lauter zum
Platzen runden Schweinen dicht gedrängt auf der Ladefläche eines rumpelnden
Lasters stehen. Plötzlich: Stillstand. Und eine Stille, die bis unter die
Borsten geht! Dann wird die Plane zurückgeschlagen, schon im nächsten
Augenblick hetzt er auf seinen vier Füßen durch einen schmalen Gang. Da!
Etwas zischt – Tönnies quiekt: Kohlendioxid!
Sekunden später baumelt er an den Hinterklauen aufgehängt in einem großen,
kalten Saal, ein Mann in schmutzigweißem Overall schneidet Stücke aus ihm
und schmeißt sie in einen Bottich. „Nein, nein!“, will Tönnies grunzen,
„ich bin schon über 60 und nicht zum Verzehr geeignet!“ Allein, der Typ
versteht nur tiefstes Osteuropäisch.
Schon wird Clemens Tönnies luftdicht für 1 Euro 99 in Plastik verpackt – da
wacht er nach Sauerstoff schnappend auf. Ein letztes Traumgesicht erhascht
er noch: Er sieht sich schmatzend über sich sitzen und mit Messer und Gabel
auf sich niederfahren, am Hemd prangt wie ein Fleck Bratensoße der
Landesverdienstorden von NRW.
Tönnies weiß, wenn man altes Fleisch lange kocht, wird es weich, und so
beruhigt er sich. Er zuckelt auf seinen nun wieder zwei Keulen ins Bad, das
größer ist als die kompletten Katen, die sich in seiner Firma gleich
mehrere Schlachthofarbeiter teilen müssen, und versichert sich, dass seine
Ohren nicht abgebissen wurden, keine schlechtsitzenden Tumore sein Äußeres
entstellen und der Güllematsch wie jeden Morgen die Toilette runtergeht.
Zufrieden schaut er an sich herunter, und alles, was er sieht, ist gutes
Fleisch, oink, oink! Deshalb macht er ja in Fleisch, seit er atmen kann
(das war 1956) und denken (genaues Datum unbekannt)!
## Metzgersohn ohne Ponyhof
Als Metzgersohn stand seine Berufswahl schon vor der Zeugung fest.
Schneller als lesen und schreiben lernte er, dass die Welt kein piekfeiner
Ponyhof ist, wo Pferde bloß geritten werden: Sie ist ein Schlachthaus, in
dem es essen oder gegessen werden heißt! Schon als Kind im westfälischen
Rheda schnitt er mit seinem älteren Bruder Bernd und den anderen
zweibeinigen Geschwistern Koteletts, Frikadellen und Aufschnitt aus
vierbeinigen Tieren.
Damals war man mit dem Schwein, das man schlachtete, noch persönlich
bekannt. Das änderte sich ab 1971, als beide (also Clemens und Bernd) erst
einen Fleisch- und Wurstwaren-Großhandel gründeten, dann in die frisch
gemetzelte DDR übersetzten – und heute zerstückelt Tönnies in 82 Ländern
rund um die Uhr, was die Fauna so an Sauen, Kälbern und anderen Geschöpfen
hergibt. Gut und fett 1,5 Milliarden Euro ist Clemens Tönnies jetzt wert,
tot oder lebendig. Bruder Bernd hat diese Alternative allerdings nicht
mehr, er starb 1994 nach einer Nierentransplantation eines natürlichen
Todes.
Fleischmark mag Clemens Tönnies trotzdem noch, weshalb er 26 Jahre im
Aufsichtsrat von Schalke 04 saß, einem heute abgemagerten, seinerzeit aber
gut genährten Fußballverein. Noch heute könnte er dort auf seinem
verlängerten Rückenspeck sitzen, wäre ihm nicht aus dem eigenen Kopf, dem
Bereich oberhalb der Brustspitze, die Bemerkung in die Welt
hinausgerutscht, der schwarze Kontinent müsse von Baum zu Baum
elektrifiziert werden: Dann würden, wenn’s dunkel ist, die Afrikaner
aufhören, ebenso dunkle Kinder zu produzieren. Nur indem er sich aus dem
Vereinsgremium zurückzog und in die Büsche schlug, konnte Tönnies danach
dem großen Kochtopf entkommen, für den sich der Autor selbstverständlich
sofort entschuldigt.
## Schwergewicht vor Hungertod
Irgendwo im Busch prallte Tönnies gegen einen Elefanten, nein, Sigmar
Gabriel. Das wird man doch noch sagen dürfen! Tönnies engagierte den
berühmten Politiker, dessen Lieblingsserie „Dick und Doof“ ist, als
Lobbyisten – und speiste das Schwergewicht mit spatzenhaften 10.000 Euro im
Monat ab, was Gabriel erst merkte, als er die Nullen zusammenzählend sich
dem Hungertod näherte.
Zu spät, erst im Mai 2020, hatte Tönnies selbst erkannt, dass jede einzelne
der fünf Nullen zu viel war. Die brauchte er nun bis auf die letzte Stelle
jenseits des Kommas, weil die Corona-Epidemie sich durch seine Schlachthöfe
fraß.
Verdutzt musste die Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen, dass die Arbeiter
dicht gedrängt, ungeschützt und ohne einen Funken Sicherheitsabstand bis zu
zwölf Stunden lückenlos roboten mussten. Immer wieder landeten sie dabei
selbst auf dem Mittagsteller. Um aber der karnivoren Mitwelt nicht den
Heißhunger zu verderben, musste Tönnies endlich dafür sorgen, dass die aus
den billigen Winkeln der Erdkugel herangekarrten Leute nicht länger über
Leihfirmen geleast und nach Gebrauch verschrottet, sondern fortan von ihm
persönlich streng nach Recht und Gesetz ausgebeutet werden.
Auch das ein Albtraum, und er kostet ihn mehr als 1 Euro 99! Aber
Hauptsache, er, nein, es schmeckt wieder. Wie der Landesverdienstorden ja
auch. Oink, oink!
5 Feb 2021
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Schlachthof
Schlachter
Clemens Tönnies
Fleisch
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Tierschützer
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