# taz.de -- Der neue Mann an der Spitze der CDU: So tickt Armin Laschet | |
> Der designierte CDU-Chef ist der Sohn eines Bergmanns und gibt sich gern | |
> jovial. In der Coronakrise machte er keine gute Figur. Wofür steht er? | |
Bild: Gut gelaunt ins neue Amt: Armin Laschet ist ab sofort CDU-Chef | |
BERLIN taz Es passt ganz gut zu Armin Laschet, dass er seinen Marktwert vor | |
einem Jahr im Aachener Karneval getestet hat. Laschet stand in der Bütt, in | |
einer Art Käfig, eine bunte Narrenkappe auf dem Kopf, einen Orden um den | |
Hals, und fragte, wer denn nun „Deutschlands next Mutti“ werde solle. „Du, | |
Armin!“, schallte es ihm aus dem Saal entgegen. | |
Jovial, volksnah, freundlich, so gibt er sich am liebsten. Damals wehrte | |
Laschet scheinbar bescheiden ab („Nein, nein, nein, Quatsch!“), dabei | |
plante er längst seine Kampagne. Jetzt hat er es also geschafft: Armin | |
Laschet, 59, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, aufgewachsen in | |
Aachen in einem katholischen Bergmannshaushalt, ist [1][der neue | |
CDU-Vorsitzende]. | |
Laschet ist fast ganz oben angekommen. Es ist im Moment das wichtigste Amt | |
Deutschlands. Laschet hat gute Chancen, auch der Kanzlerkandidat der Union | |
und damit der nächste Kanzler zu werden. Wenn, ja wenn da nicht der Bayer | |
Markus Söder wäre. Aber von vorn. | |
Die [2][Entscheidung für Laschet] ist eine gegen das Risiko und für | |
Kontinuität. Dass er sich gegen seine Konkurrenten Friedrich Merz und | |
Norbert Röttgen durchsetzte, passt zur Psychologie der CDU. Als | |
Machtmaschine liebt sie Erfolg und scheut das Risiko. Laschet regiert in | |
NRW 18 Millionen Deutsche, er hat – anders als die anderen beiden – | |
schonmal eine wichtige Wahl gewonnen. | |
## Breitseite gegen Friedrich Merz | |
Merz, der im zweiten Wahlgang mit 466 zu 521 Stimmen gegen Laschet verlor, | |
galt stets als der Liebling der Basis. Aber die 1.001 Delegierten, | |
erfahrene Funktionäre, ticken anders. Hinzu kommt, dass Laschet am Samstag | |
beim Parteitag alles richtig macht. Er ist nicht der beste Rhetoriker, aber | |
hier gelingt ihm eine [3][außergewöhnlich gute Rede], in der er seine | |
Stärken ebenso geschickt betont wie die Schwächen seines Gegners Merz. | |
Laschet, dunkelgrau-blauer Anzug, hellgraue Krawatte, spricht ruhig, ein | |
bisschen pastoral, wie es seine Art ist. Falls er nervös ist, ist es ihm | |
nicht anzumerken. Er betont seine Regierungserfahrung und die Fähigkeit zu | |
integrieren. „Ich höre immer wieder, man muss auch polarisieren können. Ich | |
sage: nein, muss man nicht“, sagt er. “‚Müsste, könnte, sollte‘ ist a… | |
noch keine Politik.“ Man müsse das Handwerkszeug einer Politik der Mitte | |
beherrschen, Kompromisse suchen, integrieren. | |
Das ist eine Breitseite gegen [4][Merz, den markig auftretenden | |
Marktliberalen], der Zuspitzung liebt. Laschet verspricht den Delegierten | |
etwas anderes, nämlich das Erfolgsrezept Angela Merkels fortzusetzen. „Wir | |
werden nur gewinnen, wenn wir in der Mitte der Gesellschaft stark bleiben“, | |
sagt er. Man müsse „alles tun, wirklich alles“, um den WählerInnen der | |
Mitte ein überzeugendes Angebot zu machen. | |
Heißt: Unter mir setzt die CDU weiter auf Anschlussfähigkeit und die | |
Übernahme mehrheitsfähiger Themen, nicht auf Polarisierung. Laschet schafft | |
es, in seiner Rede eine Geschichte zu erzählen. Einmal wird er emotional, | |
als er über seinen Vater spricht. | |
## Der Vater war Steiger in der Zeche Anna | |
Jener sei Steiger in der Zeche Anna in Alsdorf gewesen, erzählt Laschet. Er | |
sei jeden Tag tausende Meter unter der Erde gewesen und habe bei Hitze und | |
Dunkelheit harte Arbeit verrichtet. Unter Tage komme es nicht auf die | |
Religion oder die Herkunft an, habe der Vater immer gesagt. Entscheidend | |
sei, ob man sich auf seine Kollegen verlassen könne. | |
Das kommt gut an. Die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft besorgt | |
viele ChristdemokratInnen. Und alle wissen, dass sie nach dem aufreibenden | |
Wettbewerb um den Chefposten einen Versöhner brauchen. Laschet, das ist | |
unmissverständlich, will dieser Versöhner sein. | |
Das macht er bereits klar, als er seine Ambitionen für den Vorsitz im | |
Februar 2020 in der Berliner Bundespressekonferenz bekannt gibt. | |
Ausführlich spricht er über Ängste der BürgerInnen, die vor sozialem | |
Abstieg, dem Klimawandel oder vor Jobverlusten durch Digitalisierung. | |
Laschet erwähnt auch die Ängste von MigrantInnen, Muslimen und Juden vor | |
rechtsextremer Gewalt. Neben ihm sitzt sein Teampartner, | |
Gesundheitsminister Jens Spahn. | |
Ob ihm die Versöhnung gelingt, ist eine offene Frage. Laschets Bilanz in | |
NRW ist durchwachsen, manchmal kommt der Ministerpräsident [5][doch sehr | |
ins Schwimmen]. Bestes Beispiel ist die Coronakrise. Erst versuchte er sich | |
als Lockerungsfan zu profilieren, ließ etwa die Möbelhäuser trotz strenger | |
Regeln offen. Später fand er plötzlich einen scharfen Kurs gut. | |
## Mundschutz unter der Nase | |
Bei einem Besuch des Klinikums Aachen rutschte ihm der Mundschutz unter die | |
Nase, das peinliche Foto verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Sozialen | |
Netzwerken. Auch die Tatsache, dass der Riesenschlachthof des Fleischbarons | |
Clemens [6][Tönnies zum Coronahotspot wurde] – und nebenbei die unhaltbaren | |
Arbeitsbedingungen öffentlich wurden –, nutzte Laschets Ansehen nicht. | |
Ginge mit Laschet [7][Schwarz-Grün]? Mit Sicherheit. Aber klar ist auch: | |
Eine Liebesheirat wäre dieses Bündnis nicht. Laschet ist ein freundlicher | |
Typ und habituell aufgeschlossen. In manchen Themengebieten hat er große | |
Überschneidungen mit den Grünen, etwa in der Migrationspolitik. Laschet | |
wurde 2005 in NRW der erste Integrationsminister Deutschlands – und | |
profilierte sich mit liberalen Tönen, was in der CDU nicht immer gut ankam. | |
Aber in NRW macht Laschet mit der FDP klassisch schwarz-gelbe Politik, mit | |
der die Grünen wenig anfangen können. Beim Klimaschutz fiel er als Bremser | |
auf, etwa bei den Verhandlungen über den [8][Kohle-Kompromiss], bei denen | |
er sich vor allem um die rheinischen Kohlereviere sorgte. „Die Union hat | |
sich für einen Vorsitzenden entschieden, der mit Klimaschutz wenig anfangen | |
kann“, sagt Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. | |
Offen ist aber, ob Laschet auch Kanzlerkandidat wird. Den Willen hätte er | |
und als Vorsitzender auch das Zugriffsrecht. Das Problem ist nur: Nur eine | |
Minderheit der Deutschen traut ihm das Kanzleramt zu, im aktuellen | |
Politbarometer sind es gerade mal 28 Prozent. Und hier kommt [9][Markus | |
Söder] ins Spiel. Söder hat eigentlich als Chef der kleinen Schwesterpartei | |
kaum Aussichten auf den Posten, liegt aber in Umfragen weit vor Laschet. | |
Ihm würden immerhin 54 Prozent der Befragten die Kanzlerschaft zuschauen. | |
Die Aufgaben für Laschet sind also riesig. Er muss die enttäuschten | |
Merz-Fans einbinden und die zerrissene CDU einen, sich aber auch des | |
ambitionierten Bayern erwehren. | |
16 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Armin-Laschet-zum-CDU-Chef-gewaehlt/!5744521 | |
[2] /Armin-Laschet-ist-neuer-CDU-Chef/!5744520 | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=Ub3y1bIB7JY | |
[4] /Vor-der-Wahl-des-neuen-CDU-Chefs/!5739205 | |
[5] /Armin-Laschet-die-CDU-und-Corona/!5720640 | |
[6] /Ausbeutung-bei-Schlachtbetrieben/!5702225 | |
[7] /Ausblick-auf-das-Wahljahr-2021/!5735727 | |
[8] /Proteste-gegen-Kohle-Leitentscheidung/!5719105 | |
[9] /Markus-Soeders-Corona-Management/!5702303 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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