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# taz.de -- Cem Özdemir über Schwarz-Grün: „Das Innenministerium wäre gut…
> Cem Özdemir spricht mit der taz über seinen Freund Armin Laschet und
> dessen Schwächen in der Außen- und Klimapolitik. Wird das was mit
> Schwarz-Grün?
Bild: Kann gut mit dem neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet: Grünen-Politiker …
taz: Herr Özdemir, haben Sie Ihrem Freund [1][Armin Laschet] schon
persönlich zum CDU-Vorsitz gratuliert?
Cem Özdemir: Ich dachte, ich ruf ihn mal nicht direkt an, er wird genug zu
tun haben. Aber ich hab ihm natürlich gratuliert.
War er Ihr Wunschkandidat für den CDU-Vorsitz?
Das musste natürlich die CDU entscheiden. Aber eins ist klar: Die CDU hat
sich für jemanden entschieden, der glaubwürdig für den Zusammenhalt der
Gesellschaft steht und deshalb kann man sich auch als Grüne*r und als
Bürger*in dieses Landes durchaus über dieses Ergebnis freuen. Aber auf dem
CDU-Parteitag haben wir auch gehört, dass die entscheidenden Zukunftsthemen
Klimaschutz und Digitalisierung nicht gerade zum christdemokratischen
Kernrepertoire zählen.
Kann Laschet Kanzler?
Das muss man sehen, aber es gab in der Vergangenheit bereits
CDU-Vorsitzende, denen man das nicht zugetraut hat. Kohl war dann 16 Jahre
Bundeskanzler und Angela Merkel hat auch bald 16 Jahre voll. Und jetzt
bedauern auch Grünen-Wähler*innen, dass die Ära Merkel endet. Gleichzeitig
bedeutet das Ende der Ära Merkel auch, dass die Karten neu gemischt werden.
Und insbesondere für die jüngeren Wähler*innen sei gesagt: Es ist kein
Naturgesetz, dass die CDU in diesem Land immer die Kanzler*in stellt.
Also wird Laschet unterschätzt?
Ja, das wurde er immer. Armin Laschet ist ein Kämpfer, der mit Niederlagen
umgehen kann. Der CDU-Vorsitz ist sicher die ehrgeizigste Aufgabe, die er
bislang hatte und sein Erfolg wird in Wahlergebnissen gemessen werden. Die
CDU hat natürlich den Anspruch, bei der Bundestagswahl stärkste Partei zu
werden und den Kanzler zu stellen. Annalena Baerbock und Robert Habeck
wollen ihr diesen Platz streitig machen, insofern wird's spannend.
In den Umfragen sieht es derzeit nicht nach zu viel Spannung aus, aber mal
was Persönliches: Sie kennen Laschet seit den Zeiten der so genannten
Pizzaconnection in Bonn in den 1990er Jahren. Was schätzen Sie an ihm?
Es ist eine echte Freundschaft, die auch die Familien umfasst. Man kann
sich darauf verlassen, dass Dinge, die privat sind, auch privat bleiben. Es
begann in der so genannten Pizzaconnection in Bonn, ging dann in Brüssel
beziehungsweise Straßburg weiter, wir saßen ja beide im Auswärtigen
Ausschuss des Europaparlaments.
Dann wurde er Integrationsminister in NRW und hat mich in den
Integrationsbeirat des Ministeriums berufen, und er hat mich sogar in ein
kulturelles Auswärtsspiel geholt: zum Aachener Karneval. Was macht man
nicht alles für seine Freunde. Und dann haben wir uns in den
Koalitionsverhandlungen zu Jamaica wiedergesehen.
Und was schätzen Sie an ihm?
Ich habe ihn als jemanden mit Humor erlebt, mit Selbstironie und als echten
Christdemokraten. Man kann wirklich beide Teile betonen: Christliche
Überzeugung und Demokrat. Der Flug letztes Jahr nach Moria, das war schon
ein Zeichen. Das hätte er nicht machen müssen. Da ist er ein Risiko
eingegangen, obwohl man ihm eher unterstellt, dass er in der Komfortzone
bleibt. Er ist tief überzeugter Europäer. Und was Norbert Röttgen an der
FDP kritisiert hat – diese Kritik ist bei den Schwarzen weiter verbreitet,
als sich das viele im Springer-Verlag vorstellen können.
Röttgen, Laschets Kontrahent um den CDU-Vorsitz, hat Schwarz-Gelb
ausgeschlossen und gesagt, die FDPler seien „unsichere Kantonisten“, weil
sie 2017 bei Jamaica gekniffen haben. Heißt das, Laschet sieht das auch so
– und seine angebliche Begeisterung für die FDP war rein strategisch?
Wer einmal mit der FDP-Spitze zusammengearbeitet hat, hat eine klare
Meinung dazu. Mehr will ich nicht sagen.
Was bedeutet ein CDU-Chef Laschet für den grünen Bundestagswahlkampf?
Das beutet, dass es zwei Dinge gibt, wo wir ganz klare Unterschiede haben:
Beim Klimaschutz und auch in der Außenpolitik, das will ich ganz klar
unterstreichen.
Im Klimaschutz gilt Laschet als Bremser. In einer der Kandidatenrunden hat
er gerade erst vor übertriebenem Klimaschutz gewarnt, weil das die
Industrie ruinieren könne.
Laschet kommt von der Kohle, da hat er einfach eine offene Flanke. Für den
Bundestagswahlkampf heißt das: Der Klimaschutz ist bei uns. Das ist
wichtig. Laschet hat es bislang nicht geschafft, da eine eigene Kompetenz
aufzubauen.
Und in der Außenpolitik?
Da fehlt ihm gelegentlich der Kompass. Wenn man an die eine oder andere
Äußerung Richtung Assad, Putin oder Erdogan denkt, das ist mir deutlich zu
soft. Und er gehört leider auch zum Diktatoren-Pipeline-Fanclub zusammen
mit Frau Schwesig. In der Außenpolitik hat er bislang nicht die allergrößte
Kompetenz, insofern ist das eine gute Geschichte für uns.
Nehmen wir mal an, Laschet wird Kanzlerkandidat. Er dürfte auch für viele
Frauen wählbar sein. Spricht das für [2][eine grüne Spitzenkandidatin
Annalena Baerbock?] Die Grünen könnten mit einer Frau punkten.
(lacht). Nice Try. Ich kann nur sagen: Das werden die beiden
Bundesvorsitzenden verkünden, wenn sie es entschieden haben. Und sie werden
es richtig entscheiden.
Könnte Laschets Haltung zum Klimaschutz ein Problem für eine mögliche
schwarz-grüne Koalition werden?
Das sehe ich jetzt erst mal nicht. Nach der Wahl schauen wir, was
rausgekommen ist, reden unter demokratischen Parteien und sehen, ob es am
Ende für eine stabile Regierungsbildung reicht. Für uns steht der
Klimaschutz ganz oben und nach einer Regierungsbildung wird es für alle
Partner oben stehen müssen, sonst gibt es keine erfolgreiche Regierung.
Das klingt pragmatisch.
Es geht ja darum, dass das Land vernünftig regiert werden muss, da muss man
Lösungen finden.
Beim Thema Migration und Integration gilt Laschet als fortschrittlich –
wäre das Thema leicht zu verhandeln?
Da gibt es im Detail eine Menge Konfliktstoff. Laschet muss da ja auch die
Breite seiner Partei vertreten, wie wir es auch tun. Aber die Grundannahme,
dass die Zustände in Moria unerträglich sind und in Bosnien auch, dass wir
dafür eine Lösung brauchen und dass dazu auch das Thema
Fluchtursachenbekämpfung gehört, da gibt es viel Gemeinsamkeit. Bei der
Umsetzung wird es rappeln.
Wo genau?
Die Bereitschaft der europäischen Union, Flüchtlinge aufzunehmen? Wie gehen
wir um mit Erdogan? Wie viel Kompromiss ist da vorstellbar? Wie viel
Engagement brauchen wir in Afrika? Wie viel Geld sind wir bereit zu zahlen
für Fluchtursachenbekämpfung? Wie steht Laschet zu Rüstungsexporten? Da
gibt es genug Konfliktstoffe. Aber erst mal müssen alle gewählt werden. Die
Union hat jetzt immerhin den ersten Schritt gemacht. Und ich sag mal,
unabhängig davon, dass ich Grüner bin: Ich hab auch ein Interesse daran,
dass die Union in halbwegs ruhigem Fahrwasser ist. Unser gemeinsamer
Hauptgegner ist die rechtsradikale AfD und alle anderen, die sich der
liberalen Demokratie in den Weg stellen. Mit Laschet haben wir einen
Partner, der da klar aufgestellt ist. Das ist ein Wert an sich, das sollte
man nicht unterschätzen.
Sie haben mit Laschet bereits 2017 Jamaica verhandelt. Wie waren die
Erfahrungen mit ihm?
Er ist ein verlässlicher Partner, da habe ich keinen Zweifel. Und er hat
sich als Brückenbauer hervorgetan. Einer, der hart in der Sache verhandelt,
aber dem man angemerkt hat, dass er an Lösungen interessiert ist.
In NRW hat sich Laschet mit Reul als Innenminister ja eher einen Hardliner
an die Seite geholt. Wäre das im Bund für eine schwarz-grüne Koalition ein
Problem?
Am Ende geht es um die Inhalte, die man verabschiedet. Kabinettsposten
vergeben wir noch lange nicht. Jetzt entscheiden erst einmal die
Wähler*innen. Aber ich habe die CDU beim Thema Innere Sicherheit, beim
Thema Kampf gegen Rechtsradikalismus auch nicht in jedem Bundesland als
Spitze der Bewegung empfunden. Unsere Demokratie muss wehrhaft sein gegen
ihre Feinde. Da kommt von der Union zu wenig. In Sachsen beispielsweise hat
die CDU auf beeindruckende Weise gezeigt, dass sie von Innenpolitik nicht
viel Ahnung hat. Da gibt es einen Innenminister, da fragt man sich, was
macht der eigentlich von Beruf? Wir dagegen können ganz klar sagen: Wir
haben innenpolitische Kompetenz.
Fordern Sie ein grün geführtes Innenministerium?
Ja, das wäre gut. Wir können Innenpolitik und haben mit Personen von Robert
Habeck bis Irene Mihalic und Konstantin von Notz die nötige Kompetenz
dafür.
Und Sie, Herr Özdemir? Wenn Schwarz-grün kommt, wollen Sie dann Minister
werden?
Ich will in Stuttgart das Direktmandat holen und dazu beitragen, dass die
Grünen in die nächste Regierung kommen. Alles Weitere kommt, wie es kommt.
18 Jan 2021
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[1] /Der-neue-Mann-an-der-Spitze-der-CDU/!5744523
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## AUTOREN
Sabine am Orde
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Cem Özdemir
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