| # taz.de -- Psychologin über Durchhaltestrategien: „Der Tunnel macht einen K… | |
| > Die Bremer Psychotherapeutin Angelika Rohwetter rät, nicht auf das Ende | |
| > der Pandemie zu warten, sondern sich Strategien für den Alltag zuzulegen. | |
| Bild: Licht gibt's nicht nur am Ende des Tunnels, sondern auch schon mittendrin | |
| taz: Frau Rohwetter, wie wirkt sich der zweite Lockdown auf die Psyche aus? | |
| Angelika Rohwetter: Es wird viel, viel schwerer zu ertragen. Im ersten | |
| Lockdown gab es noch den Aspekt von Abenteuer, auch Freude. Man erinnert | |
| sich an das Klatschen und Singen von den Balkonen. Das ist komplett | |
| verschwunden. Man kann von einer kollektiven Depression sprechen. Wahlweise | |
| verfallen Menschen auch in Aggressionen und Widerstand und wenden sich | |
| beispielsweise Verschwörungsmythen zu, dabei wäre die Notwendigkeit, die | |
| Maßnahmen jetzt einzuhalten, mit den Mutationen noch viel stärker. | |
| Ist das nicht widersprüchlich? | |
| Das ist ein Paradox. Aber die Kraft wird einfach weniger, die Menschen | |
| werden müde. | |
| Wie kann ich damit umgehen? | |
| Meine Technik ist hier: nicht auf das Ende warten. Wir wissen einfach | |
| nicht, wann das kommt. Auf das Ende zu warten, erfordert nur zusätzliche | |
| Kraft und schafft Frustration. Mein Sohn hat im letzten Jahr vier Reisen | |
| geplant, gebucht und bezahlt und sie dann am Ende nicht angetreten. Der | |
| sagte jetzt zu mir: „Ich plane keine Reisen mehr.“ Das ist die richtige | |
| Einstellung. Man spricht immer davon, das Licht am Ende des Tunnels zu | |
| suchen. Aber vielleicht macht der Tunnel ja einen Knick. Dann können wir | |
| das Licht am Ende des Tunnels nicht sehen. Das Licht im Tunnel zu finden, | |
| darauf sollten wir meiner Meinung nach den Fokus richten. | |
| Welche Möglichkeiten gibt es, Stress abzubauen und für Ausgleich zu sorgen? | |
| Da gibt es zwei Aspekte. Der eine ist: sich körperlich anstrengen. Boxer | |
| trainieren ihre Ausdauer mit Seilspringen. Dafür brauche ich keine Geräte | |
| und nicht viel Platz, außer dass ich vielleicht aufpassen sollte, dass ich | |
| meine Nachbar*innen nicht störe. Der andere Aspekt ist Ruhe. Und zwar | |
| nicht im Sinne von sich ablenken mit Fernsehen oder Internet, sondern mit | |
| Meditation, Musik oder einem schönen Buch. | |
| Wie gehe ich mit negativen Gedanken um, wenn alles schlecht zu laufen | |
| scheint? | |
| Man hat ja recht mit den negativen Gedanken. Es stimmt, dass es gerade | |
| schlimm ist. Und das zu akzeptieren entlastet. Aber es ist auch wichtig, | |
| nicht im Jammern zu verharren. Ich hab letztens gelesen, dass die Pandemie | |
| alte Kulturtechniken wieder hervorbringt. Ich habe beispielsweise | |
| angefangen zu backen, andere fangen an zu stricken. Wenn mir Körperlichkeit | |
| fehlt, kann ich ein langes Bad nehmen, mich schick machen, mich schminken. | |
| Und das, was fehlt, durch andere Formen der Körperlichkeit sublimieren. | |
| Sublimieren heißt nicht, Dinge zu ersetzen, sondern zu schauen, was ich auf | |
| einer anderen Ebene für mich tun kann. | |
| Wie schreiben Sie darüber [1][in Ihren Wochentexten]? | |
| Der nächste heißt „Die Heldin jammert auf jedem Niveau“. Es wird immer | |
| gesagt „Wir jammern hier in Deutschland auf hohem Niveau“. Das stimmt | |
| natürlich, aber wir sollten unser individuelles Leid nicht abwerten. Das | |
| ist genauso berechtigt wie das anderer Menschen, denen es vielleicht auf | |
| den ersten Blick schlechter geht. | |
| Welche Rückmeldungen erhalten Sie? | |
| Die Rückmeldungen sind, dass die Texte trösten und eine Leichtigkeit haben. | |
| Diese Woche erscheint schon mein 46ster Text. Ich bin guter Dinge, dass | |
| meine Ideen noch für viele Wochen reichen. | |
| 28 Jan 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Franziska Betz | |
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