| # taz.de -- Corona in den Betrieben: Arbeiten mit dem Virus | |
| > Die Vorgaben für private Kontakte wurden weiter verschärft. Was aber | |
| > passiert in den Betrieben, um Ansteckungen zu verhindern? Vier | |
| > Protokolle. | |
| Bild: Auch Landschaftsgärtner müssen Maske tragen | |
| Die Corona-Infektionszahlen bleiben hoch, 31.849 Neuinfektionen und 1.188 | |
| Todesfälle in Deutschland vermeldete das Robert-Koch-Institut am Freitag. | |
| Bund und Länder haben die Maßnahmen zum Infektionsschutz im privaten | |
| Bereich in dieser Woche noch einmal verschärft. Was aber wird getan, um | |
| Ansteckungen am Arbeitsplatz zu verhindern? | |
| Dafür gibt es verschiedene Vorgaben: Die [1][Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel] | |
| beinhaltet umfangreiche Maßnahmen, und auch aus dem | |
| Corona-[2][Arbeitsschutzstandard] des Bundesarbeitsministeriums gehen klare | |
| Grundsätze für Betriebe hervor. So sollen Beschäftigte, soweit möglich, im | |
| Homeoffice arbeiten und gar nicht erst in die Betriebe kommen. Wo dies | |
| nicht geht, sollen an den Arbeitsstätten Abstände von mindestens 1,50 | |
| Metern zwischen den Beschäftigten und zwischen Personal und Kunden | |
| eingehalten werden. Ist das organisatorisch nicht zu machen, etwa in der | |
| Montage, müssen Masken getragen werden. | |
| „Transparente Abtrennungen“ sind bei Publikumsverkehr zu installieren, | |
| heißt es in dem Arbeitsschutzstandard zudem. In den Pausenräumen und in | |
| Kantinen sollen Tische und Stühle nicht dicht beeinanderstehen und keine | |
| Warteschlangen gebildet werden. Auch die Nutzung von Aufzügen soll man | |
| beschränken. | |
| Für die Kontrollen dieser Maßnahmen sind die Ämter für Arbeitsschutz in den | |
| Bundesländern und die Berufsgenossenschaften zuständig. Man habe einen | |
| „Arbeitsschwerpunkt“ auf Überwachung der Coronamaßnahmen gelegt, sagt | |
| Harald Henzel, Sprecher des Landesamts für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz | |
| und technische Sicherheit in Berlin. Kontrolliert werde ohne konkreten | |
| Anlass oder auch auf Beschwerden hin. Das Personal des Amtes wurde dafür | |
| allerdings nicht aufgestockt. | |
| Während es im ersten Lockdown in vielen Betrieben etwa an Masken mangelte, | |
| habe sich die Ausstattung im zweiten Lockdown verbessert, sagt Henzel. Es | |
| gebe „erstaunlich wenige Beschwerden“ von Arbeitnehmern. Die riskanteste | |
| Phase an einem Werktag bleibt womöglich die Anfahrt in Bus und Bahn – daher | |
| die Forderung der IG Metall, so oft wie möglich Homeoffice zu gewähren. | |
| *** | |
| ## „Der Kunde muss glücklich sein“ | |
| Markus Hedrich (Name geändert), 35, arbeitet seit fast zehn Jahren für | |
| Amazon im Leipziger Logistikzentrum. Etwa genauso lange ist er | |
| Gewerkschaftsmitglied. | |
| „Wir sind nicht ausreichend geschützt. Es gibt Bereiche, in denen kann der | |
| Abstand nicht eingehalten werden. Das ist Amazon aber auch egal – ‚Das | |
| Paket muss raus, der Kunde muss glücklich sein‘ ist das Hauptziel. | |
| Es gab bei uns am Standort immer wieder Gerüchte über Corona-Ausbrüche, | |
| angeblich ist auch ein Kollege von uns daran verstorben. Aber wir wissen | |
| darüber nichts. Ich denke, wir brauchen viel mehr Transparenz und | |
| Aufklärung darüber, in welchen Bereichen Coronafälle aufgetreten sind. Man | |
| kriegt keine genauen Infos – und viele haben Angst, sich anzustecken. | |
| Amazon hat trotz der Coronapandemie massiv Weihnachtshilfen eingestellt, | |
| also noch mehr Leute in einer Schicht. Im Laufe der Zeit hat das | |
| Unternehmen eine Maskenpflicht angeordnet – allerdings von sich aus, ohne | |
| den Betriebsrat zu beteiligen. Der Betriebsrat hat sich dann dafür | |
| eingesetzt, das System so zu gestalten, dass es angenehmer wird – zum | |
| Beispiel durch Atempausen. Derzeit gibt es eine von 15 Minuten am Tag, das | |
| reicht aber nicht. Mit Mundschutz arbeiten ist vor allem bei körperlich | |
| anstrengenden Tätigkeiten belastend. Die betrieblichen Belange werden über | |
| alles andere gestellt.“ | |
| *** | |
| ## „Im Werk tragen wir alle Masken“ | |
| Benjamin Kerschbaumer (Name geändert), 33, arbeitet seit 2004 im BMW-Werk | |
| in Landshut. | |
| „Ich arbeite in der Planung und bin für die Beschaffung von | |
| Produktionsanlagen zuständig, meine Tätigkeit findet also sowohl im Büro | |
| als auch in der Produktionshalle statt. In einer Schicht arbeiten bei uns | |
| über hundert Leute in der Halle, die in der Regel sehr gut Abstand | |
| voneinander halten können, weil an jeder Anlage normalerweise nur ein | |
| Mitarbeiter an einem Bauteil arbeitet. Aber wenn ich beispielsweise an | |
| einer Anlage arbeite, mache ich das immer mit dem jeweiligen Mitarbeiter | |
| zusammen. In diesen Fällen lässt sich der Mindestabstand oft nicht | |
| einhalten. Wir tragen dann aber Masken. Überhaupt tragen wir alle im Werk | |
| Masken, die wir nur am eigenen Arbeitsplatz abnehmen dürfen. | |
| Die größte Veränderung durch Corona ist für mich der Ausbau der | |
| Mobilarbeit. Damit die Büros nicht immer voll belegt sind, darf jeder, der | |
| von zu Hause aus arbeiten kann, das auch tun. Ich selbst nehme das oft in | |
| Anspruch. In diesem Moment sitze ich beispielsweise im Homeoffice. Sonst | |
| arbeite ich in einem Büro mit zehn Mitarbeitern, wo wir die Arbeitsplätze | |
| auch so umgruppiert haben, dass die Mindestabstände gewahrt sind. Eine | |
| Einschränkung gibt es natürlich beim Mittagessen, da wir zwar weiterhin in | |
| die Kantine gehen, aber dort nicht mehr in der Gruppe zusammensitzen | |
| können. | |
| Ich fühle mich bei BMW ausreichend geschützt. Natürlich gibt es auch bei | |
| uns Coronafälle, das Management informiert uns regelmäßig über die | |
| Situation. Von meinen direkten Kollegen sind schon welche erkrankt, sie | |
| haben es aber zum Glück alle gut überstanden. | |
| Einen Coronabonus gab es für uns nicht. Ich selbst hatte durch Corona aber | |
| auch keine Einbußen. Bei uns in Landshut mussten nur verhältnismäßig wenige | |
| Kollegen vorübergehend in Kurzarbeit gehen.“ | |
| *** | |
| ## „Viele wollen nicht ins Homeoffice“ | |
| Ines Büdke (Name geändert) ist Anfang 50 und arbeitet in einem Berliner | |
| Finanzamt. | |
| „Im Frühjahr waren bei uns fast alle im Homeoffice, obwohl das Amt da noch | |
| gar nicht genug Technik zur Verfügung stellen konnte und es auch nicht | |
| genügend Zertifikate für den Zugang zum System gab. Im Sommer kehrten dann | |
| die allermeisten wieder zurück ins Amt. Wir wurden aber gefragt, ob wir | |
| einen regulären Telearbeitsplatz beantragen wollen. Ich habe das gemacht. | |
| Inzwischen kann man mich auch telefonisch zu Hause erreichen. Am Anfang | |
| habe ich die Leute, auch die Steuerpflichtigen, noch von meinem Privathandy | |
| angerufen, das dürfen wir natürlich eigentlich nicht, aber was sollte ich | |
| machen? | |
| Ganz glücklich ist das mit der technischen Ausstattung bis heute nicht. Wir | |
| dürfen ja aus Sicherheitsgründen keine externen Geräte verwenden, und ich | |
| habe bis heute keinen Drucker. Warum, da müssen Sie die Berliner Verwaltung | |
| fragen! Immer wenn etwas auszudrucken war, mussten das im Frühjahr die | |
| wenigen verbliebenen Präsenzkräfte machen. Ich bin dann irgendwann wieder | |
| ins Amt gefahren, das war denen ja nicht zuzumuten! Mit einem | |
| abgeschlossenen Koffer fahre ich nun mehrmals in der Woche mit Unterlagen | |
| hin und her. Immer zu Zeiten, wenn da sonst keiner ist. | |
| Man muss aber auch sagen: Das ist in den Finanzämtern ganz verschieden, von | |
| Leitung zu Leitung. Es gibt welche, die hatten von vornherein mehr | |
| Telearbeitsplätze. Es gibt aber auch andere, da durften im Frühjahr nicht | |
| mal die Risikogruppen ins Homeoffice. Ein absolutes Desaster. | |
| Na, und dann ist ja jetzt wieder alles neu, und die Maßnahmen sollen noch | |
| mal verschärft werden. Aber bei uns wollen viele einfach nicht ins | |
| Homeoffice. Ich würde sagen, wir haben auch Coronaleugner im Team, das | |
| spaltet immer mehr. Jetzt sind also die Infektionszahlen deutlich höher, | |
| aber es sind mehr Leute im Amt als im Frühjahr. Es kam diese Woche schon | |
| die Ansage, dass wir die Präsenz wieder zurückfahren sollen. Aber | |
| konsequent eingefordert oder kontrolliert wird das bei uns nicht.“ | |
| *** | |
| ## „Ein Restrisiko bleibt natürlich“ | |
| Matthias Janke, 53, ist freigestellter Betriebsrat bei der Deutschen Post | |
| AG in Hagen. Als Zusteller in DHL-Kleidung hat er bis April 2020 selbst | |
| Pakete ausgeliefert. | |
| „Durch Corona ist das Paketaufkommen massiv gestiegen. Die Post mit ihrer | |
| Marke DHL hat natürlich großes Interesse daran, dass der Betrieb weiter | |
| läuft. Die Kolleginnen und Kollegen müssen also gesund bleiben. Dafür hat | |
| unser Arbeitgeber auch eine Menge getan: Zügig nach Ausbruch der Pandemie | |
| wurden uns Desinfektionsmittel und Schutzmasken zur Verfügung gestellt. Auf | |
| Wunsch bekamen wir auch einen Wasserbehälter und Seife ins Fahrzeug, um uns | |
| zwischendurch die Hände waschen zu können. | |
| Außerdem wird versucht, den Kontakt mit den Kunden zu verringern: An den | |
| Scannern unterschreiben nicht mehr die Empfänger, sondern die Zusteller. | |
| Das sieht so aus: Wir klingeln, stellen das Paket ab und treten dann zwei, | |
| drei Meter zurück. Direkten Körperkontakt gibt es also nicht mehr. Doch | |
| trotz Tragen einer Schutzmaske bleibt natürlich ein Restrisiko, etwa wenn | |
| wir in Treppenhäusern Leuten begegnen. | |
| Bei uns in Hagen hatten wir bei etwa 100 Mitarbeitern bisher aber nur 3 | |
| Coronafälle – also kaum mehr als in der Gesamtbevölkerung. Persönlich habe | |
| ich befürchtet, dass es mehr sein würde, denn jeder Zusteller beliefert am | |
| Tag um die 120 Kunden. Wir konnten nach jeder Infektion Schnelltests | |
| machen, freiwillig natürlich. Angesteckt hatte sich aber glücklicherweise | |
| niemand. | |
| Wirklich gefreut haben die Paketzusteller sich über die Corona-Prämie von | |
| 300 Euro, die ihnen als Zeichen der Wertschätzung von der Deutschen Post | |
| gezahlt wurde. Bei anderen Zustelldiensten, die mit Subunternehmern und | |
| Pseudo-Selbstständigen arbeiten, gab es so etwas oft nicht. Wir werden von | |
| diesen Kollegen deshalb immer wieder gefragt, ob nicht ein Job bei der Post | |
| frei ist – denn bei uns verdient ein Lediger in Vollzeit schon beim | |
| Einstieg 1.600 Euro netto. Dafür ackern die Zusteller aber auch hart.“ | |
| 9 Jan 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk… | |
| [2] https://www.bmas.de/DE/Presse/Meldungen/2020/neue-sars-cov-2-arbeitsschutzr… | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Dribbusch | |
| Andreas Wyputta | |
| Manuela Heim | |
| Sarah Ulrich | |
| Dominik Baur | |
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