# taz.de -- Coronabeschlüsse zur Arbeitswelt: Bitte großzügig zu Hause bleib… | |
> Unternehmen erhalten nur freundliche Appelle in Sachen Infektionsschutz. | |
> Dabei gibt es Grund genug für strengere Maßnahmen. | |
Bild: Ohne Mundnasenschutz: Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, für den Schut… | |
Da gibt es etwa einen Mitarbeiter einer Kreisverwaltung, der schreibt: Ja, | |
es gibt zwar Homeoffice bei uns, aber viel zu wenig, und wer es nutzt, der | |
wird schräg angeschaut. Ein Vorgesetzter sei Impfgegner und verharmlose | |
Covid von Beginn an. Eine Mitarbeiterin eines Callcenters schreibt, es gebe | |
bei ihnen kein Homeoffice, über 30 Mitarbeitende gingen ihrer Arbeit | |
gleichzeitig in angrenzenden Büros ohne Masken nach. Und ein Mitarbeiter | |
eines Hostels schreibt, er habe während der Pandemie Reisende aus Spanien | |
empfangen müssen, für die eigentlich Quarantäne vorgeschrieben gewesen | |
wäre. | |
Das sind nur drei Beispiele einer ganzen Reihe von Geschichten aus der | |
Arbeitswelt, die Laura Dornheim auf Twitter unter dem Hashtag #MachtBüroszu | |
sammelt. Die Berliner Grünen-Politikerin, die sich um ein Bundestagsmandat | |
bewerben will, setzt sich dafür ein, dass Unternehmen schärfere Maßnahmen | |
zum Infektionsschutz erhalten: Während Schulen und Restaurants schließen | |
und man privat nur noch eine Person empfangen darf, richten Bund und Länder | |
nur freundliche Appelle an Unternehmen. | |
„Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber werden dringend gebeten großzügige | |
Home-Office-Möglichkeiten zu schaffen“, heißt es im jüngsten Beschluss von | |
Bund und Ländern. Dabei sind die Daten des Robert-Koch-Instituts klar: An | |
Arbeitsplätzen kommt es zu mehr Ansteckungen als in [1][Schulen und Kitas]. | |
Zwar sind die Zahlen mit Vorsicht zu genießen, weil man nur in circa einem | |
Sechstel der Fälle nachvollziehen konnte, wo sich Menschen angesteckt | |
haben. Die Wissenslücken, [2][wo man sich ansteckt, sind groß] – doch | |
Arbeit spielt eindeutig eine Rolle. | |
Deshalb fordert auch die IG Metall ein Umdenken. „Die Politik tut im Moment | |
so, als würde das Infektionsgeschehen primär in der Öffentlichkeit | |
stattfinden, aber vor den Werkstoren, Büros und den Verwaltungsgebäuden | |
weitestgehend haltmachen“, sagt Hans-Jürgen Urban. Geschäftsführendes | |
Vorstandsmitglied der IG Metall, der taz. Er betont dabei, dass es von | |
Unternehmen zu Unternehmen große Unterschiede gebe, in einer Umfrage zeigte | |
sich eine Mehrheit der Befragten in den Betrieben zufrieden mit den | |
Schutzmaßnahmen. Weil in vielen produzierenden Betrieben Präsenz | |
unabdingbar sei, müsse Homeoffice ermöglicht werden, wo es geht. Die | |
Appelle des jüngsten Bund-Länder-Beschlusses seien zu wenig. „Hier muss die | |
Politik klare Vorgaben machen“, fordert er. Arbeitsminister [3][Hubertus | |
Heil plant zwar ein Homeoffice-Gesetz], aber das kommt zu spät für den | |
aktuellen Lockdown – und eine Pflicht zum Homeoffice enthält es nicht. | |
## Fürsorgepflicht der Arbeitgeber*innen | |
Dornheim hat nicht nur negative Beispiele gesammelt, sondern auch eine | |
Liste von Unternehmen, die nach Berichten von Mitarbeitenden vorbildlich | |
arbeiten. Aber der Anteil sei eben angesichts der momentanen Lage zu wenig. | |
„Bund und Länder müssten vorschreiben, dass alle Tätigkeiten, bei denen | |
keine zwingende Präsenz notwendig ist, ins Homeoffice verlagert werden. | |
Arbeitgeber müssten das Gegenteil begründen – nicht genug Laptops reicht | |
dann nicht“, sagt sie. | |
Eine Anfang Dezember veröffentlichte [4][Umfrage des Branchenverbandes | |
Bitkom] unter Berufstätigen in Deutschland ergab, dass immerhin ein Viertel | |
komplett, weitere 20 Prozent der Erwerbstätigen zumindest zeitweise im | |
Homeoffice arbeiten. | |
Welche Möglichkeiten aber hat man, wenn man sich als Arbeitnehmer*in im | |
eigenen Betrieb unzureichend gegen eine Ansteckung geschützt fühlt? Die | |
Rechtsanwältin Kathleen Kunst hat während der Pandemie sowohl | |
Arbeitnehmer*innen als auch Arbeitgeber*innen bei derartigen | |
Streitfällen vertreten und beraten. Grundsätzlich, sagt sie, haben | |
Arbeitgeber*innen eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitenden – | |
entsprechend müssen sie für Infektionsschutz sorgen. Streitigkeiten seien | |
aber immer abhängig von der Art der Tätigkeit, den betrieblichen Umständen | |
vor Ort, persönlichen Risikofaktoren. | |
„Man kann etwa nicht pauschal sagen, wenn ich kein Einzelbüro bekomme, dann | |
komme ich nicht zur Arbeit“, sagt Kunst. Denn theoretisch können | |
Arbeitnehmer*innen sich weigern, in den Betrieb zu kommen, und gleichzeitig | |
auf Lohnfortzahlung pochen. Das wäre der Fall, wenn Arbeitgeber*innen den | |
Infektionsschutz nicht gewährleisten, etwa keine Desinfektionsmittel zur | |
Verfügung stellen oder die Abläufe im Betrieb nicht so organisieren, dass | |
das Risiko einer Ansteckung deutlich minimiert ist. | |
## Erhebliche Unsicherheiten | |
Aber wer, dem das Arbeitsverhältnis lieb ist, riskiert schon einen solchen | |
Rechtsstreit, besonders im Niedriglohnsektor? Klagen sind laut Kunst | |
deshalb eher Einzelfälle. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auf beiden | |
Seiten, bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern, weiterhin erhebliche | |
Unsicherheiten bestehen, weil die Pandemie für das Recht eine komplett | |
neue Lage ist“, sagt sie. | |
Und was ist mit den Behörden? Die haben Sanktionsmöglichkeiten, sagt die IG | |
Metall – aber dazu bedürfe es eines Kontrollbesuchs der | |
Arbeitsschutzaufsicht oder zuständiger Berufsgenossenschaften. „Es findet | |
aber viel zu wenig Kontrolle statt“, sagt Urban. | |
6 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Kitas-im-Notbetrieb/!5739380 | |
[2] /Rolle-von-Schulen-bei-Coronaverbreitung/!5742195 | |
[3] /Arbeiten-in-der-Coronapandemie/!5718347 | |
[4] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Mehr-als-10-Millionen-arbei… | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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