# taz.de -- Innenministerkonferenz uneins: Abschiebestopp beerdigt | |
> Die CDU-Innenminister verhindern, dass weiterhin nicht nach Syrien | |
> abgeschoben werden darf. Pro Asyl nennt das einen „Dammbruch“. | |
Bild: Präsident Baschar al-Assad soll für Folterungen in Syrien verantwortlic… | |
BERLIN taz | Das Entsetzen bei den Flüchtlings- und | |
Menschenrechtsorganisationen ist groß. „Das ist ein menschenrechtlicher | |
Dammbruch mit fatalen Folgen für die deutsche Außen- und Innenpolitik“, | |
sagt Günter Burkhardt, der Geschäftsführer von Pro Asyl. „Ein Folterregime | |
wird nun salonfähig gemacht, denn ohne diplomatische Beziehungen sind | |
Abschiebungen unmöglich.“ | |
Was Burkhardt so empört, ist die Entscheidung der Innenministerkonferenz | |
(IMK), den seit 2012 geltenden Stopp von Abschiebungen nach Syrien nicht zu | |
verlängern. Die Innenminister der Union stimmten dem nicht zu. Da | |
Entscheidungen in der IMK, die dieses Mal wegen Corona zum großen Teil | |
digital durchgeführt wurde, einstimmig getroffen werden müssen, [1][läuft | |
der Abschiebestopp nun Ende des Jahres aus]. Dann wird wieder im Einzelfall | |
geprüft. | |
„Wer schwere Straftaten begeht oder terroristische Absichten verfolgt, um | |
unserem Staat und unserer Bevölkerung empfindlich zu schaden, der sollte, | |
muss unser Land verlassen“, sagte Staatssekretär Hans-Georg Engelke aus dem | |
Bundesinnenministerium (BMI) zur Begründung. | |
Engelke vertrat Minister Horst Seehofer (CSU), der in Quarantäne ist. Es | |
gebe in Deutschland 89 islamistische Gefährder aus Syrien, sagte er. Das | |
sind Personen, denen die Polizei schwere Straftaten bis hin zum | |
Terroranschlag zutraut. Zur Anzahl der Straftäter konnte er keine Angaben | |
machen. | |
Es dürfe kein Tabu sein, über die Abschiebung einzelner Gefährder und | |
Straftäter nachzudenken, sagte auch Bayerns Ressortchef Joachim Herrmann | |
(CSU). Das Auslaufen des Abschiebestopps aber wird nach Einschätzung der | |
SPD-Innenminister Abschiebungen nach Syrien nicht erleichtern. | |
## Kritik von SPD-Innenministern | |
„Ich halte das für ein Stück weit für populistisch“, kritisierte | |
Niedersachsens Ressortchef Boris Pistorius. Schließlich blieben die | |
praktischen Probleme: Es gebe weder Direktflüge nach Syrien noch | |
Beziehungen zur Regierung von Präsident Baschar al-Assad. Diese sind für | |
die Durchführung einer Abschiebung aber notwendig. | |
Pistorius fragte auf der gemeinsamen Abschlusspressekonferenz spitz, ob die | |
Bundesrepublik nun bereit sei, diplomatische Beziehungen mit „dem | |
Verbrecherregime von Assad“ aufzunehmen. Er verwies zudem darauf, dass die | |
IMK vor einem Jahr gemeinsam beschlossen habe, dass das BMI die | |
Voraussetzungen für Abschiebungen nach Syrien schaffen solle. Bislang aber | |
gebe es dazu keine Vorschläge. | |
Zudem warnt das Auswärtige Amt weiter vor einer „katastrophalen“ Lage in | |
Syrien. In einem aktuellen internen Lagebericht, [2][welcher der taz | |
vorliegt], ist die Rede von „in allen Landesteilen weiterhin massiven | |
Menschenrechtsverletzungen durch verschiedene Akteure“. Im Land herrsche | |
weiter „weitreichende systematische Willkür bis hin zu vollständiger | |
Rechtlosigkeit“. | |
Thüringens Ressortchef Georg Maier (SPD), der auch Vorsitzender der IMK | |
ist, kritisierte, die Menschen würden nun erwarten, dass im Januar die | |
ersten Maschinen mit Abgeschobenen nach Syrien fliegen. „Und das wird nicht | |
geschehen“, sagte er. Damit verliere die Politik an Glaubwürdigkeit. | |
## Auch „Querdenker“ Thema der Innenministerkonferenz | |
Neben dem Abschiebestopp beschäftigten sich die Innenminister auch mit | |
Themen wie der sogenannten „Querdenker“-Bewegung. Besorgt äußerten sie si… | |
über die Radikalisierungstendenzen bei den Protesten gegen die | |
Corona-Auflagen. | |
„Wir haben uns verständigt, das Phänomen weiter intensiv im Blick zu | |
behalten“, sagte BMI-Mann Engelke. Die Innenminister aber empfahlen nicht, | |
die Bewegung wie in Baden-Württemberg durch den Verfassungsschutz | |
beobachten zu lassen. Dies entschieden die Verfassungsschutzbehörden | |
selbst, sagte Maier: „Da mischen wir uns nicht ein.“ | |
Mit Blick auf die AfD konstatierte der Maier, es gebe Bestrebungen, „die | |
Demokratie von innen, auf parlamentarischem Wege, auszuhöhlen“. Dem | |
Vernehmen nach [3][will das Bundesamt für Verfassungsschutz im Januar | |
entscheiden], ob die AfD als Gesamtpartei beobachtet werden soll. | |
Bei der Konferenz der Innenminister erläuterte Thomas Haldenwang, der | |
Präsident des Bundesverfassungsschutzes, dass der Einfluss des offiziell | |
aufgelösten völkischen „Flügels“ weiter zugenommen habe. In mehreren | |
ostdeutschen Bundesländern werden die AfD-Landesverbände bereits von den | |
Verfassungsschutzämtern beobachtet. | |
11 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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