# taz.de -- EU-Minigipfel zu Terrorabwehr: Macron will durchgreifen | |
> Frankreichs Präsident versucht die Mitgliedstaaten auf eine härtere | |
> Gangart einzuschwören. Die Außengrenzen müssten besser geschützt werden. | |
Bild: Angela Merkel und Emmanuel Macron bei der Videokonferenz am Dienstag | |
PARIS taz | „Schnell und koordiniert“ müsse die europäische Gemeinschaft | |
auf die terroristische Bedrohung antworten. Das hat der französische | |
Präsident Emmanuel Macron nach einem Minigipfel am Dienstag mit dem | |
österreichischen Kanzler Sebastian Kurz und – per Videokonferenz | |
zugeschaltet – Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissionspräsidentin | |
Ursula von der Leyen, Charles Michel, dem belgischen Ratsvorsitzenden und | |
dem niederländischen Premier Mark Rutte gefordert. | |
Der Kontext erklärt, weshalb Macron die Partner in dieser Weise drängt: | |
Nach einer Attentatsserie in Frankreich (Paris, Conflans, Nizza) hat | |
[1][der Anschlag in Wien] am 2. November verdeutlicht, dass der | |
islamistische Terror bei Weitem kein „französisches“ Problem ist, sondern | |
alle in der EU angeht. | |
Bei Solidaritätsbotschaften soll es darum nicht bleiben. Koordination heißt | |
für Macron in diesem Bereich, dass die EU bei der Überwachung der | |
Netzwerke, der Daten von Reisepassagieren und bei Grenzkontrollen endlich | |
am selben Strang zieht und mit einstimmiger Entschlossenheit und | |
einheitlichen Regeln der Hasspropaganda im Internet begegnet. | |
Die dramatische Aktualität der Terroranschläge rechtfertigt es für ihn, zu | |
Eile und mehr Härte zu mahnen. Früher gab es in Frankreich eine goldene | |
Regel, die bei der Ausbildung an der Hochschule Sciences Po, der | |
Kaderschmiede der Politischen Wissenschaften, den zukünftigen | |
Regierungsverantwortlichen eingebläut wurde: „Nie in der Hitze des Gefechts | |
entscheiden!“ | |
## Rat vergessen | |
Natürlich haben diejenigen, die es in Führungspositionen geschafft haben, | |
diesen klugen Rat meistens schnell vergessen. Vor allem, wenn die innere | |
Sicherheit bedroht ist. Dann werden in Frankreich jedes Mal zusätzliche | |
Möglichkeiten der Kontrolle, Verfolgung und Repression auf Kosten der | |
verfassungsrechtlich garantierten Freiheiten in die Gesetzgebung | |
übernommen. | |
Das Risiko einer Überreaktion, mit der sich der Staat bloß neue Feinde | |
macht, ist reell. Merkel warnte bei der Videokonferenz diesbezüglich alle, | |
die vom Kampf gegen den radikalen Islamismus eine Gerade zu einem | |
„Kulturschock“ oder „Krieg der Zivilisationen“ ziehen möchten. Es gehe | |
nicht um einen „Kampf des Islam gegen das Christentum“, sondern darum, dass | |
ein demokratisches Gesellschaftsmodell sich gegen antidemokratische | |
terroristische Angriffe verteidigen müsse. | |
Der gemeinsame Kampf gegen [2][den Terrorismus] ist für Macron auch ein | |
Anlass, einen neuen Anlauf für die Stärkung und Erneuerung der Gemeinschaft | |
zu nehmen. Über das Vorgehen waren sich die Teilnehmenden an diesem von | |
Frankreich organisierten Minigipfel nicht ganz einig. Merkel und Rutte | |
möchten nicht mehr Kontrollen innerhalb des Schengenraums. Macron | |
argumentierte: „Wir müssen die Außengrenzen schützen, damit wir die | |
Binnengrenzen offen halten können.“ | |
Macron hatte schon am vergangenen Donnerstag anlässlich eines Besuchs der | |
französisch-spanischen Grenze eine „tiefgreifende Reorganisation“ des | |
Freizügigkeitsregeln im Schengenraum gefordert und dabei auch die | |
Verdopplung der Zahl der Beamten an den französischen Grenzen von 2.400 auf | |
4.800 angekündigt. | |
## Fatale Folgen | |
Wenn die Asylanträge von Migranten in anderen EU-Staaten abgelehnt würden, | |
kämen diese sehr oft nach Frankreich. Die Schlepper seien aber „immer | |
häufiger mit terroristischen Gruppen“ in Kontakt. Das europäische Asylrecht | |
werde auf diese Weise „oft missbraucht“, indem Gefährder in die EU | |
einreisten, macht Macron geltend. | |
Ohne das explizit zu sagen, verwies er damit auf das Beispiel des | |
tunesischen Attentäters, der in einem Flüchtlingsboot via Lampedusa nach | |
Nizza gekommen war, um dort in einer Kirche drei Menschen zu töten. Der | |
Link zwischen Terrorismus und Migrationspolitik ist nicht von der Hand zu | |
weisen, kann aber mit vorschnellen pauschalen Antworten auf konkrete Fälle | |
fatale Folgen haben. | |
11 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Terroranschlag-in-Oesterreich/!5722512 | |
[2] /Erdoan-und-die-Mohammed-Karikaturen/!5724499 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
EU-Sondergipfel | |
Terror | |
Emmanuel Macron | |
Schwerpunkt Islamistischer Terror | |
Frankreich | |
Schweiz | |
Schwerpunkt Pressefreiheit | |
Frankreich | |
EU-Innenminister | |
Frankreich | |
Saudi-Arabien | |
Wien | |
Frankreich | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Adopt a Revolution | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Geflüchtete in Paris: Kein Platz zum Schlafen | |
Zahlreiche Geflüchtete hausen in Paris auf der Straße – ohne Zelt und ohne | |
Decke. Ihre Camps werden immer wieder von der Polizei zerstört. | |
Nach Messerangriff in Lugano: Terrorermittlungen in der Schweiz | |
Eine Frau hat in der Schweiz zwei Frauen in einem Warenhaus mit einem | |
Messer attackiert. Ein Opfer wurde schwer verletzt, das andere leicht. | |
Filmverbot bei Polizeieinsätzen: Ohne Bilder keine Anklage | |
In Frankreich sollen Bilder von Polizeigewalt auf den Index gesetzt werden. | |
Das driftet ab in eine Sicherheitspolitik, wie sie autoritäre Regime | |
praktizieren. | |
Terror in Frankreich: Der Schatten des Bataclan | |
Vor fünf Jahren ermordeten islamistische Attentäter 130 Menschen in Paris. | |
Der Schock sitzt immer noch tief. Die Gesellschaft ist unfreier geworden. | |
Verschlüsselte Nachrichtendienste: Seehofer will mehr Zugriff | |
Der Innenminister will im Kampf gegen Terror an die Kommunikation ran. | |
Frankreich und Österreich drängen beim EU-Treffen auf hartes Durchgreifen. | |
Fünf Jahre nach Bataclan-Anschlag: Wunden, die nicht heilen wollen | |
Tausende versuchen bis heute, einen Umgang mit dem Trauma zu finden. | |
Präsident Emmanuel Macron will härter gegen Gefährder durchgreifen | |
Anschlag in Saudi-Arabien: Verletzte bei Gedenkzeremonie | |
Vier Menschen sollen verwundet worden sein. Auch europäische Diplomaten | |
hatten an der Zeremonie teilgenommen. Frankreich ruft zu Wachsamkeit auf. | |
Terroranschlag in Österreich: Wien am Tag danach | |
Die österreichische Hauptstadt wurde von einem Terroranschlag mit bisher | |
vier Toten erschüttert. Es steckt ein dschihadistischer Täter dahinter. | |
Terror in Frankreich: Eine Art von Guantánamo | |
Nach dem jüngsten Anschlag in Nizza entbrennt eine Debatte über Migration | |
und Bürgerrechte. Die Militärpräsenz wird verstärkt. | |
Erdoğan und die Mohammed-Karikaturen: Steilvorlage für Populisten | |
Frankreichs Präsident Macron bauscht den islamistischen Mord an einem | |
Lehrer zu einer Grundsatzfrage auf. Das kommt Erdoğan gerade recht. | |
Messerattacke in Dresden: Verdächtigter wurde beobachtet | |
Ein Islamist gilt für die Messerattacke von Dresden als tatverdächtig. Die | |
Sicherheitsbehörden haben ihn noch am Tattag beobachtet. |