# taz.de -- Terror in Frankreich: Eine Art von Guantánamo | |
> Nach dem jüngsten Anschlag in Nizza entbrennt eine Debatte über Migration | |
> und Bürgerrechte. Die Militärpräsenz wird verstärkt. | |
Bild: Polizeipräsenz auch in Paris am Tag nach dem Attentat in Nizza | |
PARIS taz | Am Tag nach dem Attentat auf die Basilika Notre-Dame de | |
l’Assomption in Nizza, bei dem drei Menschen getötet und drei verletzt | |
wurden, herrscht in Frankreich „höchste Alarmstufe“. Denn weitere Anschlä… | |
solcher Einzeltäter sind zu befürchten. Zwei Wochen zuvor hatte ein | |
Tschetschene den [1][Lehrer Samuel Paty], der Mohammed-Karikaturen im | |
Unterricht behandelt hatte, enthauptet. Am 25. September hatte ein | |
Pakistaner vor den früheren Büros der Satirezeitung Charlie Hebdo an der | |
Rue Appert in Paris zwei Menschen mit einem Fleischerbeil schwer verletzt. | |
Bei dem [2][Täter von Nizza] handelt es sich um den 21-jährigen Tunesier | |
Brahim A., der laut italienischen Behörden am 20. September mit anderen | |
afrikanischen Geflüchteten auf der italienischen Insel Lampedusa | |
angekommen und zwei Wochen später von den Behörden nach Bari | |
weitergeschickt worden sei. Am Freitag bekannte sich eine tunesische | |
Terrorgruppe namens „Die Anhänger von Mehdi“ zu dem Attentat. | |
Offensichtlich war Brahim A. in ihrem Auftrag unterwegs. | |
Vorgehen und Profil der Täter weisen Parallelen auf. Neben den | |
ideologischen Motiven, die sich mehr oder weniger explizit auf Appelle | |
islamistischer Terrororganisationen wie den „Islamischen Staat“ (IS) oder | |
al-Qaida zum „Dschihad“ beziehen, ist die Herkunft dieser Attentäter ins | |
Zentrum der politischen Diskussionen gerückt. Als Erste stellte die | |
Parteichefin des ausländerfeindlichen Rassemblement national (Ex-FN), | |
Marine Le Pen, einen Zusammenhang zwischen Terror und Migration her. Sie | |
forderte eine „Kriegsgesetzgebung“, um die Terroristen adäquat zu | |
bekämpfen. | |
Aber auch ein Wortführer der konservativen Partei Les Républicains, der | |
Abgeordnete Bruno Retailleau, erklärte unter Hinweis auf die Täter der | |
jüngsten Anschläge: „Es besteht eine Verbindung zwischen einer | |
unkontrollierten Immigration in Frankreich und der Islamisierung.“ Er | |
forderte, dass die Regierung dem deutlich Rechnung trage: „Die Attentate | |
werden nicht aufhören, solange der Unordnung der Migration kein Ende | |
gesetzt wird.“ | |
## Potenzielle Staatsfeinde | |
Sein Parteikollege Eric Ciotti forderte die Einrichtung eines „Guantánamo à | |
la française“ zur präventiven Inhaftierung radikaler Islamisten: „Wir | |
brauchen eine administrative Verwahrung für diejenigen, die bei uns als | |
potenzielle Staatsfeinde registriert sind. Für die Gefährlichsten unter | |
ihnen, um sie zu isolieren und unschädlich zu machen.“ | |
Eine Inhaftierung ohne Gerichtsurteil ist illegal und widerspricht dem | |
Rechtsempfinden in Frankreich. Soll Frankreich genau die Freiheiten und | |
Bürgerrechte einschränken oder gar infrage stellen, welche die Republik | |
gegen den Obskurantismus von Fanatikern verteidigen muss? | |
Bei einer Sitzung des Verteidigungsrats zur nationalen Sicherheit unter | |
Leitung von Präsident Emmanuel Macron wurde beschlossen, 4.000 zusätzliche | |
Militärs im Rahmen der Operation „Vigipirate“ einzusetzen. Bereits seit der | |
Anschlagsserie von 2015 gehören die mit Maschinenpistolen bewaffneten und | |
in den Städten patrouillierenden Uniformierten zum Straßenbild. Daran | |
gewöhnt hat sich die Bevölkerung nicht. | |
Macrons Präsidentschaft wird, schrieb Libération am Freitag, zu einem | |
„permanenten Notstand“. Seine Autorität und Popularität wird dadurch aber | |
nicht gestärkt. Denn die Restriktionen im Alltag zur Bekämpfung des | |
Terrorismus, aber auch zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie und der | |
Bekämpfung der Wirtschaftskrise werden zu einem schwer zu akzeptierenden | |
Dauerzustand. | |
30 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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