| # taz.de -- Regierungserklärung zu Coronamaßnahmen: Ohne Blut-Schweiß-und-Tr… | |
| > Bei der Bundestagsdebatte ist Merkel nüchtern wie immer. Zwischen Union | |
| > und FDP werden Gräben sichtbar, die nicht nur mit dem Virus zu tun haben. | |
| Bild: Die Bundeskanzlerin während der Regierungserklärung zu den Coronamaßna… | |
| Berlin taz | Angela Merkel hat es gerne sachlich. Genauso tritt sie am | |
| Donnerstag im Bundestag auf. Die Zahl der Intensivpatienten, so die | |
| Kanzlerin, habe sich in kurzer Zeit verdoppelt. Die Gesundheitsämter | |
| könnten 75 Prozent der Infektionen nicht mehr nachvollziehen. Risikogruppen | |
| abzuschirmen, wie es die Kassenärztliche Vereinigung vorschlägt, sei keine | |
| Alternative, weil die Gruppe zu groß sei und auch Jüngere schwer erkranken. | |
| Daher sei der jetzige [1][halbe Lockdown] „geeignet, erforderlich und | |
| verhältnismäßig“. Es ist die erwartbar kühle Erörterung, in der die | |
| Fortschritte bei präventiver Testung und die europäische | |
| Impfstoffinitiative gewürdigt werden. Keine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede. | |
| Es ist genau dieser Ton, der die AfD-Fraktion schon nach Sekunden aus der | |
| Fassung bringt. Die Rechtspopulisten brüllen Merkel fast nieder. Als sie | |
| auch die Ermahnung von Wolfgang Schäuble stören, sagt der knapp: „Wenn Sie | |
| den Präsidenten unterbrechen, kriegen Sie gleich Ordnungsrufe.“ Danach | |
| sinkt das Zwischenrufniveau auf Normalmaß. Merkel hebt sogar einmal den | |
| Zeigefinger, was ihr sonst selten unterläuft. | |
| Das ist ein Hinweis darauf, wie nervös die Lage auch die sonst kühle | |
| Kanzlerin macht. Ihr emotionalster Satz lautet: „Der Winter wird schwer. | |
| Aber er wird enden.“ Als Merkel sagt, dass „Verschwörung und Hass nicht nur | |
| die Demokratie beschädigen, sondern auch den Kampf gegen das Virus“, | |
| applaudiert auch die Linksfraktion. | |
| AfD wittert Morgenluft | |
| Die AfD wittert angesichts des verständlichen Verdrusses bei Gastronomie | |
| und Kultur über den November-Lockdown Morgenluft. Alexander Gauland | |
| erneuert seine Idee, gesonderte Einkaufszeiten für Senioren und | |
| Risikogruppen zu schaffen, will Kultur und Restaurants offen lassen und | |
| verweist auf die Kollateralschäden der Anti-Corona-Maßnahmen. | |
| Gauland mischt geschickt kritische Einwände gegen den Lockdown, etwa den | |
| Hinweis, es gäbe keine Belege dafür, dass Theater Infektionsherde seien, | |
| mit populistischen Evergreens. Merkel installiere mit einem | |
| „Notstandkabinett“ eine „Corona-Diktatur auf Widerruf“, die Medien wür… | |
| die arglose Bevölkerung „mit Kriegspropaganda“ in sinnlose Angst und | |
| Schrecken versetzen. Ein anderer AfD-Redner suggeriert, dass die Regierung | |
| bald die Wahlen abschaffen werde. | |
| Wie Linksfraktion und Grüne kritisiert auch FDP-Chef Christian Lindner, | |
| dass der Bundestag nur nachträglich debattieren kann, was [2][Merkel und | |
| die Ministerpräsidenten der Länder entschieden haben]. Erst die Debatte im | |
| Parlament, danach die Entscheidung wäre besser. Damit macht er einen Punkt: | |
| Gerade weil die Maßnahmen anders als im Frühjahr zu Recht kontroverser | |
| debattiert werden, sollte das Parlament mehr mitentscheiden. Das hat auch | |
| Schäuble schon angemahnt, zu Merkels Missvergnügen. | |
| Lindner fragt, welche langfristige Strategie es nach dem November gibt, und | |
| kritisiert die Schließung von Restaurant und Hotels, Fitnessstudios und | |
| Kultur als Aktionismus. Das bringt Ralph Brinkaus, den Fraktionschef der | |
| Union, auf die Palme. Brinkhaus ist ein moderater Redner. Jetzt wird er | |
| laut und gestikuliert. Die Pandemiebekämpfung „als Aktionismus zu | |
| bezeichnen, ist für einen Liberalen unwürdig“, wirft er Lindner vor, „Ihre | |
| Vorgänger hätten sich dafür geschämt“. | |
| Entfremdung zwischen FDP und Union | |
| Brinkhaus zieht einen großen Bogen: Es sei eine historische Aufgabe, zu | |
| zeigen, dass effektive Coronabekämpfung in der Demokratie möglich sei, | |
| nicht nur in einem System wie China. Als er an Solidarität mit Schwächeren | |
| appelliert, die der Pandemie zum Opfer fallen können, klatschen auch Grüne | |
| und manche Linke. | |
| Die Linksfraktion fordert mehr soziale Unterstützung und präzisere | |
| Begründungen für die Maßnahmen. Die grüne Fraktionschefin Katrin | |
| Göring-Eckhardt unterstützt Merkels Maßnahmen hingegen grosso modo. Jedoch | |
| fordert sie, dass das Parlament künftig über Pandemiebekämpfung befinden | |
| muss. | |
| Der Ton ist bei Linken und vor allem den Grünen – anders als bei der FDP | |
| und der AfD sowieso – sachlicher und maßvoller. Der Zank zwischen Lindner | |
| und Brinkhaus, zweien aus Nordrhein-Westfalen, wo FDP und CDU zusammen | |
| regieren, zeigt eine Entfremdung zwischen FDP und Union. Die hat nicht nur | |
| mit Corona zu tun und wird mit dem Virus nicht verschwinden. Erkennbar ist | |
| zudem, wer sich über die Grenzen von Regierung und Opposition hinweg | |
| störungsfrei versteht: Grüne und Union. | |
| 29 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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