| # taz.de -- Corona in Unterkunft für Geflüchtete: Ausbruch mit Ansage | |
| > 70 Geflüchtete, die in Hamburgs Ankunftszentrum lebten, haben sich mit | |
| > dem Coronavirus infiziert. Flüchtlingsorganisationen kritisieren den | |
| > Senat. | |
| Bild: Fahrzeuge der Feuerwehr auf dem Gelände des Ankunftszentrums in Hamburg | |
| Hamburg taz | Es ist das eingetreten, wovor viele schon lange und [1][immer | |
| wieder gewarnt haben]: Im sogenanntem „Ankunftszentrum“ in | |
| Hamburg-Rahlstedt haben sich Dutzende Menschen mit dem [2][Coronavirus] | |
| infiziert. Nachdem der Flüchtlingsrat am Dienstag auf den Ausbruch | |
| [3][aufmerksam gemacht hatte], bestätigte die Innenbehörde, dass es in der | |
| vergangenen Woche mehrere Coronafälle in der Unterkunft gegeben habe. 70 | |
| von 277 Bewohner*innen seien positiv getestet worden. Ein Behördensprecher | |
| sagte am Dienstag, alle Infizierten hätten sehr milde Krankheitsverläufe | |
| oder keine Symptome. | |
| In Rahlstedt leben die Menschen in Hallen. Die einzelnen Zimmer sind durch | |
| Leichtbauwände, die nicht bis zur Decke reichen, abgetrennt. Manche haben | |
| nicht einmal Fenster. Einige Geflüchtete leben dort monatelang. Geflüchtete | |
| selbst und Flüchtlingsorganisationen [4][kritisieren diese Art der | |
| Unterbringung] schon seit Eröffnung der Einrichtung als unzumutbar. | |
| Mit Blick auf die Pandemie verschärfte sich diese Kritik noch einmal. „Wir | |
| haben schon im Frühjahr die Auflösung solcher Lager gefordert“, sagt Heiko | |
| Habbe von der [5][Rechtshilfe und Beratungsstelle Fluchtpunkt]. | |
| „Geflüchtete haben hier kaum eine Chance, sich gegen eine Infektion zu | |
| schützen. Sie sind gezwungen, Schlaf- und Sanitärbereiche miteinander zu | |
| teilen.“ Der Ausbruch in Rahlstedt sei ein Desaster mit Ansage. | |
| Auch der Flüchtlingsrat Hamburg hatte sich bereits im März mit einem | |
| [6][offenen Brief] an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gewandt und | |
| gefordert, die Belegung in den Unterkünften zu entzerren. Die Menschen | |
| müssten in kleineren, dezentralen Unterkünften und Wohnungen untergebracht | |
| werden. | |
| ## Hohes Übertragungsrisiko | |
| Der Flüchtlingsrat kritisiert angesichts des aktuellen Ausbruchs, dass die | |
| Stadt Unterkünfte schließt, statt Menschen aus Sammelunterkünften dorthin | |
| zu verlegen. Das „Lagebild Flüchtlinge“ der Stadt listet aktuell drei | |
| Unterkünfte als Reserve- oder Notfallstandorte auf. Diese sind „außer | |
| Betrieb“, wobei eine der Unterkünfte als Quarantänestandort genutzt wird. | |
| Dass das Übertragungsrisiko in Aufnahmeeinrichtungen und | |
| Gemeinschaftsunterkünften besonders hoch sei, „da hier viele Menschen auf | |
| engem Raum zusammenleben und Wohn-, Küchen-, Ess- und Sanitärräume | |
| gemeinsam nutzen“, schreibt auch das Robert-Koch-Institut in seinen | |
| „[7][Empfehlungen für Gesundheitsämter zu Prävention und Management von | |
| Covid-19-Erkrankungen in Aufnahmeeinrichtungen und | |
| Gemeinschaftsunterkünften für Schutzsuchende]“. | |
| Carola Ensslen, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der | |
| Bürgerschaft, wirft dem Senat vor, grob fahrlässig zu handeln, indem dieser | |
| sämtliche Forderungen nach einer entzerrten Belegung in den Unterkünften | |
| ignoriere. Der Ausbruch in Rahlstedt sei das Resultat dieser Ignoranz. | |
| Ensslen fordert, Erkenntnisse aus Studien und des RKI endlich ernst zu | |
| nehmen. | |
| Das RKI empfiehlt unter anderem „dringend“, die [8][Quarantäne von gesamten | |
| Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften] zu verhindern. Genau | |
| das passiert aber in Rahlstedt. Laut Innenbehörde wurde für alle an dem | |
| Standort untergebrachten Personen vorsorglich Quarantäne angeordnet. Alle | |
| sollen getestet werden. Die mit Corona infizierten Menschen wurden laut | |
| Behörde zu dem extra eingerichteten Quarantänestandort gebracht, ebenso wie | |
| die Kontaktpersonen der Kategorie 1. Sie würden dort isoliert | |
| untergebracht. | |
| Es ist nicht das erste Mal, dass eine solche komplette Quarantäne | |
| angeordnet wird. In der Hamburger Unterkunft Curslacker Neuer Deich standen | |
| nach Auskunft der Sozialbehörde bis zum 17. Oktober 330 Bewohner*innen | |
| unter zwei Wochen andauernder Quarantäne. Neun waren dort insgesamt positiv | |
| getestet und ebenfalls zu einem Quarantänestandort gebracht worden. | |
| ## Behörden lassen Fragen unbeantwortet | |
| Heiko Habbe findet, es sei eine hilflose Maßnahme, die Menschen, die sich | |
| infiziert haben, an einem anderen Standort zu isolieren – „aber die übrigen | |
| lässt man in ihrer Unterkunft in Quarantäne, bis sich der nächste Ausbruch | |
| zeigt“. Das verschärfe das Ansteckungsrisiko noch. | |
| Ein Sprecher der Innenbehörde sagte, es gebe umfangreiche Schutz- und | |
| Vorsorgemaßnahmen für die Menschen im Ankunftszentrum, in den Erstaufnahmen | |
| und in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung. | |
| Welche Maßnahmen die Innenbehörde in Rahlstedt konkret ergriffen hat, um | |
| die Bewohner*innen vor einer Ansteckung und der Verbreitung des Virus zu | |
| schützen, ließ die Behörde auf Anfrage der taz bis Redaktionsschluss aber | |
| unbeantwortet. Die Sozialbehörde, die für die Folgeunterkünfte zuständig | |
| ist, lässt die Frage ebenfalls offen, da diese Teil einer kleinen Anfrage | |
| der Linksfraktion sei, die man erst beantworten wolle. | |
| ## Quarantäne mit Folgen | |
| Dass die Strategie der Stadt, neu ankommende Menschen zu testen und | |
| gegebenenfalls zu isolieren, nicht genüge, war laut Habbe absehbar. „Es war | |
| eine Frage der Zeit, bis sich jemand – im Bus, im Sprachkurs, bei der | |
| Arbeit – infiziert“, sagt er. | |
| Und er verweist darauf, dass die angeordnete Quarantäne für das | |
| Asylverfahren einiger Menschen Folgen haben könnte. Denn als die Quarantäne | |
| in Rahlstedt verhängt wurde, seien Ablehnungsbescheide schon unterwegs | |
| gewesen und nun in der Quarantäne zugestellt worden. „Die Betroffenen | |
| können jetzt weder das Gericht noch Anwält*innen oder Beratungsstellen | |
| aufsuchen und deshalb keinen Rechtsschutz suchen“, sagt er. Er hoffe | |
| darauf, dass eine Regelung mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge | |
| gefunden werde, „aber erst einmal führt das dazu, dass Klagefristen | |
| ablaufen und Bescheide gültig werden“. | |
| 28 Oct 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Lager-Quarantaene-fuer-Gefluechtete/!5670894 | |
| [2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746 | |
| [3] https://www.fluechtlingsrat-hamburg.de/content/mig_271020_Pressemitteilung_… | |
| [4] /Abschiebezentrum-in-Hamburg-Rahlstedt/!5637272 | |
| [5] https://fluchtpunkt-hamburg.de/ | |
| [6] https://www.fluechtlingsrat-hamburg.de/content/Offener_Brief_an_Tschentsche… | |
| [7] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/AE-GU/Aufnahme… | |
| [8] /Schutz-vor-Corona-fuer-Gefluechtete/!5673786 | |
| ## AUTOREN | |
| Marthe Ruddat | |
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