# taz.de -- Gastronomie vor zweitem Lockdown: Die Zeche ist noch offen | |
> Die Schließung der Lokale könnte für die Wirte mehr Geld bedeuten als ein | |
> Weiter-so. Viele Gastronom*innen im Norden lehnen die Maßnahme dennoch | |
> ab. | |
Bild: Die Tische bleiben leer: Trotz ihrer Hygienekonzepte müssen Gaststätten… | |
BREMEN taz | Eigentlich wollten sie ja gegen den Lockdown demonstrieren an | |
diesem Donnerstag, die Bremer Gastronom*innen. Doch jetzt packen die | |
Kneipenwirte und Restaurantbetreiberinnen ihre Demo-Utensilien wieder ein. | |
Bürgermeister Andreas Bovenschulte hat auf ihrer Kundgebung gesprochen. | |
„Schlecht hört sich das nicht an“, meint Peter Kucharski, der die | |
Rockkneipe „Meisenfrei“ betreibt. | |
Der [1][einmonatige Lockdown für die Gastronomie] tritt bundesweit am | |
Montag in Kraft. Dafür, so das Versprechen, fallen die neuen | |
Entschädigungen deutlich großzügiger aus und deutlich unbürokratischer: | |
[2][Lokale sollen 75 Prozent des Umsatzes erhalten], den sie im November | |
2019 erwirtschaftet haben; für neu gegründete Gastrobetriebe soll sich | |
auch noch eine Lösung finden. | |
Für viele könnte das bedeuten, dass es mehr Geld gäbe als in den | |
vergangenen Monaten; mit Abstandsregelungen konnte n[3][ie die normale | |
Gästezahl] erreicht werden. „Wir haben aufgemacht, um den Laden am Laufen | |
zu halten“, sagt Kucharski. „Aber wir hatten immer ein Minus-Geschäft.“ | |
75 Prozent des Umsatzes vom letzten November dagegen dürfte nun unter | |
Umständen sogar ein sattes Plus für viele bedeuten – schließlich haben sie | |
weniger Ausgaben für Lebensmittel. Auch die studentischen Aushilfen, die | |
normalerweise ihre 450 Euro in Kneipen verdienen, müssen nicht beschäftigt | |
werden – und damit auch nicht bezahlt. | |
Doch sollte das tatsächlich so sein, hätten Betriebe, die nur auf | |
Hilfskräfte vertrauen, mehr von dem Geld als solche mit fest angestellten | |
Mitarbeiter*innen. Oder dürfen diese trotz der Hilfsmittel auch noch | |
Kurzarbeit in Anspruch nehmen? | |
Antworten auf solche nicht ganz unwichtigen Detailfragen gibt es noch | |
nicht. „Antragsmodalitäten hängen von der Umsetzung der Beschlüsse durch | |
den Bund ab“, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium in Niedersachsen. | |
In Bremen wird man etwas konkreter: „Wir halten es für wichtig, dass die | |
Hilfen an die Beschäftigten weitergegeben werden“, sagt Kai Stührenberg, | |
Sprecher der dortigen Wirtschaftsbehörde. Beim Bund wolle sich das Land | |
deshalb für eine Lösung einsetzen, nach der von dem Geld auch Gehälter | |
gezahlt werden. | |
Was daraus wird – wer weiß. Es sind Unklarheiten wie diese, die bei vielen | |
Gastronom*innen für Skepsis sorgen. „Im Dezember stehen wir wieder hier“, | |
ruft auf der Bremer Kundgebung ein Wirt. Und tatsächlich: „Versprechen kann | |
ich nicht, dass die Maßnahmen nach dem November beendet sind“, sagt der | |
Bürgermeister. | |
Auf ein anderes Problem weist Christina Klute vom Bremer Restaurant | |
„Flagman“ hin: „Wir haben vor wenigen Tagen Lebensmittel bestellt – die | |
müssen wir jetzt zur Tafel bringen.“ Und ihre Kollegin Tanja Krey ergänzt: | |
„Gerade hatten die Gäste angefangen, unserem guten Hygienekonzept zu | |
trauen. Die Schließung kommt zu einem schlechten Zeitpunkt.“ | |
Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Hamburg hält | |
den neuerlichen Lockdown vor allem für „einen weiteren harten Schlag für | |
die Gastronomie“, so dessen Vorstand Franz Klein. Dass viel Geld bei den | |
Betrieben hängen bleibt, glaube er nicht: „Andere Hilfsmittel fallen dann | |
ja wieder weg.“ Außerdem würden nun alle möglichen Weihnachtsfeiern | |
storniert, aus Unsicherheit. | |
Die gesamte Schließung ist aus Kleins Sicht nicht gerechtfertigt. „Das RKI | |
hat festgestellt, dass die Gastro kein Herd für Ansteckungen ist“, sagt er. | |
Doch die Zahlen des RKI umfassen nur 25 Prozent der Coronafälle – für die | |
übrigen lässt sich keine klare Ansteckungsquelle mehr zuordnen. In Hamburg | |
jedenfalls sei „bekannt, dass viele Ausbrüche direkt oder indirekt auf die | |
Gastronomie zurückgeführt werden konnten“, heißt es aus der dortigen | |
Gesundheitsbehörde. | |
Hinter der Schließung steckt aber wohl ohnehin nicht die Suche nach einem | |
Sündenbock – sondern schlicht der Mangel an Alternativen. „Wir wollen Kitas | |
und Schulen offen lassen. Wo sonst kann man Kontakte reduzieren?“, fragt | |
Bovenschulte auf der Bremer Kundgebung. „Dass wir uns für den Bereich | |
Freizeit entschieden haben, soll keine Bestrafung sein. Die Schließung | |
heißt nicht: Ihr seid Schuld.“ | |
30 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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