# taz.de -- Satire-Thriller „The Hunt“: Alles bloß ein Scherz | |
> In Craig Zobels „The Hunt“ machen reiche Liberale Jagd auf Rednecks. | |
> Trump hatte vorab gegen die Veröffentlichung des Satirestreifen | |
> protestiert. | |
Bild: Betty Gilpin als Ex-Soldatin Crystal, auf der Flucht vor den Liberalen | |
Kurz vor den Präsidentschaftswahlen haben die Menschen in den USA verstärkt | |
Waffen gekauft. Seither nimmt die Angst zu, es könnte nach dem | |
Abstimmungsergebnis womöglich zu blutigen Auseinandersetzungen kommen. | |
[1][Meldungen von geplanten Angriffen auf Wahlzentren wie in Philadelphia, | |
wo die Polizei einschreiten musste], lassen diese Angst begründet | |
erscheinen. | |
Wie einen Vorab-Kommentar könnte man jetzt Craig Zobels Thriller „The Hunt“ | |
verstehen. Erzählt dieser doch von einer Gruppe von anscheinend beliebig | |
zusammengewürfelten US-Amerikanern, die sich unversehens in einer ihnen | |
fremden Landschaft wiederfinden, wo Unbekannte das Feuer auf sie eröffnen. | |
Die Opfer dieser „Jagd“ sind, wie sich bald herausstellt, aber keinesfalls | |
beliebig ausgesucht. Vielmehr erfüllen sie alle das Klischee von | |
unverbesserlichen Rednecks. Sie sind Rassisten, Waffennarren, | |
Verschwörungstheoretiker oder Evangelikale. | |
Als sie in der Wildnis, in der sie ausgesetzt wurden, eine Kiste voller | |
Schusswaffen finden, ist ihr erster Impuls denn auch, sich einzudecken. Den | |
meisten wird die Inanspruchnahme ihres Rechts auf Waffenbesitz, wie die | |
Geschichten in Genrefilmen halt so gehen, allerdings wenig nützen. | |
## Hilary Swank gegen die „deplorables“ | |
Auf der anderen Seite finden sich als „Jäger“ ein paar befreundete reiche | |
Liberale, angeführt von der weitgehend unsichtbaren Athena (eiskalt | |
entschlossen: [2][Hilary Swank]). Jedes Opfer wurde von ihnen seiner | |
Überzeugungen wegen ausgewählt. Sie wollen es diesen [3][„deplorables“, d… | |
„Bedauernswerten“, heimzahlen – ein Seitenhieb auf Hillary Clinton], sie | |
hatte im Wahlkampf 2016 die Anhänger Donald Trumps so genannt. | |
Die Liberalen sind ihrerseits als Karikaturen gezeichnet, sie achten | |
demonstrativ auf korrekten Sprachgebrauch, lehnen das Tragen eines Kimonos | |
als kulturelle Aneignung ab, geben sich selbstgefällig überlegen. Zur | |
Identifikation taugen sie ebenso wenig, schon gar nicht als die | |
empathiefreie Killer, die sie sind. Was sich so verstehen lässt, dass der | |
Film keinerlei politische Stellung bezieht, sondern lediglich alle Seiten | |
zynisch vorführt. | |
Die einzige Figur, die nicht in dieses Schema zu passen scheint, ist | |
Crystal (Betty Gilpin). Die apathische, hagere Frau, Typ White Trash, mit | |
erstaunlichen Nahkampffähigkeiten, ist ehemalige Soldatin. Wie eine solche | |
verhält sie sich auch. Sondiert die Lage, stets auf Feinderkennung bedacht, | |
wittert rechtzeitig Gefahren. Was sich als nützlich erweisen wird. | |
Betty Gilpin spielt diese Frau auf undurchsichtige Weise zwischen stoisch | |
und traumatisiert schwankend. Womit ihr allemal die stärkste Darbietung im | |
Film gelingt. Zugleich versteht man diese Figur am wenigsten. Sie bleibt | |
Außenseiterin, mit einem eisernen Überlebenswillen ausgestattet. | |
## Frau gegen Frau | |
Bis zum Schluss, wenn es zum Showdown Frau gegen Frau kommt, bewährt sie | |
sich als Kriegsmaschine. Landet der Film, der als Satire gedacht sein soll, | |
damit am Ende unerwartet bei einer plumpen Survival-of-the-fittest-Lösung | |
mit feministischem Dreh? | |
In den USA hatte „The Hunt“, der schon 2019 ins Kino hätte kommen sollen, | |
vorab für Kontroversen gesorgt. Nach Berichten, dass Liberale darin | |
Trump-Wähler abknallen, empörten sich Konservative, den US-Präsidenten | |
eingeschlossen. Als es dann zu [4][bewaffneten Anschlägen in den USA] kam, | |
entschied sich Universal, den Start zu verschieben. | |
Jetzt, auf DVD erschienen, wirkt er weniger brisant als auf unheimliche | |
Weise aktuell. Sein drastisches Bild für die Gespaltenheit des Landes kann | |
bestenfalls als abschreckendes Beispiel dienen. Kunstblut fließt hier | |
definitiv mehr als genug. | |
8 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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