# taz.de -- Debatte nach rechter Anti-Corona-Demo: Steinmeier will Polizisten t… | |
> Am Samstag stürmten Nazis bis vor den Bundestag, nun streiten | |
> Politiker*innen über Konsequenzen. Eine Sondersitzung des Ältestenrats | |
> wird beantragt. | |
Bild: Wurde zur Bühne für Rechtsradikale: der Bundestag am Tag nach der Anti-… | |
BERLIN dpa/afp | Nachdem [1][rechte Coronaleugner*innen am Samstag] die | |
Treppen vor dem Bundestag stürmten, soll sich der Ältestensrat des | |
Bundestags jetzt mit der Angelegenheit befassen. Es sei eine „Sondersitzung | |
des Gremiums“ einberufen worden, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil | |
im ARD-“Morgenmagazin“. Es müsse mit dem Berliner Senat geredet werden, wie | |
das Parlament zu schützen sei. | |
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) und die Polizeiführung müssen am | |
Montag (9.00 Uhr) im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses Rede und Antwort | |
stehen zu dem Einsatz bei den Demonstrationen. Im Bundestag wollen SPD- und | |
Unionsfraktion eine Sondersitzung des Ältestenrats beantragen, um Pläne zur | |
Errichtung einer Sicherheitszone am Parlament zu überprüfen. | |
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will zudem Polizist*innen in seinen | |
Amtssitz Schloss Bellevue zum Gespräch empfangen, die am Parlamentsgebäude | |
eingesetzt waren. Dort hatten zunächst nur drei Beamte mit Mühe die | |
andrängende Menge vom Eingang ins Plenargebäude ferngehalten. | |
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) nannte es in den | |
ARD-“Tagesthemen“ „verabscheuungswürdig, was da geschehen ist“. Insges… | |
sei die Berliner Polizei aber mit der Sache „gut fertig geworden“. Er | |
stellte infrage, dass sie besser darauf hätte vorbereitet sein müssen: „Wie | |
wollen sie darauf vorbereitet sein?“, fragte er rhetorisch. Der Deutschen | |
Presse-Agentur hatte Schäuble zuvor gesagt, dass es überhaupt zu dem | |
Angriff habe kommen können, müsse „schnell und umfassend aufgearbeitet | |
werden“. | |
## Müller will Einsatz analysieren | |
Steinmeier und Politiker*innen aller Parteien, auch der AfD, hatten [2][das | |
Vorgehen der Demonstranten] verurteilt. „Reichsflaggen und rechtsextreme | |
Pöbeleien vor dem Deutschen Bundestag sind ein unerträglicher Angriff auf | |
das Herz unserer Demokratie. Das werden wir niemals hinnehmen“, sagte | |
Steinmeier. | |
Er hatte bereits am Sonntag den Polizisten gedankt, „die in schwieriger | |
Lage äußerst besonnen gehandelt haben“. Ähnlich äußerten sich auch Berli… | |
Regierungender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Innensenator Geisel. | |
„Ich danke der Polizei, dass sie diesen Spuk schnell beendet hat“, sagte | |
Geisel. | |
Müller will nun „auswerten, wie das Einsatzkonzept der Polizei verbessert | |
werden kann“. Auf Twitter schrieb er aber auch: „Mit Besonnenheit und einem | |
klare Grenzen setzendem Konzept konnte die Polizei an vielen Stellen in der | |
Stadt Schlimmeres verhindern.“ | |
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch schlug vor, die Polizisten zu ehren, die | |
zunächst allein den Parlamentseingang geschützt hatten. Mit Bezug auf einen | |
der drei, der sich der Menge ohne Helm entgegengestellt hatte, sagte er im | |
ZDF: „Das ist eigentlich jemand, der ein Bundesverdienstkreuz verdient | |
hat.“ | |
## Bannmeile erweitern? | |
Bundespolitiker von CSU und Grünen regten an, die Beschränkungen für | |
Demonstrationen in unmittelbarer Nähe des Bundestags zu erweitern. Der | |
CSU-Rechtspolitiker Volker Ullrich schlug vor, das faktische | |
Demonstrationsverbot nicht mehr nur auf die Sitzungstage des Parlaments zu | |
beschränken – „mit der Möglichkeit, Ausnahmen zuzulassen“, wie er der W… | |
sagte. Auch Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sieht Handlungsbedarf. | |
Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU) hingegen sagte: „Ich sehe keine | |
unmittelbare Notwendigkeit, aufgrund dieses einen zugegebenermaßen | |
unerträglichen und beschämenden Vorfalls die Bannmeile um den Reichstag zu | |
erweitern oder die Regelungen zu verschärfen.“ | |
Nach Polizeiangaben hatten am Samstagabend etwa 300 bis 400 | |
Demonstrant*innen Absperrgitter am Reichstagsgebäude überrannt und sich | |
triumphierend und lautstark vor dem verglasten Besuchereingang aufgebaut. | |
Dabei wurden vor dem Herzstück der Demokratie auch schwarz-weiß-rote | |
Reichsflaggen geschwenkt. Nach einer Weile bekamen die drei ersten | |
Polizisten Verstärkung, und die Beamt*innen drängten die Menschen auch mit | |
Pfefferspray zurück. | |
Zuvor hatten nach Schätzungen der Polizei knapp 40.000 Menschen aus ganz | |
Deutschland [3][gegen die Coronapolitik demonstriert]. Insgesamt waren laut | |
Polizei noch deutlich mehr Demonstrant*innen bei weiteren Veranstaltungen | |
in der Innenstadt unterwegs. Am Rande kam es zu Stein- und Flaschenwürfen | |
von „Reichsbürgern“ und Rechtsextremisten auf Polizisten. | |
## Oppermann riet von Verbot ab | |
Bei den Demonstrationen wurden laut Polizei am Samstag 33 Polizisten | |
verletzt. 316 Menschen wurden festgenommen, 131 angezeigt. Insgesamt waren | |
3.000 Polizist*innen eingesetzt. | |
Coronagegner*innen scheiterten am späten Sonntagabend mit dem Versuch, beim | |
Bundesverfassungsgericht ein Protestcamp auf der Straße des 17. Juni | |
durchzusetzen. Zuvor hatte bereits das Oberverwaltungsgericht Berlin ein | |
Verbot der Versammlungsbehörde bestätigt. Die Karlsruher Richter*innen | |
sahen den Infektionsschutz nicht gewährleistet. | |
Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann riet davon ab, die vielfach | |
gezeigten Reichsflaggen zu verbieten. Die mit Hakenkreuz seien verboten, | |
sagte er der Rheinischen Post (Montag). „Alle Varianten und Spielarten | |
dieser Flagge strafbewehrt zu verbieten wäre unverhältnismäßig und kein | |
geeignetes Instrument zur Bekämpfung rechten Gedankenguts.“ | |
31 Aug 2020 | |
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