# taz.de -- Debatte nach Corona-Protest am Reichstag: Wo war die Polizei? | |
> Vor dem Reichstag waren genug Beamte, sagt Berlins Polizeipräsidentin. | |
> Aber nicht mehr, als sie von zwei Seiten in die Zange genommen wurden. | |
Bild: Polizeieinsatz vor dem Reichstag am 29.08 | |
BERLIN taz | Warum konnten rund 400 Neonazis und ReichsbürgerInnen [1][am | |
Samstagabend die Treppe vor dem Deutschen Bundestag] entern und dort für | |
einige Augenblicke [2][ihre Fahnen schwenken]? Warum mussten anfangs nur | |
drei Polizisten diesen Ort der Demokratie, dieses Symbol für die | |
freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik verteidigen? | |
Fast drei Stunden lang debattierte der Innenausschuss des Berliner | |
Abgeordnetenhauses am Montagmorgen über diese Fragen und den Verlauf der | |
von Corona-LeugnerInnen angemeldeten Demonstrationen. Doch viele Fragen | |
blieben am Ende offen. | |
„Es waren genug Einsatzkräfte am Reichstag vorhanden“, betonte Berlins | |
Polizeipräsidentin Barbara Slowik in der Sitzung mehrfach. Um zugleich | |
einzugestehen, dass „die Macht der Bilder zählt“. Damit meinte sie die | |
weltweite Wirkung der Fotos von Menschen mit Reichsflaggen unter dem Satz | |
„Dem deutschen Volke“. | |
Laut Slowik waren ab 18.45 Uhr zahlreiche Demonstrierende von dem | |
gewalttätigen Protest vor der nahe gelegenen russischen Botschaft Richtung | |
Reichstag geströmt. Mehrfach sei daraufhin versucht worden, Absperrgitter | |
zu überwinden. Doch der Polizei sei es gelungen, die „Lage immer wieder zu | |
stabilisieren“. | |
Gegen 19 Uhr jedoch hätten sich rund 2.000 Menschen vor dem Sitz des | |
Bundestags befunden. Als dann [3][von einer Bühne direkt davor eine | |
Rednerin dazu aufrief, auf die Reichtstagstreppe zu stürmen], sei der Druck | |
von zwei Seiten auf die Absperrungen vor allem von Reichsbürgern und | |
„selbsternannten Patrioten“ zu groß geworden, so Slowik. Zwar habe die | |
Polizei sofort 250 weitere Einsatzkräfte zusammengezogen und „binnen | |
weniger Minuten die Situation aufgelöst“. Doch die Bilder der Neonazis vor | |
dem Reichstag waren da schon in der Welt. „Wir werden den Einsatz sehr | |
genau nacharbeiten“, kündigte Slowik an. | |
Innensenator Andreas Geisel (SPD) verteidigte [4][erneut den Versuch, die | |
Demonstrationen] zu verbieten. Die 35.000 bis 38.000 Menschen, die | |
teilweise aus dem europäischen Ausland angereist waren, hätten nicht gegen | |
einzelne Maßnahmen gegen die Pandemie protestiert, sondern gegen die | |
Demokratie selbst. Die Bilder und die Verstöße gegen die Abstands- und | |
Hygieneregeln zeigten laut Geisel, dass die Berliner Versammlungsbehörde | |
mit ihrer Einschätzung zum Verbot am Mittwoch richtig gelegen habe. Es war | |
[5][von zwei Verwaltungsgerichten aufgehoben worden]. | |
Die konservative Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus hingegen ging | |
Geisel scharf an: Sie warf ihm Dilettantismus und Parteilichkeit vor. | |
Geisel habe in den Tagen vor dem Protest klar gemacht, dass er die | |
„Gesinnung der Anmelder“ nicht teilt und damit das Verwaltungsgericht | |
regelrecht dazu eingeladen, das Verbot aufzuheben, sagte CDU-Fraktionschef | |
Burkard Dregger. Das gescheiterte Verbot habe den Verschwörungstheoretikern | |
Fakten für neue krude Theorien an die Hand gegeben. Geisel sei dem Amt | |
nicht gewachsen, sagte Dregger. | |
31 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Reaktionen-auf-die-Corona-Proteste/!5710612 | |
[2] /Demonstration-gegen-Corona-Regeln/!5706392 | |
[3] https://twitter.com/immer_bereit/status/1300294157563461634 | |
[4] /Protest-von-Coronaleugnern-in-Berlin/!5710385 | |
[5] /Coronaleugner-in-Berlin/!5710531 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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