# taz.de -- Parlament debattiert über Demonstration: Geisel unter Druck | |
> Der SPD-Innensenator muss sich im Parlament Kritik an Ab- und Vorlauf der | |
> Corona-Demonstration anhören – in leiseren Tönen auch aus der Koalition. | |
Bild: Aus AfD-Sicht sollte er wegen der Corona-Demo einpacken – macht er aber… | |
Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat sich im Abgeordnetenhaus auch aus der | |
eigenen rot-rot-grünen Koalition kritische Worte zum Polizeieinsatz bei der | |
Coronademonstration am Samstag und seiner gerichtlich gescheiterten | |
Verbotsverfügung anhören müssen. SPD-Fraktionschef Raed Saleh sagte, | |
vielleicht habe es „handwerkliche Fehler beim Demonstrationsgeschehen“ | |
gegeben, die aufzuklären seien. Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek teilte | |
die Haltung der Opposition, die Verbotsdebatte habe die Stimmung | |
aufgeheizt. Geisel selbst verteidigte sein Vorgehen: „Das Verbot war keine | |
Entscheidung gegen die Versammlungsfreiheit, sondern für den | |
Gesundheitschutz.“ | |
Vor- und Ablauf der von Rechtsextremen und Reichsbürgern unterwanderten | |
Demonstration gegen die Coronaregeln waren am Donnerstag im Landesparlament | |
der zentrale Punkt in einer von der AfD-Fraktion beantragten Debatte zur | |
Sicherheitslage in Berlin. Dabei hielt AfD-Fraktionschef Georg Pazderski | |
Geisel und der Koalition vor, Zehntausende friedliche Coronademonstranten | |
würden vorsätzlich kriminalisiert und stigmatisiert. Zu den gewalttätig | |
gewordenen Demonstranten sagt er: „Das sind Verwirrte, die jetzt politisch | |
benutzt werden, um von der Unfähigkeit eines maßlos überforderten | |
Innensenators abzulenken.“ Pazderski bezeichnete Geisel wegen dessen | |
Parteimitgliedschaft zu DDR-Zeiten als „alten SED-Kader“ und forderte ihn | |
zum Rücktritt auf. | |
CDU-Fraktionschef Burkard Dregger gestand Geisel zwar zu, es habe gute | |
Gründe für ein Demoverbot gegeben. Aber mit einer schlechten Begründung für | |
das Verbot habe er zur Mobilisierung beigetragen. „Herr Innensenator, an | |
Ihrer Haltung habe ich nichts auszusetzen“, sagte Dregger, „an Ihrer | |
mangelnden Professionalität schon.“ Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, | |
dass nach liebsamen und unliebsamen Demonstrationen unterschieden werde. | |
Dregger kritisierte aber auch die Demonstranten, die Einschränkungen von | |
Freiheiten beklagen: „Sehen Sie nach Russland, sehen Sie nach Weißrussland, | |
nehmen Sie die Realität wahr: Deutschland ist das freiheitlichste und | |
humanste Land dieser Erde.“ | |
## Kapek fordert Zivilcourage | |
Paul Fresdorf von der FDP, nach eigenen Worten zusammen mit seinem | |
SPD-Freund Saleh in beider Heimatbezirk Spandau entschiedener Gegner | |
rechtsextremer Umtriebe, fragte Geisel, warum der einer Linie abgewichen | |
sei, die er 2017 bei einer Rudolf-Heß-Demonstration von Rechtsextremen | |
verfolgte. Da habe Geisel zur Frage nach einem Verbot in einem Interview | |
gesagt, man habe „die freiheitlich-demokratische Grundordnung geprüft und | |
festgestellt, dass sie auch für Arschlöcher gilt“. Dieses Recht ende dann, | |
wenn es zu Gewalt kommt, sagte Fresdorf, „aber erst da ist die Grenze und | |
nicht vorher.“ | |
Grünen-Fraktionschefin Kapek fordert von jedem Einzelnen, die Demokratie zu | |
schützen – „das ist nicht allein Aufgabe der Polizei.“ Zivilcourage zu | |
zeigen sei nicht immer leicht, „aber es ist dringend nötig.“ Sie warnte | |
davor, als Reaktion auf die Vorfälle am Samstag Parlamente jetzt hermetisch | |
abzuriegeln. „Der Bundestag ist keine Festung.“ Sie rief stattdessen zu | |
einer Menschenkette zum Schutz der Institutionen auf. | |
Die eigentliche Gefahr für die Demokratie sah Kapek nicht in Rechtsextremen | |
auf den Stufen des Reichstags, „nein, das sind die Faschisten in den | |
Parlamenten“. Von der CDU forderte sie mehr Abgrenzung zur AfD, deren | |
Fraktionschef kritisierte sie dafür, Rechts- und Linksextremismus | |
gleichzusetzen. | |
## Geisel: Demokratie wankt nicht | |
Innensenator Geisel wies den Vorwurf zurück, er habe Reichsbürger und | |
Rechtsextreme radikalisiert. „Die braucht man nicht zu radikalisieren, die | |
sind schon radikal genug – Sie haben ja hier Herrn Pazderski gehört“, sagt | |
er mit Verweis auf die Eingangsrede des AfD-Fraktionschefs. Zu den | |
Reichsflaggen auf den Stufen des Bundestagsgebäudes sagte er: „Das ist | |
nicht gut gelaufen – aber 40 Reichsflaggen bringen die Demokratie nicht zum | |
Wanken.“ | |
3 Sep 2020 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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