# taz.de -- Aufnahme Geflüchteter nach Moria-Brand: Seehofer beansprucht Lorbe… | |
> Innenminister Seehofer lobt sich für die Aufnahme von 1.500 | |
> Flüchtlingen. SPD-Vize Kevin Kühnert hält das „nur für einen | |
> Zwischenschritt“. | |
Bild: Geflüchtete auf Lesbos nach dem Brand des Lagers Moria | |
BERLIN taz | Angela Merkel und ihre MinisterInnen haben am Mittwoch nicht | |
[1][über Lesbos] geredet, sondern lieber über den Stand der deutschen | |
Einheit. Es gab im Kabinett zwischen SPD und Union, laut CSU-Innenminister | |
Horst Seehofer, „Übereinstimmung bei Moria“ – und keinen Diskussionsbeda… | |
Alles offenbar harmonisch und bestens geregelt. | |
Die Koalition hatte sich am Dienstag auf die Aufnahme von 1.553 | |
Geflüchteten geeinigt. Dabei geht es um 408 Familien, die bereits als | |
Schutzbedürftige anerkannt. sind. Sie sollen von fünf griechischen Inseln | |
kommen. Woher genau, entscheide die griechische Regierung, die die Familien | |
aussuche. Es würden vermutlich „auch Personen aus der ehemaligen | |
Einrichtung Moria kommen“, so ein Sprecher des Innenministeriums. Eine | |
konkrete Zahl kenne man nicht. | |
Bislang hatte Griechenland [2][strikt abgelehnt, dass weitere Geflüchtete | |
die Insel Lesbos verlassen], auf der das in der vergangenen Woche | |
abgebrannte Lager Moria liegt, denn die Griechen befürchten einen | |
Nachahmungseffekt. Seehofer beteuert, alles sei mit der griechischen | |
Regierung abgestimmt. | |
Die Geflüchteten sollen rasch und nach einer Gesundheits- und | |
Sicherheitsüberprüfung nach Deutschland gebracht werden. Mitarbeiter des | |
Innenministeriums seien bereits auf dem Weg nach Griechenland. Einen | |
konkreten Zeitplan aber gibt es noch nicht. Laut Seehofer werden die | |
Geflüchteten nicht in Asylbewerberheimen untergebracht, sondern in | |
Wohnungen, um eine schnelle Integration zu ermöglichen. | |
## Wer war's denn nun? | |
Ende vergangener Woche war nur die Rede davon gewesen, 400 Minderjährige in | |
der EU aufzunehmen, davon 150 in Deutschland. Diese Ankündigung war auf | |
scharfe Kritik der SPD gestoßen. CSU-Minister Gerhard Müller nannte die | |
Zahl von 2.000 Flüchtlingen, die die Bundesrepublik auch ohne europäische | |
Verteilung aufnehmen sollte. „Das hat keinen Einfluss gehabt“, so Seehofer | |
in der Fragestunde im Bundestag. | |
Der Innenminister sieht sich als einziger Architekt der jetzigen Maßnahme. | |
Er sei „der einzige Innenminister in Europa, der eine humanitäre Lösung | |
vorgeschlagen hat“. Deutschland könne „stolz“ auf ihn sein. Er habe | |
keineswegs auf Druck von außen reagiert, sondern schon Ende letzter Woche | |
angekündigt, dass auf die 150 Minderjährigen aus Griechenland noch ein | |
zweiter Schritt folgen werde. SPD-Chefin Sakia Esken sieht die Lorbeeren | |
weniger bei Seehofer: „Die SPD hat sich mit Erfolg dafür eingesetzt, dass | |
Deutschland diesen eigenständigen Beitrag leistet“, so Esken zur taz. | |
Insgesamt wird Deutschland in diesem Jahr demnach 2.750 Flüchtlinge aus | |
Griechenland aufnehmen. Zu den 1.553 Menschen und jenen 150 minderjährigen | |
Geflüchteten kommen noch 928 unbegleitete Minderjährige sowie kranke Kinder | |
hinzu, deren Aufnahme die Bundesregierung bereits im März im Rahmen einer | |
europäischen Aktion angekündigt hatte. | |
Diese Gruppe ist laut Innenministerium inzwischen auf über tausend | |
angewachsen. Über 500 von ihnen seien bereits in Deutschland. Laut Seehofer | |
werden im Jahr 2020 weniger als 100.000 Flüchtlinge nach Deutschland | |
kommen. Deutschland will, so Seehofer, von der EU kontrollierte Hotspots | |
für Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen, die dann innerhalb der EU verteilt | |
werden. Der CSU-Mann ist auf die EU schlecht zu sprechen, weil alle | |
Versuche, sich auf einen Verteilungsschlüssel zu einigen, derzeit blockiert | |
erscheinen. „Was die EU abgeliefert hat, ist absolut armselig“, so | |
Seehofer. | |
Die Grüne Franziska Brandtner kritisierte, dass der Plan der | |
Bundesregierung, Flüchtlinge in Lagern an der EU-Außengrenze zu | |
konzentrieren, Teil des Problems sei. Denn die EU-Südländer lehnten dies | |
mit guten Gründen ab. Sie befürchten, auch wenn Schutzbedürftige in der EU | |
verteilt werden könnten, eine Fortsetzung des jetzigen Elends: Dann blieben | |
sie vor Ort für die Abgelehnten zuständig. | |
Kritik an Seehofer kam auch vom Koalitionspartner SPD. Parteivize Kühnert | |
hält die Aufnahme von 1.553 Flüchtlingen „selbstverständlich nur für einen | |
Zwischenschritt“. Die SPD wolle, dass alle „aus dieser menschenunwürdigen | |
Situation schnellstmöglich herausgeholt werden“. Seehofer müsse endlich | |
Bundesländern und Kommunen erlauben, Flüchtlinge aufzunehmen, „anstatt über | |
Menschen in hilfloser Situation wie auf einem Markt zu verhandeln“, so | |
Kühnert zur taz. Das lehnte Seehofer im Bundestag rigoros ab. Es gebe mit | |
Kommunen und Länder nichts zu verhandeln. „Der Bund ist zuständig.“ | |
16 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
Sabine am Orde | |
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