| # taz.de -- Karstadt-Deal des Berliner Senats: Linkspartei stimmt dagegen | |
| > Die Kritik am Karstadt-Deal nimmt zu: Die Linke lehnt die Baupläne des | |
| > Investors ab. Zahlreiche Initiativen kritisieren Rot-Rot-Grün scharf. | |
| Bild: Nicht schön, aber irgendwie beliebt: Karstadt am Hermannplatz | |
| Berlin taz | Der Gegenwind für den [1][umstrittenen Karstadt-Deal] des | |
| rot-rot-grünen Senats entwickelt sich langsam zum Sturm. Am Samstag sprach | |
| sich [2][die Linke auf ihrem Parteitag] mit sehr großer Mehrheit gegen die | |
| protzigen Baupläne des Karstadt-Eigners Signa am Kreuzberger Hermannplatz, | |
| am Alexanderplatz und in der City West aus. Kultursenator Klaus Lederer, | |
| zugleich aussichtsreichster Kandidat auf die Spitzenkandidatur der | |
| Linkspartei bei der nächsten Wahl 2021, hatte die Vereinbarung zuvor | |
| verteidigt. | |
| Am Samstag hat zudem ein Bündnis aus zahlreichen wohnungspolitischen und | |
| linken Initiativen die Koalition unter anderem wegen dieses Deals scharf | |
| kritisiert. Sie werfen Rot-Rot-Grün vor, vorzugeben, „eine alternativlose | |
| Regierung für eine vielfältige Gesellschaft zu sein, und trotzdem oftmals | |
| nach den Pfeifen von Superreichen“ zu tanzen. | |
| Anfang August hatten die drei wichtigsten VertreterInnen des Senats – der | |
| Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), Wirtschaftssenatorin Ramona | |
| Pop (Grüne) und Klaus Lederer – in einer pompösen Inszenierung einen | |
| „Letter of Intent“ mit dem Eigentümer der Karstadthäuser Signa | |
| unterzeichnet. Diese Abmachung sieht vor, dass Signa vier der sechs von der | |
| Schließung bedrohten Berliner Karstadthäuser mindestens weitere drei Jahre | |
| betreibt und entsprechende Arbeitsplätze erhält. | |
| Im Gegenzug sichert der Senat dem Investor Unterstützung bei drei geplanten | |
| umfangreichen Bauprojekten zu. Umstritten ist dabei vor allem der Abriss | |
| und Neubau des Karstadt-Kaufhauses am Hermannplatz. Da der Bezirk | |
| Friedrichshain-Kreuzberg diese Pläne ablehnt, soll er laut der Vereinbarung | |
| entmachtet und die Planungen vom Senat – konkret: vom gerade erst ernannten | |
| [3][linken Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel] – an sich gezogen | |
| werden. | |
| Der Parteitagsbeschluss verbietet dies Scheel nun ausdrücklich. Dem Bezirk | |
| die Zuständigkeit zu entziehen wäre ein Affront, wurde der Antrag unter | |
| anderem begründet. Stattdessen sprachen sich die Delegierten mit nur | |
| wenigen Gegenstimmen für eine „behutsame Stadtentwicklung“ am Hermannplatz | |
| sowie an den anderen beiden Standorten aus, an denen Hochhäuser entstehen | |
| sollen. Via Twitter forderte der Bundestagsabgeordnete und | |
| Friedrichshain-Kreuzberger Linkenchef Pascal Meiser die Landesgrünen auf, | |
| ebenfalls einen solchen Beschluss anzustreben. | |
| Der – rechtlich unverbindliche – „Letter of Intent“ hatte schon kurz na… | |
| Unterzeichnung für Unruhe bei Linken und Grünen gesorgt. „Schamlos | |
| ausgenutzt“ habe Signa die Krise im eigenen Unternehmen, hatte die linke | |
| Abgeordnete [4][Katalin Gennburg der taz gesagt], und kritisiert, der Senat | |
| habe sich über den Tisch ziehen lassen. „So billig hat in dieser Stadt noch | |
| keiner einen Hochhausstandort geschenkt bekommen“, so Gennburg. | |
| Scharfe Kritik kam auch von der Kreuzberger Grünen-Abgeordneten Katrin | |
| Schmidberger. Laut rbb haben vergangene Woche zudem acht linke und grüne | |
| Politiker aus Friedrichshain-Kreuzberg einen Protestbrief an den | |
| Regierenden Bürgermeister geschickt. | |
| Ähnlich äußerte sich [5][das Bündnis wohnungspolitischer Initiativen]: „W… | |
| fordern die Abgeordneten der rot-rot-grünen Koalition und insbesondere den | |
| neuen Senator für Stadtentwicklung, Sebastian Scheel auf, das Signa-Projekt | |
| am Hermannplatz zu stoppen und die unverbindliche, rechtlich fragwürdige | |
| Absichtserklärung aufzulösen“, schreiben sie in dem Aufruf für eine | |
| Kundgebung Anfang September am Hermannplatz. | |
| Aktueller Anlass für den Protest sind laut den Iniativen neben dem | |
| Karstadt-Deal die [6][Räumung der Neuköllner Kiezkneipe Syndikat] Anfang | |
| August und die bekannt gewordenen neuesten Ermittlungspannen bei der | |
| erfolglosen Aufklärung mutmaßlich rechter Anschläge in Neukölln, heißt es | |
| weiter in dem Aufruf, unterzeichnet unter anderem von Bizim Kiez, Kotti & | |
| Co sowie Deutsche Wohnen & Co enteignen! | |
| Der Sprecher der letzteren Initiative, Rouzbeh Taheri, warnte in einem | |
| Gastbeitrag auf dem Linkenparteitag davor, dass der Deal andere Unternehmen | |
| ermuntere, ebenfalls die Landesregierung unter Druck setzen zu wollen. „Wir | |
| wissen doch, Erpressungen hören nicht nach dem ersten Mal auf.“ Er kündigte | |
| an: „Wir werden diesen Deal mit allen Mittel der Zivilgesellchaft | |
| bekämpfen.“ Taheri erhielt dafür lauten Applaus. | |
| Kultursenator Lederer hatte kurz zuvor den Deal verteidigt. „Wir haben uns | |
| entschieden, vor allem Frauen über 50 vor der Arbeitslosigkeit zu | |
| bewahren“, sagte er. „Manchmal sind die Zwickmühlen real und trotzdem muss | |
| gehandelt werden.“ Der Skandal sei nicht die Entscheidung von Rot-Rot-Grün, | |
| sondern dass ein solches Unternehmen die Politik zu einer solchen | |
| Entscheidung zwingen kann. Er betonte jedoch, der Deal sei „kein | |
| Freifahrtschein für Signa, die eigenen Renditeträume umzusetzen“. | |
| Die linke Landeschefin Katina Schubert sprach auf dem Parteitag von | |
| Erpressung durch Signa; sie befürchtet eine Zerschlagung der | |
| Gewerbestruktur, sollte Signa seine Pläne am Hermannplatz umsetzen. | |
| Schubert sprach sich aber nicht dafür aus, den „Letter of Intent“ zu | |
| kippen. „Jetzt kommt es darauf an, in den Verhandlungen mit Signa Lösungen | |
| zu finden, die die befürchteten Verdrängungsprozesse unterbinden.“ | |
| ## Bald landeseigene Kaufhäuser? | |
| Gleichzeitig glauben beide offenbar nicht an ein langfristiges Überleben | |
| der Karstadthäuser: Lederer, Schubert sowie weitere RednerInnen forderten | |
| darüber nachzudenken, auch Kaufhäuser kommunal zu betreiben, um die | |
| Nahversorgung der AnwohnerInnen sicher zu stellen, wenn die Eigentümer dies | |
| künftig nicht mehr wollten. | |
| 23 Aug 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Senat-macht-Zugestaendnisse-an-Konzern/!5701663 | |
| [2] /Parteitag-der-Berliner-Linken/!5708992 | |
| [3] /Stadtentwicklungssenator-Scheel/!5702689 | |
| [4] /Linke-Politikerin-ueber-Karstadt-Deal/!5700089 | |
| [5] http://www.bizim-kiez.de/blog/2020/08/22/ini-statement-r2g-signa-deal/ | |
| [6] /Reaktionen-auf-Syndikats-Raeumung/!5705913 | |
| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
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