# taz.de -- Reaktionen auf Syndikats-Räumung: „Martialischer Polizeieinsatz�… | |
> Nach dem Polizeieinsatz um die Berliner Szenekneipe fordert die Linke | |
> einen anderen Umgang mit bedrohten Projekten. Nimmt ihr das noch jemand | |
> ab? | |
Bild: Heftiger Einsatz: Polizei am Freitag bei der Räumung des Syndikats | |
BERLIN taz | Nach der [1][Räumung der linken Szenekneipe Syndikat] in | |
Berlin-Neukölln bemühen sich linke und grüne Politiker*innen um | |
Schadensbegrenzung. Dass das Syndikat dicht sei, sei „eine Niederlage für | |
die Politik“, schrieb der Linkspartei-Abgeordnete und Innenpolitikexperte | |
Niklas Schrader auf Twitter. Den dafür nötigen Polizeieinsatz bezeichnete | |
er als martialisch. | |
Schrader forderte einen anderen Umgang mit bedrohten Projekten. Dazu | |
„müssen [wir] in der Koalition erneut in die Auseinandersetzung gehen“. | |
Übersetzt heißt das: in Konfrontation zur SPD und deren Innensenator | |
Andreas Geisel. | |
Der Landesgeschäftsführer der Linkspartei, Sebastian Koch, erklärte, der | |
„irre Polizeieinsatz“ sei nicht zu entschuldigen. Es schmerze, dass „Berl… | |
bei Gerichtsbeschlüssen keine echten Mittel zur Verhinderung von Räumungen | |
mehr hat“, schrieb Koch auf Twitter. | |
Für den grünen Neuköllner Abgeordneten Georg Kössler (Grüne) sind Bezirk | |
und Land nun in der Pflicht, neue Räume für bedrohte Projekte zu suchen und | |
zu finden. Wie viele andere Politiker*innen der Koalition zuvor forderte | |
auch er eine Überarbeitung des Gewerbemietrechts. | |
Die Kneipe Syndikat bestand seit 35 Jahren. Sie hatte sich auch als | |
Nachbarschaftstreff in dem über viele Jahre sehr armen Kiez etabliert. Seit | |
2018 war sie ohne Mietvertrag; die rechtlichen Möglichkeiten, eine Räumung | |
zu verhindern, waren ausgeschöpft. Eigentümer ist eine [2][dubiose | |
Briefkastenfirma namens Pears Global], die in Berlin mehr als 3.000 | |
Wohnungen besitzt, wie Recherchen des Syndikat-Kolletivs ergaben. Damit | |
liegt die Firma sogar über der Grenze für Vergesellschaftungen, wie sie das | |
Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. enteignen plant. | |
Mehrere tausend Unterstützer*innen hatten seit Donnerstagabend dennoch | |
versucht, die Räumung zu verhindern. Die Polizei setzte sie mit einem | |
Großaufgebot von rund 700 Beamten, dem Einsatz von Hubschraubern und | |
Lichtmasten sowie einer [3][weiträumigen Absperrung des Kiezes] seit | |
Donnerstagmittag durch. Mehr als 40 Menschen wurden festgenommen. | |
Die Grüne Jugend Neukölln nannte den Einsatz der Polizei unverhältnismäßig. | |
„Die angemeldeten Kundgebungen – auch unsere eigene – wurden massiv | |
beschränkt“, schrieb deren Sprecherin Philine Niethammer in einer | |
Mitteilung. Selbst in Rückzugsorte sei die Polizei unrechtmäßig | |
eingedrungen. „All das reiht sich ein in eine lange Nacht voller | |
Polizeigewalt und Willkür.“ | |
## Weitere Proteste angekündigt | |
Für den frühen Freitagabend um 17 Uhr wird zu einer erneuten Demo am | |
Herrfurthplatz aufgerufen; eine Spontandemo um 21 Uhr soll folgen. Es | |
könnte eine ungemütliche Nacht werden. | |
Die Räumung trifft das rot-rot-grüne Berliner Regierungsbündnis am Ende | |
einer schwierigen Woche. Sonntagnacht war Stadtentwicklungssenatorin Katrin | |
Lompscher (Linke) zurückgetreten, weil sie fälschlicherweise Bezüge für | |
Aufsichtsratsposten bekommen und nicht versteuert hatte. | |
Am Montag verkündete der Senat einen Deal mit dem Kaufhauskonzern Karstadt, | |
der in der Folge von Grünen und Linken heftig kritisiert wurde. Am Mittwoch | |
schließlich wurde bekannt, dass die seit Jahren ergebnislosen Ermittlungen | |
in einer mutmaßlich rechten Terrorserie in Neukölln wahrscheinlich von | |
mindestens einem befangenen Staatsanwalt massiv behindert wurden. | |
All das dürfte zu einem Vertrauensverlust der Koalition insbesondere in | |
Kreisen der Initiativen führen, die sich unter einer linken Regierung ein | |
anderes Vorgehen vorstellen. In gut einem Jahr sind Wahlen zum | |
Abgeordnetenhaus; bis dahin wollte die Koalition noch eine ganze Reihe von | |
Projekten umsetzen. Auch das könnte dürfte nach dieser Woche schwieriger | |
geworden sein. | |
Die Initiative Deutsche Wohnen und Co. Enteignen – sprich auch Pears Global | |
– kündigte unterdessen an, ab Februar mit der Sammlung von Unterschriften | |
für das Volksbegehren zu beginnen. Ein Entscheid könnte parallel zur | |
Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 stattfinden. | |
Korrektur: In einer früheren Version des Textes wurde Philine Niethammer | |
als Sprecherin der Grünen Jugend Berlin bezeichnet. Sie ist aber die | |
Sprecherin der Grünen Jugend Neukölln. | |
7 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Raeumung-der-Kneipe-Syndikat-in-Berlin/!5705833 | |
[2] /Raeumungsprozess-gegen-Kneipe-Syndikat/!5633768 | |
[3] /Bannmeile-um-Berliner-Kneipe-Syndikat/!5705588 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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