| # taz.de -- Räumung der Kneipe „Syndikat“ in Berlin: Letzte Runde, doch di… | |
| > Eine ganze Nacht lang hatten Unterstützer*innen versucht, die Räumung zu | |
| > verhindern. Vergeblich: Die Polizei hatte Neukölln komplett abgesperrt. | |
| Bild: Alles versucht: am Donnerstag demonstrierten hunderte Menschen gegen die … | |
| Berlin taz | Soeben hat die Nachricht die Runde gemacht, dass der | |
| Gerichtsvollzieher um 8.30 Uhr die Kiezkneipe Syndikat in Berlin-Neukölln | |
| erreicht hat, da eskaliert für wenige Minuten die Lage an der | |
| Polizeiabsperrung in der Weisestraße. Polizist*innen schubsen | |
| Demonstrant*innen, schlagen und versprühen Pfefferspray. Die Antwort | |
| Pyrotechnik, vereinzelte Flaschenwürfe und wütende Chöre. | |
| Es ist der Moment, in dem der lange Kampf ums Syndikat verloren ist. Die | |
| ganze Nacht hatten Demonstrant*innen Stellung gehalten, ab morgens kamen | |
| hunderte dazu. Eine Sitzblockade auf der Hermannstraße, Materialbarrikaden, | |
| volle Kundgebungen – doch die Blockade des Gerichtsvollziehers blieb eine | |
| unlösbare Aufgabe. | |
| Das Syndikat ist keine gewöhnliche Kneipe. Es ist ein Nachbarschaftstreff | |
| und seit 35 Jahren eine Institution der linken Szene in Neukölln. Der | |
| Mietvertrag war Ende 2018 ausgelaufen, aber das Kollektiv hatte sich | |
| geweigert, die Räumlichkeiten zu verlassen. | |
| Stattdessen deckte es auf, dass hinter ihrer nicht ansprechbaren | |
| Eigentümerfirma, die lediglich einen Briefkasten in Luxemburg unterhält, | |
| [1][ein Londoner Immobilienimperium steht]. Recherchen ergaben, dass Pears | |
| Global über viele verschiedene Scheinfirmen mehr als 3.000 Wohnungen in der | |
| Stadt gehören. Von einer möglichen Enteignung der großen | |
| Immobilienkonzerne, wie sie [2][derzeit eine Volksbegehren in Berlin | |
| einforder]t, wäre somit auch Pears Global betroffen. Der Protest gegen die | |
| Räumung wurde so auch zum Symbol für den Einsatz gegen Gentrifizierung | |
| schlechthin. Und die Räumung dürfte zum Problem für die rot-rot-grüne | |
| Regierungskoalition in Berlin werden. | |
| ## Lilafarbene Rauchtöpfe | |
| Exakt um 8.34 Uhr steigt der Gerichtsvollzieher aus einem Polizeivan. | |
| Zunächst versucht er, über den Hinterhof ins Syndikat einzudringen. Als | |
| sich auf der Kundgebung 40 Meter weiter herumspricht, dass der | |
| Gerichtsvollzieher da ist, eskaliert die Situation kurz. Ein lilafarbener | |
| Rauchtopf geht hoch und Demonstrierende versuchen, über die Absperrung zu | |
| kommen. Allerdings erfolglos: Die behelmte 13. Hundertschaft der | |
| Bereitschaftspolizei drängt die Demonstrant:innen weg und nimmt einen Punk | |
| mit grünen Haaren fest. | |
| Die Demo tobt. Die Wut im Kiez ist förmlich greifbar. Eine halbe Stunde | |
| später hat ein Schlüsseldienst die Vordertür des Syndikats aufgebohrt. Doch | |
| drin ist dort niemand mehr. Das Mobiliar hatte das Kollektiv längst | |
| ausgeräumt. | |
| Erst geht ein behelmter Einsatztrupp ins Syndikat, dann folgt wenig später | |
| der Gerichtsvollzieher. Danach tauscht der Schlüsseldienst die Schlösser | |
| aus. 35 Jahre Syndikat sind vorbei. | |
| Es war eine unfassbare Materialschlacht, die die Polizei hier auf die | |
| Straße brachte: 700 Polizist*innen sind laut Sprecher Thilo Cablitz in der | |
| Frühschicht seit 5 Uhr morgens im Einsatz. Am Vorabend und in der Nacht | |
| dürfte es eine ähnliche Anzahl gewesen sein. | |
| Dazu hatte die Polizei zwei größere Straßenabschnitte seit dem | |
| Donnerstagmittag gesperrt. Diese Sperrzone wurde im Laufe des Einsatzes bis | |
| zur Hermannstraße und dem Herrfurthplatz ausgeweitet, um Blockaden zu | |
| verhindern. | |
| Nachts kreiste ein Hubschrauber, eine Hundestaffel war im Einsatz, sogar so | |
| etwas wie eine Klettereinheit wurde auf den Dächern um das Syndikat von | |
| Nachbar:innen fotografiert. Wie viel der Einsatz koste? Könne er nicht | |
| sagen, so Cablitz. | |
| ## Rund 40 Festnahmen in der Nacht | |
| Im Laufe der Nacht hat es laut Polizei rund 40 Festnahmen gegeben. Es sei | |
| zu Sachbeschädigungen gekommen. Einige Mülltonnen seien auch angezündet | |
| worden. Zwei Demo-Sanitäter berichten der taz am Morgen von etwa 40 | |
| Verletzten auf Seiten der Demonstrierender, von denen alleine sie wüssten. | |
| Die meisten davon hätten Pfefferspray abbekommen. Ebenso habe es Schnitt- | |
| und Platzwunden gegeben | |
| Die Proteste gegen die Räumung der seit 35 Jahren existierenden Kneipe – | |
| eine Institution sowohl für die Nachbarschaft als auch die linke Szene – | |
| hatten am Donnerstagabend begonnen. Ursprünglich sollte die „Lange Nacht | |
| der Weisestraße“ direkt vor dem Syndikat stattfinden. Das hatte die | |
| Versammlungsbehörde jedoch verboten und stattdessen eine etwa 200 Meter | |
| lange Sperrzone mit Betretungsverbot eingerichtet. Die Kundgebungen mussten | |
| hinter die Polizeiabsperrungen weichen. | |
| Schon vor dem Protestauftakt um 20 Uhr sieht [3][Kneipenwirt Christian] | |
| abgekämpft und fassungslos aus. Der Sprecher des Kneipenkollektivs sagt: | |
| „Das hat doch mit einer normalen Räumung nichts mehr zu tun. Das ist G20 | |
| und G8. Die sind jetzt schon auf den Dächern.“ Tatsächlich ist die Polizei | |
| mit einem Großaufgebot, mehreren Hundertschaften und schwerem Gerät vor | |
| Ort. Bereits am Mittag hat sie die Straße gesperrt. | |
| Pünktlich um 20 Uhr beginnt ein Lärmkonzert aus den Fenstern vieler | |
| Anwohner*innen. Die abgesperrte Straße hängt voller Transparente für den | |
| Erhalt der Kneipe, die sich vor Sympathiekundungen im Kiez kaum retten | |
| kann. Mit Sprechchöre fordern Demo-Teilnehmer*innen die Polizei auf, | |
| abzuhauen. Doch auch wenn das ausgegebene Motto ist, die Räumung zu | |
| verhindern: Das Syndikat ist zu diesem Zeitpunkt bereits leer, das Inventar | |
| in andere linke Institutionen der Stadt umgezogen. | |
| Die Wut ist dennoch groß. Etwa 2.000 Menschen sind rings um die | |
| Absperrungen unterwegs. Auf einer der Kundgebungen schreit ein vermummter | |
| Redner mit Käppi seine Empörung über die abgesperrte Zone ins Mikrofon: | |
| „Dort wollten wir Abschied nehmen. Doch das hat die Polizei, das haben die | |
| Bullen verhindert.“ | |
| Wiederholt fordert er die Teilnehmer*innen zur Vernunft auf: „Tragt Masken, | |
| achtet auf Auflagen. Bepöbelt die Bullen mit Abstand, nicht mit Anstand.“ | |
| Niemand soll der Polizei einen Grund geben, die Demo aufzulösen. | |
| Fast alle Redner*innen betonen, dass diese Räumung unter einem | |
| rot-rot-grünen Senat stattfindet, der mit anderen Versprechungen angetreten | |
| war. Ein Politiker der Linken steht in der Menge und fragt: „Warum wird in | |
| den Reden nicht mehr auf die kapitalistischen Eigentumsstrukturen | |
| eingegangen?“ Der Senat habe gegen den gerichtlichen Räumungstitel keine | |
| Handhabe. | |
| Den Vertriebenen aber helfen die [4][Sympathiebekundungen] aus der Bezirks- | |
| und Landespolitik nicht weiter. Die Räumung der Kneipe für die gesichtlose | |
| [5][Eigentümerfirma Pears Global] ist für sie ein Skandal. | |
| ## „No Pasaran“ unter Polizeilicht | |
| So etwas wie Partystimmung kommt auf, als der Rapper Mal Élevé ein | |
| spontanes Konzert gibt. Als er seinen Titel „No Pasaran“ spielt, macht die | |
| Polizei ihre Lichtanlagen an. | |
| Erst gegen Mitternacht wird die Situation nach einer [6][Ingewahrsamnahme | |
| wegen Vermummung] unruhiger. Demonstrant*innen blockieren die | |
| Hermannstraße, immer wieder kommt es zu Schubsereien, weitere Menschen | |
| werden mitgenommen, ein Hubschrauber steht in der Luft. Nachts um 5 Uhr | |
| brennen kleinere Barrikaden im Kiez. | |
| 7 Aug 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Bedrohte-Kneipe-in-Neukoelln/!5574420 | |
| [2] /Volksinitiative-einigt-sich-mit-Senat/!5695513 | |
| [3] /Am-Tresen-vom-bedrohten-Syndikat/!5640949/ | |
| [4] https://twitter.com/derjochen/status/1291484873149100034?s=20 | |
| [5] /Linke-Kneipe-enttarnt-Immobilienriesen/!5548679/ | |
| [6] https://twitter.com/garethmetik/status/1291497800035966982?s=20 | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
| Gareth Joswig | |
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