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# taz.de -- Soziale Spaltung in Hamburg: Armut sichtbarer machen
> Die Linke fordert einen Armuts- und Reichtumsbericht um Maßnahmen gegen
> die soziale Spreizung zu entwickeln.
Bild: Von Blankenese aus sind die armen Seiten der Stadt schwer zu sehen
Hamburg taz | Keine andere deutsche Stadt ist sozial so gespalten wie
Hamburg. Zwar liegt die sogenannte [1][Armutsquote in der Elbmetropole mit
15,3 Prozent] hauchzart unter dem Bundesdurchschnitt, doch rechnet man die
vergleichsweise hohen Lebenshaltungskosten mit ein, liegt Hamburg nach
Berechnungen der Linken in den alten Bundesländern an zweiter Stelle, nach
Bremen auf Platz eins.
Gleichzeitig weist Hamburg bundesweit die höchste Reichtumsquote auf und
beherbergt knapp 1.000 Einkommensmillionäre. Während auf der Veddel das
durchschnittliche Bruttoeinkommen aus Erwerbsarbeit je nach Berechnung bei
14.600 bis 16.000 Euro herumdümpelt, liegt es in Nienstedten bei rund
120.000 bis 140.000 Euro.
Und die soziale Spreizung nimmt weiter zu: Fast alle Wissenschaftler*innen
sind sich einig, dass unter den sozialen Folgen der Coronakrise vor allem
die Menschen leiden, die sowieso nur wenig zum Leben haben. Laut
Bundesagentur für Arbeit wurden in Hamburg seit Beginn der Coronapandemie
für 376.469 Beschäftigte Anträge auf Kurzarbeit gestellt. Zusätzlich haben
seit März über 24.000 Hamburger*innen ihre Arbeit verloren.
Damit waren im Juli 2020 insgesamt 91.140 Menschen erwerbslos gemeldet, ein
Plus von 35 Prozent innerhalb eines Jahres. „Die Pandemie verschärft die
soziale Ungleichheit. Je länger sie andauert, umso mehr Menschen werden
abgehängt“, bringt die Linken-Bürgerschaftsabgeordnete Stephanie Rose es
auf den Punkt.
Von der Stadt in Auftrag gegebene Berichte über die Situation sozial
benachteiligter Gruppen gibt es viele: Über Arbeitslose, Familien,
Geflüchtete und Obdach- oder Wohnungslose existieren jeweils umfangreiche
Lebenslagenberichte. Sie folgen unterschiedlichen Methoden und werden fast
alle von der Sozialbehörde beauftragt oder erstellt, die ein gewissen
Interesse daran hat, ihre Armutsbekämpfungsstrategien in ein nicht allzu
schlechtes Licht zu rücken.
„Wir sind die Stadt der vielen Berichte“, klagt Rose. Ihre Fraktion
forderte am Mittwoch in der Bürgerschaft, der Senat möge alle zwei Jahre
„einen handlungsorientierten Armuts- und Reichtumsbericht vorlegen“, der
als „umfassende Gesamtschau“ die Basis für eine behördenübergreifende
Strategie der Armutsbekämpfung sein könne. Und damit dieser Bericht nicht
zu einer „Leistungsschau der Regierung“ mutiere, solle er nicht von den
Behörden beauftragt, sondern von unabhängigen Expert*innen verantwortet
werden.
SPD und Grüne überwiesen [2][den Antrag] am Mittwoch zwar in den
Sozialausschuss zur weiteren Debatte, kritisierten ihn aber inhaltlich
stark. [3][Die Lebenslagenberichte] lieferten schon heute eine gute Basis
zur Armutsbekämpfung, befand die sozialpolitische Sprecherin der SPD,
Ksenija Bekeris. Die von der Linken vorgeschlagene zweijährige Taktung sei
außerdem zu kurz, um wirklich Tendenzen sichtbar zu machen. Die
Berichterstattung über die soziale Spaltung der Gesellschaft in die Hand
von Expert*innen zu legen, lehnte Bekeris ab: „Armutsbekämpfung ist der
Kern unserer politischen Arbeit, das geben wir nicht aus der Hand.“
Auch die Grüne Mareike Engels will keine unabhängigen Expert*innen. Eine
rot-grüne Gegenwehr, die Andreas Grutzeck von der CDU aufmerken ließ. „So
wie sich die Koalition diesem Vorschlag verweigert, liegt der Verdacht
nahe, dass die behördennahen Berichte die Fakten auf eine Art und Weise
gewichten, die nicht objektiv ist“, sagte er. Obwohl er dem Antrag der
Linken ansonsten inhaltlich nicht folge, könne er sich „mit der Idee der
unabhängigen Kommissionsberichte durchaus anfreunden“.
20 Aug 2020
## LINKS
[1] https://fink.hamburg/2019/12/fast-jeder-sechste-hamburger-von-armut-bedroht/
[2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/72088/nicht_nur_klein_klei…
[3] https://www.hamburg.de/sozialbehoerde/lebenslagenberichte/
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Armutsforschung
Reichtum
Schwerpunkt Armut
Hamburgische Bürgerschaft
Die Linke Hamburg
Armutsbekämpfung
Hamburger Hochbahn
Kinder
Hartz IV
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Armutsbericht
Hamburg
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