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# taz.de -- Reichtum in Hamburg: Reichtum ist keine Privatsache
> Hamburg ist die deutsche Stadt mit den meisten Millionär*innen. Doch das
> Geld ist extrem ungleich verteilt. Gerechte Besteuerung wäre ein Anfang.
Bild: An der Hamburger Binnenalster fühlen sich Reiche wohl, zum Beispiel im H…
Hamburg taz | Wir müssen über Reichtum reden. Während die
Besitzverhältnisse und Lebensumstände armer Menschen in Deutschland
ziemlich genau erfasst sind, liegen [1][über Reiche und Superreiche wenig
Daten vor]. Seit der Abschaffung der Vermögenssteuer im Jahr 1997 tappen
auch die Finanzämter im Dunkeln, was die Besitzverhältnisse der Crème de la
Crème betrifft.
Zudem sind Vermögensverwalter*innen von Superreichen darauf spezialisiert,
Kapital in undurchsichtigen Schachtelkonstruktionen, Holdings und
Stiftungen über die Steueroasen dieser Welt zu verteilen, damit möglichst
wenig lästige Abgaben anfallen.
Dabei wäre es die Basis für eine [2][gerechtere Verteilung
gesellschaftlicher Lasten], Aufgaben und Privilegien, einen Überblick nicht
nur über die Armut am unteren, sondern auch den Reichtum am oberen Rand zu
bekommen. Doch in den Villenvierteln und Managementetagen großer Konzerne
herrscht Diskretion. Verständlich: Über den eigenen Besitz und das eigene
Einkommen reden die wenigsten gern.
Während diese Zurückhaltung bei Armen vermutlich [3][viel mit Scham zu tun
hat], kann man bei Reichen nicht unbedingt davon ausgehen. Dabei ist es
schon obszön, was manche anhäufen. Wir reden hier nicht von der reicheren
Hälfte der Bevölkerung, zu der man „schon“ ab 1869 Euro Nettoeinkommen
gehört. Sondern über das reichste eine Prozent, das rund 35 Prozent des
Gesamtvermögens hortet.
## Der Wohlstand konzentriert sich
Je reicher man ist, desto schneller wächst auch das Vermögen – politische
Maßnahmen wie die Senkung des Spitzensteuersatzes durch die rot-grüne
Bundesregierung 2005 haben das befördert. Auch der andauernde Boom der
Immobilienpreise in deutschen Städten, den Politiker*innen durch
lethargisches Nichtstun befördern, leistet seinen fetten Anteil.
Gleichzeitig fehlt das Geld an anderen Stellen: im Gesundheits- und
Sozialwesen, im Bildungssystem, bei Kultureinrichtungen und in der
Mobilitätsinfrastruktur. Man kann argumentieren, dass es ja nicht das
gleiche Geld sei – hier privates Vermögen, dort der Staatshaushalt. Dabei
darf man aber nicht vergessen, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist,
durch harte und ehrliche Arbeit so reich zu werden wie die oberen zehn
Prozent. Das erreicht man nur durch Erben, Spekulieren und letztlich: auf
Kosten anderer.
Gerade in Hamburg, der Stadt mit der höchsten Millionärsdichte
Deutschlands, sind die Gegensätze extrem. Etwas mehr als jede*r Tausendste
verdient hier mehr als eine Million Euro im Jahr. Gleichzeitig lebt jedes
fünfte Kind in Armut. Auch über die Stadt sind die Zahlen [4][sehr ungleich
verteilt]: In den reichen Elbvororten lebt nicht mal eins von hundert
Kindern in einem Hartz-IV-Haushalt, in ärmeren Stadtteilen fast jedes
Zweite.
Was also tun? Auch wenn sich erst kürzlich 83 Millionär*innen verschiedener
Länder [5][für eine höhere und damit gerechtere Besteuerung Reicher
aussprachen] und viele Wohlhabende Charity betreiben, ist das Problem nicht
über individuelle Verantwortung zu lösen. Es reicht nicht, dann, wenn es
gerade passt, mal ein paar Tausend Euro hierhin oder dorthin zu spenden.
## Zur Umverteilung gehört bezahlbarer Wohnraum
Wir brauchen eine viel radikalere und langfristige Umverteilung. Das ist
die Aufgabe des Staates, der den gesellschaftlichen Frieden zu wahren hat.
Dazu gehört auch, sicherzustellen, dass die einen sich nicht ungehemmt auf
Kosten der anderen bereichern. Konkret gehört dazu, bezahlbaren Wohnraum
zur Verfügung zu stellen – was nicht geht, wenn die meisten Immobilien in
den Händen jener sind, die Wohnungen als Kapitalanlage verstehen.
Ebenso wenig kann es aufgehen, eine kostenlose umfassende
Gesundheitsversorgung für alle bereitzustellen, wenn die Kliniken Konzernen
gehören, die wiederum Milliardären gehören. Die Milliarden auf dem Konto
machen diese nicht zu schlechten Menschen oder unfähigen Manager*innen – es
sind nur einfach zwei diametrale Interessen: Das Interesse weniger
Einflussreicher, möglichst riesige Stücke vom Kuchen zu bunkern, und das
der vielen, ihren gerechten Anteil abzubekommen.
In einer endlichen Welt ist nur genug für alle da, wenn alle maßhalten. Das
bedeutet nicht, dass Normalverdiener*innen, Kleinunternehmer*innen,
Angestellte und Arbeitslose ihren Gürtel enger schnallen müssen, wenn
demnächst die Wirtschaftskrise als Folge der Coronakrise über uns
hereinbricht. Es bedeutet, dass der Staat sich das Geld da holen muss, wo
es en masse vorhanden ist, und so einsetzen muss, dass es der gesamten
Gesellschaft zugute kommt.
Die Instrumente dafür liegen auf dem Tisch: eine viel höhere
Erbschaftssteuer, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die Erhöhung
des Spitzensteuersatzes sind nur die naheliegendsten. Auf lange Sicht
müsste man Unternehmen wie Asklepios, Vonovia, RWE oder Vattenfall
selbstredend enteignen.
Denn am Ende reicht es natürlich nicht, mal über Reichtum gesprochen zu
haben. Vielmehr müssen Taten folgen. Da der Kapitalismus sich nicht von
heute auf morgen abschaffen lässt, wären gerechtere Steuern ein guter
Anfang.
Lesen Sie unseren Themenschwerpunkt in der gedruckten taz am wochenende
oder [6][hier]
7 Aug 2020
## LINKS
[1] /Das-Vermoegen-der-Millionaere/!5646388
[2] /Aktivist-ueber-Reichtum/!5705494/
[3] /Wissenschaftlerin-ueber-Altersarmut/!5574631
[4] /Armut-in-Hamburg/!5573257
[5] https://www.millionairesforhumanity.com/
[6] /e-Paper/Abo/!p4352/
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Reichtum
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Steuern
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