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# taz.de -- Studie zu Hartz-IV-Regelsätzen: Ohne Tafel wird es schwer
> Besonders arbeitslose Männer haben nicht genug Geld, um ausreichend Essen
> zu kaufen. Die Sätze müssen steigen, sagt der Paritätische Gesamtverband.
Bild: Ein Karton mit Lebensmitteln in den Räumen der Aachener Tafel
Berlin taz | Hartz-IV-EmpfängerInnen haben zu wenig Geld für Lebensmittel
zur Verfügung – und das auch nach der Neuberechnung des Regelsatzes für das
Jahr 2021, die das Bundesarbeitsministerium kürzlich vorlegte. Besonders
Männer in der Grundsicherung bekommen nicht genug Geld, um sich Essen
leisten zu können, das als Minimum für eine gesunde Lebensweise gilt. Zu
diesem Schluss kommt eine [1][Studie des Paritätischen Gesamtverbands], die
sich mit der Versorgung von Hartz-IV-EmpfängerInnen beschäftigt.
„Millionen Menschen sind von der gesellschaftlichen Wohlstandsentwicklung
abgekoppelt“ erklärte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des
Gesamtverbands.
Die Regelsätze werden nach dem sogenannten Statistikmodell regelmäßig
erhöht, ein [2][Gesetzentwurf] aus dem Bundesarbeitsministerium passierte
unlängst das Kabinett. Ab dem kommenden Jahr soll der Regelsatz für
alleinstehende Hartz-IV-BezieherInnen um 7 Euro auf 439 Euro im Monat
steigen. Familien bekommen entsprechend mehr.
In diesem Regelsatz sind 150 Euro für die Kosten von Nahrungsmitteln und
Getränken vorgesehen. Der Paritätische zog für seine Vergleichsrechnung nun
die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung heran, wobei eine
„kostenminimale“ gesunde Versorgung angestrebt wurde.
## 1,6 Millionen bei den Tafeln
Die Gesellschaft kam bei Frauen auf einen erforderlichen
Lebensmittelwarenkorb zum monatlichen Preis von 164 Euro, bei Männern auf
einen Warenkorb für 195 Euro. Bei Frauen im Hartz-Bezug fehlen demnach 14
Euro, bei Männern 45 Euro im Monat für eine gesunde Ernährung.
Der höhere Bedarf der Männer entstehe „nicht etwa, weil sich Männer
grundsätzlich aufwändiger ernähren würden, sondern ergibt sich ganz
schlicht aus der Tatsache eines höheren Nährstoffbedarfs“, sagte Schneider.
Viele Hartz-IV-EmpfängerInnen nutzen regelmäßig [3][die Angebote der
Tafeln]. Auf 1,6 Millionen Menschen schätzt der Tafel-Bundesverband die
Zahl der EmpfängerInnen dieser Lebensmittelspenden. „Diese Menschen
kompensieren unzureichende Leistungen der Grundsicherung über die Angebote
der Tafeln“, heißt es in der Studie.
Der Paritätische weist auf weitere Mangelsituationen hin. Danach hat jede
vierte oder jeder vierte Alleinstehende im Hartz-IV-Bezug aus finanziellen
Gründen keinen Internetanschluss. Die Hälfte lädt keine FreundInnen ein,
weil das Geld dazu fehlt.
## Forderung: 100 Euro mehr pro Monat
Mit Blick auf die Studie fordert der Gesamtverband die sofortige Erhöhung
der Regelsätze in Hartz IV und Altersgrundsicherung um 100 Euro pro Kopf
und Monat und eine Einmalzahlung von 200 Euro an alle EmpfängerInnnen von
Grundsicherung.
Die Regelsätze berechnen sich nach einer Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe (EVS), die alle fünf Jahre erhoben wird. Zuletzt war
dies 2018 der Fall, die Daten daraus bilden jetzt die Grundlage für die
Festsetzung des Regelsatzes ab dem Jahre 2021.
In der Verbrauchsstichprobe werden die Konsumausgaben von 15 Prozent der
ärmsten Haushalte mit Alleinstehenden beziehungsweise 20 Prozent der
ärmsten Haushalte mit Familien und Alleinerziehenden als Grundlage
herangezogen. Aus diesen Gruppen werden Menschen im Bezug von Leistungen
der Grundsicherung herausgenommen, nicht aber Leute, die ein geringes
Arbeitseinkommen durch Hartz-IV-Leistungen aufstocken.
Nach dem Konsum dieser untersten Einkommensgruppen wird der Regelsatz
berechnet. Der nach diesem Statistikmodell ermittelte Regelsatz wird dann
jährlich entsprechend der Entwicklung von Preisen und Nettolöhnen erhöht.
Für Diskussionen sorgt dabei immer wieder, dass bestimmte Konsumausgaben
der untersten Einkommensgruppen, etwa für Spirituosen, Tabak, chemische
Reinigung, Campingausrüstung oder Gartengeräte und vieles andere in der
Berechnung des Regelsatzes nicht berücksichtigt werden. Außerdem wird
kritisiert, dass die Stromkosten durch den Regelsatz nicht gedeckt werden
können.
1 Sep 2020
## LINKS
[1] https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/doc/ex…
[2] https://www.bmas.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/neue-regelsaetze-beda…
[3] /Lebensmittel-Tafeln-ziehen-Bilanz/!5514052
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
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