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# taz.de -- Regelsätze für ALG-II-Empfänger: Hartz IV ohne Tricksereien
> Die Linkspartei hat die Regelsätze neu berechnet. Demnach würden
> Empfänger:innen „ohne Tricks“ deutlich mehr bekommen.
Bild: Im Hartz IV-Satz sind weder Alkohol noch Zigaretten vorgesehen auch kein …
Berlin taz | 225 Euro mehr als derzeit – so viel würde
Hartz-IV-Empfänger:innen nach Berechnungen der Linkspartei eigentlich
zustehen. „Die Bundesregierung rechnet die Regelsätze durch allerlei Tricks
gezielt niedrig“, konstatiert die sozialpolitische Sprecherin der
Bundestagsfraktion, Katja Kipping. Sie hat deshalb die Regelsätze nach dem
herkömmlichen Verfahren, aber ohne die „offensichtlichsten Tricks“ neu
berechnen lassen.
Demnach müsste der Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsen 657,55
Euro betragen. Einen entsprechenden Antrag für die Erhöhung von Hartz IV
will Kippings Fraktion Ende Oktober in den Bundestag einbringen.
Derzeit erhalten alleinstehende Personen 432 Euro im Monat. Dieser Satz
soll tatsächlich im nächsten Jahr steigen, jedoch nur um 7 Euro. Etwas
deutlicher sollen die Sätze für Kinder im Teenager-Alter erhöht werden,
nämlich um 39 Euro auf 367 Euro. SPD-Sozialminister Hubertus Heil hat
seinen Gesetzentwurf bereits vorgestellt. Ende Oktober soll ihn der
Bundestag in in erster Lesung beraten.
Die Linkspartei, aber auch Gewerkschaften und Sozialverbände kritisieren
jedoch die Berechnungsgrundlage. Basis ist die Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe, die das Statistische Bundesamt alle fünf Jahre
durchführt.
An dieser Befragung über ihre Einnahmen und Ausgaben nehmen 111.000
Personen teil. Für die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze orientiert sich
das Sozialministerium an den einkommensschwächsten 15 Prozent der
Ein-Personen-Haushalte und den unteren 20 Prozent der Familien. Aus deren
Ausgaben werden nicht „bedarfsrelevante“ Güter herausgerechnet: etwa
Alkohol und Zigaretten, aber auch Ausgaben für die chemische Reinigung,
Futter für Haustiere, für ein Essen oder Eis außer Haus oder den Unterhalt
von Auto oder Motorrad.
## 28 Milliarden Euro Mehrkosten
Mit dieser Berechnungsmethode befördere die Bundesregierung Armut,
Vereinsamung und erschwere die Jobsuche, sagt Kipping. Für die alternative
Berechnung hat sie deshalb alle Ausnahmen gestrichen, außer den Ausgaben,
die sowieso vom Jobcenter übernommen werden, wie Wohn- und Heizkosten. Auch
den Strom rechnet sie extra. Außerdem wurde die Gruppe der
einkommensschwächsten Alleinstehenden auf 20 Prozent vergrößert und
verdeckte Arme, also Menschen, die eigentlich Hartz IV beantragen könnten,
dies jedoch nicht tun, herausgenommen. Auf dieser Basis kommt dann der
stark erhöhte Regelsatz zustande.
Würde das so umgesetzt, müsste der Staat allerdings 28 Milliarden Euro mehr
ausgeben. Pro Jahr. Kipping zufolge kein Problem angesichts der Summen, die
der Staat derzeit in der Coronakrise ausgebe. Außerdem steckten
Hartz-IV-Empfänger:innen einen Gutteil ihrer Einnahmen sofort wieder in den
Konsum, eine Regelsatzerhöhung würde also die Konjunktur beleben.
Mit ihren Forderungen ist die Linkspartei nicht allein. Der Paritätische
Gesamtverband kritisiert, dass [1][Hartz-IV-Empfänger:innen zu wenig Geld
für Lebensmittel] haben und hat Anfang September eine sofortige Erhöhung um
100 Euro gefordert. Auch die Grünen haben im Juni ein eigenes und, wie sie
betonen, „wissenschaftlich fundiertes“ Konzept zur Berechnung der
Regelsätze vorgestellt. Mit der neuen Berechnung kämen [2][die Grünen auf
557 Euro pro Monat] für den Regelsatz ohne Strom und Extraausgaben wie etwa
für eine neue Waschmaschine.
Dass sich eine kräftige Erhöhung der Regelsätze in der gegenwärtigen
politischen Konstellation umsetzen lässt, ist jedoch unwahrscheinlich.
SPD-Sozialminister Hubertus Heil sieht das Sozialstaatsgebot, nämlich
„allen Menschen das Existenzminimum zu sichern und Teilhabe zu
ermöglichen“, mit seinem Gesetzentwurf erfüllt.
16 Sep 2020
## LINKS
[1] /Studie-zu-Hartz-IV-Regelsaetzen/!5710808
[2] /Anpassung-der-Hartz-IV-Regelsaetze/!5696850
## AUTOREN
Anna Lehmann
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Hartz IV
Regelsatz
Die Linke
Katja Kipping
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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