Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Seenotrettung im Mittelmeer: Italiens kaltherziges Kalkül
> Italien hält erneut ein Schiff von Seenotretter*innen fest. Das hört erst
> auf, wenn auch andere EU-Staaten zur Aufnahme von Geflüchteten bereit
> sind.
Bild: Die „Ocean Viking“ rettete 180 Menschen aus Seenot. Italiens Behörde…
Genau drei Jahre, nachdem die Behörden Italiens das deutsche Rettungsschiff
„Iuventa“ auf Lampedusa festgesetzt hatten, [1][traf es am Mittwoch die
„Ocean Viking“], mit der die NGO SOS Méditerranée im Mittelmeer
Flüchtlinge aus Seenot rettet. Die Küstenwache legte es im Hafen von Porto
Empedocle auf Sizilien für unbestimmte Zeit an die Kette.
Dies ist in Malta und Italien gängige Praxis geworden. In den letzten
Monaten gab es die Festsetzungen der Rettungsschiffe „Alan Kurdi“ der
deutschen NGO Sea-Eye, „Aita Mari“ der italienischen NGO Salvamento
Marítimo Humanitario, „Sea-Watch 3“ der gleichnamigen deutschen NGO und
jetzt der „Ocean Viking“. Die Begründungen waren meist angebliche Mängel
bei der Registrierung oder Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften. Die
Folge: Auf dem Meer ertrinken Menschen, weil die, die sie retten würden,
nicht ausfahren dürfen.
Die „Iuventa“ haben die Behörden bis heute nicht wieder freigegeben, der
damaligen Crew werden monströse Strafen angedroht. Andere NGOs konnten ihre
Schiffe behalten, auch wenn der Druck teils dazu führte, dass
Organisationen aufgaben. Und genau das ist das Ziel der Angriffe durch die
Behörden in Italien und Malta.
Dort weiß man: Die NGOs bringen die Geretteten nicht zurück nach Libyen,
sondern in den nächstgelegenen EU-Hafen, also nach Italien oder Malta –
auch wenn die beiden Länder die Einfahrt verbieten. Denn bald schon ist die
Not auf den überfüllten Rettungsschiffen so groß, dass die Staaten
nachgeben oder die Besatzungen sich über das Verbot hinwegsetzen müssen.
## Moralisch verwerfliches Handeln
Und [2][solange die EU sich nicht auf ein funktionierendes Verteilsystem
einigt], müssen die beiden Länder damit rechnen, dass Flüchtlinge letztlich
bei ihnen bleiben. Also versuchen sie zu unterbinden, dass die
Rettungsschiffe losfahren – so moralisch verwerflich das ist.
Auf dem jüngsten EU-Gipfel war viel von europäischer Solidarität die Rede.
Die Solidarität, die hier gefragt ist, kostet keine Milliarden. Italien und
Malta wollen und brauchen in erster Linie verlässliche Zusagen, dass die
Flüchtlinge, die sie an Land lassen, danach auch von anderen EU-Staaten
aufgenommen werden. Für den Zusammenhalt der EU ist das kaum weniger
wichtig als finanzieller Ausgleich.
Im Prinzip ist ein entsprechender Mechanismus schon seit dem vergangenen
Herbst beschlossen. Er funktioniert allerdings nur höchst schleppend und
gilt nicht für alle Ankommenden. Solange sich das nicht ändert, wird den
Retter*innen das Leben weiter schwer gemacht werden. Und deshalb wird so
lange auch das Sterben im Mittelmeer weitergehen.
24 Jul 2020
## LINKS
[1] /SOS-Mediterranee-verurteilt-Massnahme/!5695405
[2] /Gefluechtete-des-Schiffs-Ocean-Viking/!5694008
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Seenotrettung
EU-Ratspräsidentschaft
Geflüchtete
SOS Mediterranee
Schwerpunkt Flucht
Ocean Viking
Ocean Vuong
Seenotrettung
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Lesestück Meinung und Analyse
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Vertriebene
## ARTIKEL ZUM THEMA
Seenotrettung in Italien: Bis zu 20 Jahre Haft
21 Seenotretter*innen stehen demnächst im sizilianischen Trapani vor
Gericht. Der Vorwurf lautet auf Beihilfe zur illegalen Einwanderung.
NGO-Rettungsschiff auf Einsatz: „Ocean Viking“ rettet wieder
Nach Zwangspause fährt das Schiff von SOS Méditerranée wieder auf Mission
ins Mittelmeer. Wo Gerettete hingebracht werden können, ist weiter unklar.
Verhinderte Seenotrettung: Zynisch und menschenverachtend
Die humanitäre Lage spitzt sich weiter zu. Weil sämtliche Rettungsschiffe
festgesetzt sind, ertrinken im Mittelmeer die Menschen.
Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer: „Sea-Watch 4“ läuft bald aus
Sea-Watch und Ärzte ohne Grenzen starten einen neuen Rettungseinsatz im
Mittelmeer. Das nötige Geld kommt von mehr als 550 Organisationen.
Flucht von Tunesien nach Lampedusa: Hunderte jeden Tag
Italiens Insel Lampedusa ist Hauptziel der neuen Migrationsbewegung aus
Tunesien. Die lokalen Behörden nennen die Situation „unkontrollierbar“.
UN-Bericht zu Gewalt gegen Flüchtlinge: Tödliche Reise durch Afrika
Auf ihrer Reise zur Mittelmeerküste erleiden Flüchtlinge und Migrant*innen
schwere Gewalt, viele sterben. Das geht aus einem neuen Bericht hervor.
Italien nach dem EU-Gipfel: Europäische Umarmung
Lange hatten die EU und insbesondere Deutschland keinen guten Ruf in
Italien. Nach dem EU-Gipfel singen selbst rechte Politiker „O sole mio
Europa“.
Geflüchtete aus Griechenland: Endlich angekommen
Knapp 1.000 Geflüchtete von den griechischen Inseln sollen in Deutschland
aufgenommen werden. Einige Familien sind am Freitag in Kassel gelandet.
EU-Grenzschutzagentur Frontex: Hilfe beim Abschieben
Frontex zahlt auf Wunsch Charterflüge, um Flüchtlinge in ihre
Herkunftsländer zurückzubringen. Deutschland macht davon regen Gebrauch.
Expertin über Flüchtlingspolitik: „Ein Hoffnungsschimmer“
Kann Deutschland seine EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um die Blockade in
der Migrationsfrage aufzulösen? Petra Bendel hält das für möglich.
Jahresbericht UNHCR: Fast 80 Millionen auf der Flucht
2019 wurden an jedem Tag rund 25.000 Menschen auf der Welt vertrieben. Die
UN verzeichnen so viele Geflüchtete wie noch nie.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.