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# taz.de -- Geflüchtete aus Griechenland: Endlich angekommen
> Knapp 1.000 Geflüchtete von den griechischen Inseln sollen in Deutschland
> aufgenommen werden. Einige Familien sind am Freitag in Kassel gelandet.
Bild: Kranke Kinder mit ihren Angehörigen kamen heute am Flughafen in Kassel an
Kassel/Berlin dpa/afp | Es ist heiß, als die Migrant*innen aus dem Flugzeug
steigen. Viele haben kleine Kinder an der Hand. Doch die Familien haben es
nicht weit: Auf dem Rollfeld des Flughafens Kassel stehen bereits Busse, in
denen sie warten können. Hinter ihnen liegt ein Aufenthalt in griechischen
Flüchtlingslagern. Wie ihr Gesundheitszustand ist, lässt sich aus der Ferne
nicht erkennen: Die Familien werden von der Öffentlichkeit abgeschirmt.
83 Menschen sind es, die am Freitag von Athen nach Kassel geflogen wurden.
Sie sollten auf neun Bundesländer verteilt werden, sagte eine Sprecherin
des Bundesinnenministeriums. Die Bundesregierung will damit die heillos
überfüllten Lager auf den griechischen Ägäis-Inseln, in denen katastrophale
Zustände herrschen, ein wenig entlasten.
Unter den Ankömmlingen sind laut Bundesinnenministerium 17 kranke Kinder
und ein Jugendlicher, die von Angehörigen begleitet werden. Die 18 Familien
sollten in Deutschland Aufnahme finden und medizinisch versorgt werden,
müssen aber dennoch nach den Worten des Innenministeriums ein
„ergebnisoffenes Asylverfahren“ durchlaufen. Die meisten von ihnen – 54
Menschen – kommen nach dpa-Informationen aus Afghanistan, je acht aus dem
Irak und den palästinensischen Gebieten, sieben aus Syrien und sechs aus
Somalia.
Der Vertreter des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) in
Deutschland, Frank Remus, sagte: „Das ist ein wichtiger Tag für die teils
schwerkranken Kinder und ihre Familien, die aus einer unerträglichen
Situation, die wir leider in Europa erleben müssen, erlöst wurden.“ Er
unterstrich aber auch: „Wir hoffen, dass Griechenland im Zusammenspiel
vieler EU-Länder deutlich stärker entlastet wird und europäische Lösungen
gefunden werden, die humanitäre Not zu beenden.“ Neben Deutschland
beteiligen sich unter anderem Luxemburg und Portugal an der Aufnahme, die
sich wegen der Corona-Pandemie verzögert hat.
Geflüchtete werden auf Bundesländer verteilt
Acht der Kinder sind sechs Jahre oder jünger, neun zwischen sieben und 13
Jahren alt. Ein Jugendlicher ist 15 Jahre alt. Mit dabei sind 32 Erwachsene
– Vater, Mütter oder Vormünder – und 33 minderjährige Geschwister. Sie
müssen nach ihrer Ankunft grundsätzlich nicht in Corona-Quarantäne, da
Griechenland nicht als Risikogebiet gilt und sie schon vor Abflug auf das
Virus Sars-CoV-2 getestet wurden.
Ihr Aufenthalt auf dem Flughafen Kassel war am Freitag kurz. Noch auf dem
Rollfeld stiegen sie in Reisebusse um und fuhren ab. Die meisten der
Neuankömmlinge (18 Menschen) sollten nach Thüringen weiterreisen, 16 nach
Rheinland-Pfalz und 14 nach Nordrhein-Westfalen. Hessen wollte neun der
Migranten aufnehmen, Niedersachsen acht, Berlin sieben, Bremen fünf und
Baden-Württemberg und Hamburg jeweils drei.
SPD-Chefin Saskia Esken begrüßte die Aktion. „Ich bin all denen dankbar,
die daran mitgewirkt haben, dass die im Koalitionsausschuss vereinbarte
Aufnahme von 1.000 besonders hilfsbedürftigen Flüchtlingen aus Griechenland
jetzt Zug um Zug erfolgt“, sagte sie den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks
Deutschland. „Unsere politischen Anstrengungen haben sich für jeden
Menschen, den wir aus diesen unwürdigen Bedingungen befreien können,
gelohnt“, erklärte die Berliner Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel.
Wohlfahrts- und Hilfsorganisationen kritisierten die Aufnahmezahlen
allerdings als unzureichend. „Angesichts der katastrophalen Situation der
Menschen in den Flüchtlingslagern in Griechenland muss Deutschland sich
bereit erklären, [1][mehr Menschen, insbesondere Kinder, aus Griechenland
aufzunehmen]“, erklärte Maria Loheide vom evangelischen Sozialverband
Diakonie.
Nur ein Anfang
„Angesichts von mehr als 30.000 Schutzsuchenden allein auf den griechischen
Inseln kann die Aufnahme einiger hundert Menschen nur ein Anfang sein“,
erklärte auch Christoph Waffenschmidt von World Vision. In den Lagern dort
herrschten [2][“menschenunwürdige Zustände“]. Allerdings sei der aktuelle
Flug aus Athen „ein positives Signal“. Ähnlich äußerte sich die
Organisation Save the Children. Deren Migrationsexpertin Sophia Eckert wies
darauf hin, dass die deutschen Bundesländer ihre Bereitschaft zur Aufnahme
von rund 2.100 Menschen erklärt hätten.
Deutschland will gemäß einer Entscheidung der Bundesregierung insgesamt 243
medizinisch behandlungsbedürftige Kinder aus Griechenland im Rahmen einer
europäischen Hilfsaktion aufnehmen. Ebenfalls einreisen dürfen deren
Kernfamilien, also Eltern und Geschwister. Mitte April waren die ersten 47
Kinder und Jugendlichen in Deutschland eingetroffen, später noch sechs
weitere, die zunächst wegen Gesundheitsproblemen nicht hatten mitfliegen
können.
Auf den griechischen Inseln in der Ost-Ägäis stranden viele Menschen, die
sich von der Türkei aus auf den Weg in die Europäische Union machen. Laut
UNHCR befinden sich dort derzeit rund 31 700 Migranten, ungefähr ein
Drittel von ihnen sind Kinder und Jugendliche. Ungefähr die Hälfte der
Migranten auf den Inseln sind Afghanen, ein knappes Fünftel Syrer.
24 Jul 2020
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