Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kneipen leiden an Corona-Beschränkungen: Bier und Korn auf Abstand
> Der Hamburger Senat hat die Hygiene-Regeln für Kneipen gelockert. Die
> seien so streng, dass sich der Betrieb nicht lohne, kritisieren Wirte.
Bild: Inneneinrichtung mitgebracht: Mitglieder des Barkombinats vor dem St.Paul…
Hamburg taz | In Hamburgs Szenevierteln könnte es nach der Coronazeit
nächtens so öde aussehen wie in einer Vorstadtsiedlung. Dieses
Schreckensszenario haben die Betreiber von bis dato 67 Bars und Kneipen am
Donnerstag heraufbeschworen. Seit dem 13. Mai dürfen sie ihre Läden wieder
öffnen. Doch cool sei das nicht. „Die Auflagen sind so hoch, dass das
[1][Produkt ‚Bar‘] kaputt ist“, heißt es im Gründungsaufruf des
„Barkombinats“.
Der Name ist angelehnt an das „[2][Clubkombinat]“, das seit einigen Jahren
erfolgreich Lobbypolitik für die Musikklubs der Stadt macht. Dem
Barkombinat geht es darum, deutlich zu machen, dass auch die rund 1.800
Kneipen wesentlich zur Attraktivität Hamburgs beitragen, dass sie, in der
Politikersprache der Nullerjahre, ein „Standortfaktor“ sind. „Eine Stadt,
in der Nachbar*innen und Besucher*innen nicht [3][mehr miteinander trinken
können, ist mausetot]“, stellen die Gastronomen fest.
Nach der [4][Coronaverordnung] des Senats müssen Gaststätten dafür sorgen,
dass Gäste, die nicht aus demselben Haushalt kommen oder weitere Personen
aus einem anderen Haushalt dabei haben, anderthalb Meter Abstand
voneinander halten. Das Personal muss bei Kundenkontakt eine Maske tragen.
Flächen, die oft berührt werden, müssen mehrmals am Tag desinfiziert
werden.
„Die Verordnung ist für uns Gastronomen ein Witz“, sagt Florence
Mends-Cole, die Betreiberin der „Daniela-Bar“ im Schanzenviertel. „Wie so…
das gehen?“ Ihre Bar sei gerade mal 20 Quadratmeter groß, die Terrasse
unwesentlich größer. Ein wirtschaftlicher Betrieb sei so nicht möglich. Die
Bar bleibe zu.
## Weniger Gäste – mehr Arbeit
Er habe 50 Prozent weniger Gäste und 25 Prozent des üblichen Umsatzes –
aber mehr Arbeit, sagt Till vom „Tiny Oyster Inn“ in Altona. „Das geht so
nicht.“ Sein Laden lebe vom engen Kontakt mit den Gästen – wie es ein
weiterer Barbetreiber ausdrückt: „Unser Geschäftsmodell sind soziale
Kontakte.“ Auf einsfünfzig Abstand oder mit Plexiglasscheiben als Trennern
funktioniere das nicht.
Wie vielen seiner Kollegen ist dem Barbetreiber Maik Hennig nicht klar,
welche Regeln eigentlich gelten. Er zeigt einen gelb markierten Absatz aus
der Verordnung. Demnach ist der Betrieb von Gaststätten zulässig, soweit
„für die Beschäftigten die allgemeinen Arbeitsschutzvorschriften und
-standards in Verbindung mit der branchenspezifischen Konkretisierung des
Unfallversicherungsträgers umgesetzt werden“. Ohne einen Anwalt oder
zumindest eine Recherche sei das nicht umzusetzen.
Der Senat wälze die Verantwortung der Lockerung auf sie ab, kritisieren die
Gastronomen: „Wir sollen nun Ordnungshüter*innen, Hygiene-Beauftragte,
Datenschützer*innen und Security in einem sein.“ Stephan Fehrenbach von
der „Laundrette“ in Ottensen fordert deshalb vom rot-grünen Senat, einen
zentralen Ansprechpartner zu benennen.
Weil das Geschäft nur eingeschränkt anlaufen kann, fordern die Gastronomen
weitere Ausgleichszahlungen wie etwa Mietzuschüsse und Subventionen für den
erhöhten Personalaufwand und die Investitionen für die Hygieneauflagen. Das
Kurzarbeitergeld für die Mitarbeiter, die ja auch vom Trinkgeld lebten,
müsse rückwirkend auf 80 Prozent aufgestockt werden.
„Die Lage meiner Mitarbeiter lässt mich schlecht schlafen“, sagt Betty
Kupsa von „The Chug Club“. Sie selbst als Inhaberin habe seit Mitte März
keinen einzigen Cent mehr verdient.
Um den kleinen Betrieben über die Krise zu helfen, hat der Senat am
Donnerstag ein weiteres Hilfsinstrument vorgestellt: den
[5][Hamburg-Kredit-Liquidität]. Betriebe können ihn für ein Prozent Zinsen
über zehn Jahre aufnehmen. „Jeder, der dazu in guten Zeiten seinen Beitrag
leistet, kann sich jetzt auch darauf verlassen, dass wir in schlechten
Zeiten an seiner Seite stehen“, sagte Wirtschaftssenator Michael
Westhagemann (parteilos).
Die [6][Handelskammer] forderte, die Außengastronomie zu erleichtern. In
der ganzen Stadt solle auf eine behördliche Genehmigung verzichtet werden.
Teilweise wird den Gastronomen die Sondernutzungsgebühr gestundet oder
sogar erlassen.
Zwar tauschen sich Vertreter des [7][Hotel- und Gaststättenverbandes]
regelmäßig mit dem Wirtschaftssenator aus, dem Barkombinat reicht das aber
nicht. Die Wirte wollen nicht jedes Mal von Änderungen überrascht werden,
sondern in die Entscheidungen einbezogen werden, etwa zur Erweiterung der
Außengastronomie oder der Weiterentwicklung der Hygieneregeln. An den Senat
geht die Botschaft: „Wir warten auf deine Einladung ins Rathaus“.
28 May 2020
## LINKS
[1] /Kneipen-auf-St-Pauli-wieder-geoeffnet/!5682330
[2] https://clubkombinat.de/
[3] /Hamburg-und-das-Virus/!5673000
[4] https://www.hamburg.de/verordnung/
[5] https://www.ifbhh.de/magazin/news/coronavirus-hilfen-fuer-unternehmen
[6] https://www.hk24.de/
[7] https://www.dehoga-hamburg.de/wir/geschaeftsstelle/
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Verordnungen
Gastronomie
Tourismus
Freizeit
Nachtleben
Schwerpunkt Coronavirus
Hamburg
St. Pauli
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Kolumne Berlin viral
Reeperbahn
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Adventskalender (13): Kiezsommer à la Italia
Restaurantbetreiber*innen werden 2024 die Gebühren für die
Außengastronomie erlassen. Damit unterstützt der Senat die gebeutelte
Branche.
Konzertschuppen in der Pandemie: Klubs wollen Anerkennung
Die Hamburger Politik stärkt Klubs mit Fördergeldern – rechtlich stehen sie
aber immer noch nicht auf einer Stufe mit Theatern und der Elphi.
Kneipen auf St. Pauli in Corona-Zeiten: Eine Nacht im Keller
Der Elbschlosskeller hat nach langer Coronapause wieder geöffnet. Obwohl
die meisten Stammgäste abgewiesen werden, ist Abstand schwierig.
Geöffnete Kneipen in Berlin: Ein Hauch von Leben
Kneipen und Bars dürfen unter strengen Auflagen wieder öffnen. Unser Autor
schaut, was an den Berliner Tresen nach dem Lockdown los ist.
Hamburger Tresen-Standortpolitik: Wichtige Wirtschaften
Sicher: Die Wirt*innen, die in Hamburg ein „Barkombinat“ gegründet haben,
machen Interessenpolitik. Aber warum auch nicht?
Leben in Corona-Zeiten: Wir halten Disziplin, sie feiern
Seit Lindner-Gate gibt es giftige Gedanken: Wir vernünftig Braven
ermöglichen den Reichen ihr Halligalli-Dasein.
Kneipen auf St. Pauli wieder geöffnet: Zurück am Tresen, zurück im Leben
Für manche Stammgäste ist ihre Kneipe der Mittelpunkt ihres sozialen
Lebens. Ein Besuch auf dem Hamburger Kiez.
Corona und Feiern in Berlin: Tanz über die lange Distanz
Corona bedroht das Berliner Nachtleben. Um ein Clubsterben zu verhindern,
braucht es Engagement durch UnterstützerInnen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.