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# taz.de -- Vorwürfe gegen Bremer Pflegeheime: Heime als Corona-Profiteure
> Leiharbeitsfirmen für Pflegekräfte schwinden die Aufträge. Ihr Vorwurf:
> Einrichtungen unterschreiten die wegen Corona ausgesetzten Quoten.
Bild: Die Corona-Pandemie ist für die ohnehin überlasteten Pflegekräfte eine…
Bremen taz | Die [1][Corona-Krise] ist vor allem für den Pflegebranche eine
zusätzliche Herausforderung. Um den ohnehin von Personalnot geplagten
Betrieb von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen auch in diesen Zeiten
gewährleisten zu können, hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im März
bundesweit die Personaluntergrenzen und Fachkraftquoten ausgesetzt.
Betreiber von Altenpflegeheimen nutzen das schamlos aus, um Kosten zu
sparen – das behaupten zumindest Bremer Personaldienstleister.
Die verschärften Hygienemaßnahmen, die die HochrisikopatientInnen vor einer
Ansteckung mit dem Virus schützen sollen, eine ausgedünnte Personaldecke
aufgrund erkrankter oder ebenfalls gefährdeter MitarbeiterInnen und das
Fehlen helfender Angehöriger durch die Kontaktsperre bedeuten viel
zusätzliche Arbeit für Pflegeeinrichtungen. Die könnte aufgefangen werden
durch [2][PflegerInnen, die bei Leiharbeitsfirmen] angestellt sind. Aber:
Offenbar werden die zur Zeit weniger denn je in Anspruch genommen.
Mehrere Personaldienstleister bestätigen, dass die Auftragslage vor allem
bei Altenpflegekräften extrem zurückgegangen ist. Gerold Fischer (Name
geändert) musste wegen der Corona-Krise sogar Kurzarbeit anmelden: „Im
April waren 80 Prozent meiner Angestellten auf Kurzarbeit“, sagt er. Weil
die Krankenhäuser mittlerweile wieder im Regelbetrieb arbeiten, seien es
nun nicht mehr ganz so viele, „aber vor allem die Lage in den stationären
Pflegeeinrichtungen ist katastrophal – dort werden wir gerade noch zu zehn
Prozent gebucht.“
Die Einrichtungen begründen das mit Sorge vor der Einschleppung des
Corona-Virus durch externe Pflegehilfskräfte. Nachvollziehbar, sagt auch
Fischer, aber: Neulich habe mit genau dieser Begründung ein Altenheim den
Einsatz einer bereits gebuchten Fachkraft wieder abgesagt, „und nur wenige
Tage später erfuhr ich, dass die Einrichtung statt dessen von einer anderen
Leiharbeitsfirma eine Hilfskraft gebucht hatte.“
Hintergrund, sagt er, sei auch hier zwar die Corona-Krise – allerdings
nicht die Angst vor dem Virus, sondern die Chance der Heimbetreiber, Geld
zu sparen. Denn die [3][Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums von
März] bedeutet für sie: Sie dürfen seither auch dann ihren Betrieb
aufrechterhalten, wenn weniger Fachkräfte als vorgesehen zur Arbeit kommen
können. Auch die landesspezifischen Regelungen zur Fachkraftquote sind
seither „flexibilisiert“ – und die Vergütung der Heime wird trotzdem nic…
gekürzt.
## Keine Kontrollen mehr
„Verheerend“ findet Fischer das, denn das betreffe vor allem Pflegeheime,
die aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen auch schon vor Corona zu wenig
fest angestellte MitarbeiterInnen hatten: „Da laufen jetzt fast nur noch
Helfer rum.“ Und: Sie werden kaum kontrolliert, denn die eigentlich
vorgeschriebenen regelhaften Kontrollen durch den „Pflege TÜV“ und durch
die bei der Sozialsenatorin angesiedelte [4][Wohn- und Betreuungsaufsicht]
sind ebenfalls ausgesetzt.
„Kontrolliert wird nur noch, wenn tatsächlich Corona in einer Einrichtung
ausgebrochen ist oder wenn es konkrete Beschwerden gegenüber der Behörde
gibt“, sagt Fischer. Die kämen allerdings oft von Angehörigen – und die
durften zwei Monate lang gar nicht und seit Kurzem nur unter extremen
Einschränkungen in die Einrichtungen.
Auf Anfrage heißt es dazu aus der Sozialbehörde, Einrichtungen dürften nur
dann von der Quote abweichen, „wenn die Fachkraftquote und der
Präsenzschlüssel durch vermehrte Erkrankungen des Personals beziehungsweise
eine Reduzierung des Personals durch angeordnete Quarantänemaßnahmen nicht
eingehalten werden können und das auch nicht ausgeglichen werden kann durch
Leiharbeitskräfte, Personal aus einer anderen Einrichtung desselben Trägers
oder Personal aus anderen Einrichtungen.“
Das Abweichen von der Quote, so ein Sprecher der Behörde, müsse der Wohn-
und Betreuungsaufsicht gemeldet werden: „Diese setzt dann die
Personalanforderungen aus und verhängt einen sofortigen Aufnahmestopp.“
Werde die Abweichung nicht gemeldet, handele es sich um eine
Ordnungswidrigkeit, die auch im Nachhinein noch geahndet werden könne.
Bislang sei eine Abweichung von der Quote in Bremen noch nicht genehmigt
worden – allerdings sei sie auch noch kein einziges Mal bei der Behörde
beantragt worden.
Dass sie also nicht „einfach so“ ihr Personal kürzen dürfen, ficht manche
Einrichtungen offenbar nicht an, das bestätigt auch ein anderer
Personaldienstleister, der ebenfalls nicht genannt werden möchte –
schließlich handelt es sich bei den Pflegeheimen um seine Auftraggeber.
„Die Einrichtungen nutzen den runtergefahrenen Schlüssel aus, um richtig
Kohle zu sparen“, sagt er. Eine seiner Angestellten sei kürzlich nachts in
einem Altenheim für 55 BewohnerInnen ganz alleine zuständig gewesen. Der
gesetzlich vorgeschriebene Personalschlüssel liegt in Bremen bei einer
Pflegefachkraft für höchstens 40 BewohnerInnen während der Nachtschicht.
## Urlaubssperre bei Festangestellten
Er selbst, sagt er, musste noch keine Kurzarbeit anmelden, „Aber die
Aufträge sind weggebrochen und wir haben Einstellungsstopp.“ Anderen
Personaldienstleistern gehe es ähnlich, „da haben sogar schon welche bei
mir angerufen und gefragt, ob ich nicht vielleicht Aufträge für sie hätte.“
Er berichtet von den fest in den Einrichtungen angestellten Pflegekräften:
„Die machen Überstunden ohne Ende und haben Urlaubssperre. Viele sagen: wir
können nicht mehr.“ Kontrollierbar seien die massiven Personaleinsparungen
kaum: „Da müsste man ja in jedes einzelne Haus gehen und prüfen, ob da
genügend Leute arbeiten – das geht nicht.“
Ein Ende der Ausnahmeregelung ist nicht terminiert und vorläufig auch nicht
in Sicht, aber die Sozialbehörde will die Hinweise zum Anlass nehmen, „in
dem wöchentlichen Gespräch mit den Trägern und den Kassen explizit auf die
einschlägigen Anweisungen hinzuweisen.“
25 May 2020
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[2] /Leiharbeit-in-der-Altenpflege/!5493119
[3] https://www.sueddeutsche.de/politik/pflege-regeln-coronavirus-1.4851081
[4] https://www.soziales.bremen.de/soziales/aeltere_menschen/stationaere_angebo…
## AUTOREN
Simone Schnase
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