Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kontaktbeschränkung in Pflegeheimen: Besuch von nur einem Menschen
> Noch immer gelten strenge Auflagen für Besuche in Bremer Altenheimen. Der
> Besuch ist nur einer einzigen Bezugsperson einmal pro Woche erlaubt.
Bild: In Altenheimen in England wurde ein Drive-Thru organisiert, damit Bewohne…
Bremen taz | Seit gut zwei Wochen dürfen Menschen in Bremer Pflegeheimen
wieder Besuch empfangen. Die Bedingungen dafür sind allerdings eng
umrissen: Ein Besuch ist nur einmal in der Woche möglich, für 45 Minuten.
Dabei kann nicht mal die Tochter, mal der Sohn und dann ein Freund
vorbeikommen: „Ein Wechsel der Bezugsperson ist nicht zulässig“, heißt es
in der Coronaverordnung. Die Familie muss sich einigen, wer als Einziger
Mutter oder Vater, Großmutter oder Onkel besuchen darf.
Zu eng finden manche diese Bedingungen. „Welch ein unlogischer Irrsinn
angesichts der Öffnungen bezüglich Reisefreiheit ins europäische Ausland
und privater Zusammenkünfte“, schreibt eine taz-Leserin, deren Mutter in
einer Einrichtung lebt. Auch die Caritas und die Sozialbehörde berichten
von Beschwerden der Angehörigen. „Jetzt, wo überall gelockert wird, sind
die Regeln schwerer zu vermitteln“, so Martina kleine Bornhorst vom
Vorstand der Caritas.
Tatsächlich hatte die Sozialbehörde Anfang Mai weitergehende Ideen: Ein bis
zwei Stunden am Tag müsse Besuch möglich sein, von unterschiedlichen
Personen. Diese Lockerungen waren bereits als Verhandlungsgrundlage für
eine Senatssitzung angekündigt – doch [1][nicht mit den Trägern der Heime
abgesprochen]. Die beschwerten sich: Mit derart vielen Besuchen seien die
Einrichtungen überfordert. Schließlich einigten sich Behörde und Vertreter
der Heime auf die nun geltenden Einschränkungen.
Für Reinhard Leopold von der Angehörigen-Vertretung „Heim-Mitwirkung“
richten die Regeln größeren Schaden an, als sie verhindern. „Die Lebenszeit
der Menschen in den Heimen ist sehr begrenzt“, sagt er. „Wenn ich so wenige
Besuche zulasse, geht der letzte Lebensmut verloren.“
Für Sterbende gelten andere Besuchsregeln. Aber wann gilt ein Mensch als
Sterbender? Leopold berichtet von einem Mann in der letzten Stufe der
Parkinson-Krankheit, der seinen Sohn nicht sehen darf. „Wie viel
Kollateralschäden soll man zulassen?“.
„Allen ist klar, dass das unglaublich harte Regelungen für alle Beteiligten
sind“, meint Bernd Schneider, Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann
(Grüne). „Tragisch“ sei die Pflicht, sich für einen einzigen Besucher zu
entscheiden, ein „Eingriff in die Freiheitsrechte“. Aber: „Wer im Heim
lebt, ist mit seiner Entscheidung nicht nur für sich verantwortlich“, so
Schneider. „Man trägt Verantwortung für andere Bewohner.“ Die Sozialbehö…
müsse auf die Bedenken der Träger eingehen: „Der Preis sonst sind [2][im
Zweifel Menschenleben.“]
Die Bewohner*innen gehören zum überwiegenden Teil zur Risikogruppe: Von den
bekanntermaßen infizierten Menschen über 80 starben [3][in Bremen etwa 28
Prozent]. Bei Pflegeheimbewohner*innen liegt das Durchschnittsalter bei
über 85 Jahren. „Uns sind diese Menschen anvertraut“, erklärt kleine
Bornhorst, „die Beschränkungen sind ein notwendiger Baustein, um ihre
Gesundheit aufrecht zu erhalten“.
In Bremen gab es bereits Corona-Infektionen in zehn Heimen, in mindestens
zweien davon [4][größere Ausbrüche]. Bernd Schneider ist nach den
Erfahrungen dort trotzdem einigermaßen zuversichtlich: „Es gelingt mit
strengen Maßnahmen, eine Infektion einzudämmen, wenn der erste Fall früh
genug gemeldet wird“, so der Sprecher.
Kleine Bornhorst ist sich da weniger sicher. Natürlich gebe es
Hygieneregeln und Konzepte, um Infizierte von Nicht-Infizierten zu trennen.
Doch ob das reiche, um Bewohner*innen zu schützen, wenn der Virus im Haus
ist, wisse sie nicht: „Wir können das Geschehen im Worst Case nicht
aufhalten.“ Schließlich seien zahlreiche Bewohner*innen auch kognitiv
eingeschränkt und könnten sich nicht an alle Abstandsregeln halten. Und
nicht jede*r Infizierte zeige Symptome.
## Lockern nur im Tausch gegen mehr Tests
Während die Sozialbehörde über erweiterte Besuchsregeln nachdenkt, stellt
kleine Bornhorst dafür klare Bedingungen auf: „Für jede Lockerung, die wir
im Pflegeheim bekommen, bestehe ich auf wöchentliche Testung von
Mitarbeitern und Bewohnern“, sagt sie.
Hier scheint Einigung möglich: Die Gesundheitsbehörde [5][hat diese Woche
mehr Tests], auch in Heimen, angekündigt. Leopold bringt noch einen anderen
Vorschlag ins Spiel: „Warum kann man im Pflegeheim nicht eigene Zonen
einrichten“, fragt er, „für diejenigen, die das Risiko eingehen wollen?
Erwachsene müssen doch mündige Entscheidungen treffen dürfen.“
29 May 2020
## LINKS
[1] /Kontaktsperre-in-Bremen/!5680063
[2] /Corona-Tote-im-Pflegeheim/!5676116
[3] https://www.ndr.de/nachrichten/info/Coronavirus-Zahlen-zu-Infektionen-Todes…
[4] /Corona-im-Altenheim/!5683175
[5] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/politik/bremen-corona-tests-kitas-…
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Kontaktverbot
Bremen
Alten- und Pflegeheime
Angehörige
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Coronakrise im Pflegeheim: 100 Tage Einsamkeit
Die Mutter unserer Autorin lebt im Kreuzberger Pflegeheim. Die
Corona-Isolation setzt ihr so sehr zu, dass ihre Tochter sie kaum
wiedererkennt.
Vorwürfe gegen Bremer Pflegeheime: Heime als Corona-Profiteure
Leiharbeitsfirmen für Pflegekräfte schwinden die Aufträge. Ihr Vorwurf:
Einrichtungen unterschreiten die wegen Corona ausgesetzten Quoten.
Kontaktloser Besuch im Pflegeheim: Zumindest besser als Telefonieren
Wegen der Coronapandemie waren Besuche in Pflegeheimen verboten – bis
jetzt. Unser Autor berichtet von der Zeit bei seiner Mutter.
Pflegeheime in der Coronakrise: Getrennt durch eine Scheibe
Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung fordert sichere
Besuchsmöglichkeiten für Menschen in Heimen. Infektionsschutz dürfe nicht
zu Einsamkeit führen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.