Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Renaissance des Autokinos im Norden: Vier Wände aus Blech
> Die Behörden stehen der Eröffnung von Autokinos nicht überall gleich
> wohlwollend gegenüber. Eine große Hürde sind die sanitären Anlagen.
Bild: Das Autokino am Schützenplatz in Hannover bietet neben Filmen auch Live-…
Hamburg taz | Seit Mitte März sind die Kinos geschlossen – im Dienste der
Coronabekämpfung. Wer seitdem Filme ansehen will, der hat TV-Konserven,
Streaming-Dienste oder DVD-Abende. Hinzutreten könnte mancherorts eine
Alternative, die vor Kurzem noch kaum denkbar erschien: [1][das Autokino].
Denn wo die Menschen in ihren Fahrzeugen bleiben, sind die Abstands- und
Hygieneregeln ja beinahe schon von selbst eingehalten.
Sechs Jahrzehnte ist es her, da eröffnete das erste Autokino in Gravenbruch
bei Frankfurt am Main. Vor der Coronakrise gab es gerade noch eine Handvoll
derartiger Filmtheater in Deutschland. Und nun? Teilt die Bundesnetzagentur
auf taz-Anfrage mit: Seit 1. März seien bundesweit „in 64 Fällen Frequenzen
für den Betrieb von Autokinos zugeteilt“ worden. Solche Frequenzen sind
nötig, denn im Autokino kommt der Ton aus dem Autoradio und dorthin gelangt
er per UKW.
Von der rührigen Kulturinitiative bis hin zum routinierten
Eventveranstalter: Autokino-Projekte gibt es auch im Norden. In Bremen etwa
hat die Cineplex-Gruppe [2][recht geräuschlos eines gestartet]. Anders in
Hamburg, für das die Bundesnetzagentur angibt, eine Frequenz freigegeben zu
haben: Pläne für einen Kinobetrieb auf dem zentralen Heiligengeistfeld hat
der Veranstalter Uwe Bergmann schon Mitte April [3][in einem
Radiointerview] geäußert. Das Konzept sei angesichts der Coronakrise
risikoarm entwickelt worden: Tickets sollten online gebucht und durch die
Autoscheibe gescannt werden. Essen und Trinken werde man to go anbieten.
Zunächst holte sich Bergmann einen Korb seitens der Stadt. Die
Wirtschaftsbehörde verwies auf die für Gesundheit zuständige, Ende April
legte deren Chefin, Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD)
Bedingungen fest: Neben dem obligatorischen Ticketkauf im Internet dürfe es
auf der Bühne kein Gruppengeschehen geben, Sanitäreinrichtungen müssten
hygienisch einwandfrei sein.
Bewegung kommt in die Sache, seit am Dienstag der Senat entsprechende
Lockerungen beschloss: Autokinovorführungen unter freiem Himmel dürfen
stattfinden – sofern sich nur Personen in einem geschlossenen Auto
aufhalten, die in der gleichen Wohnung leben. „Das Auto darf auf dem
Veranstaltungsgelände nur zur Nutzung von Sanitäranlagen verlassen werden“,
heißt es weiter. Und: Diese Genehmigung kann mit weiteren Auflagen versehen
werden, abhängig von den „besonderen Gegebenheiten vor Ort“.
Bergmanns Firma signalisierte am Mittwoch gegenüber der Hamburger
Morgenpost Zuversicht und Tatendrang: „Wir wären schneller bereit, als wir
dürften“, wird eine namenlose Sprecherin zitiert. Zu einem konkreten
Starttermin sagte sie demnach aber noch nichts.
Weiter westlich, auf der Trabrennbahn im Stadtteil Bahrenfeld, wollen
Joachim Doose und Dirk Evers von der Firma [4][Outdoor Cine] ihr temporäres
Autokino eröffnen. „Der Antrag liegt der Behörde vor, wir warten nur noch
auf das Okay“, sagte Doose am Dienstag der taz. Man sei zuversichtlich, am
15. Mai starten zu können, vielleicht auch früher. Das Areal hat Evers
zufolge Platz für 500 Autos, wenn sie jeweils zwei Meter voneinander
entfernt stehen. Allerdings weicht das Konzept an wesentlicher Stelle ab
von den Vorstellungen der Gesundheitssenatorin: „Wir haben keine
Toiletten“, sagt Evers. „Wer aufs WC muss, verlässt mit dem Auto das
Gelände und ordnet sich später wieder in der letzten Reihe ein.“
Das Programm sei schon klar: „Wir beginnen mit zwei Filmen im täglichen
Wechsel“, sagt Evers: „‚Die Känguru-Chroniken‘ und ‚Nightlife‘. Wi…
immer ausverkauft sein, vom Start weg bis September oder Oktober.“ Karten
gebe es nur online für zwei Personen und Kinder aus dem eigenen Haushalt.
Der Preis: 22 Euro pro Auto.
Ob in Hamburg-Bahrenfeld wirklich kommende Woche die Leinwand leuchtet, ist
aber noch nicht klar: Im Bezirk Altona, zu dem das Gelände gehört, sind die
Grünen stärkste Fraktion – und die sind [5][gegen jeden zusätzlichen
Autoverkehr].
Weiter gediehen sind die Autokinopläne des [6][Cine k im niedersächsischen
Oldenburg] – inklusive stiller Örtchen. „Zunächst war das Ordnungsamt
skeptisch“, sagt Wolfgang Bruch, einer von zwei Chef*innen, „doch unser
Konzept hat die Bedenken ausgeräumt.“ Er möchte Dixi-Klos auf dem Gelände
der Weser-Ems-Hallen aufstellen – dort soll vom 21. bis 31. Mai sogar
gleich ein [7][Autokino-Festival] stattfinden. „Hier haben bei gebotenem
Sicherheitsabstand etwa 200 Autos Platz.“ Alles ganz unproblematisch? Ja –
wäre da nicht ein „tragisches“ Moment, wie Bruch es nennt: „Uns wurde der
Verkauf von Getränken und Popcorn nicht genehmigt.“ Das Kino bietet daher
spezielle Premiumkarten an, um das Publikum zum Beispiel mit Cocktails vom
Lieferservice zu versorgen.
## Popcorn verboten
Nach Auskunft der Bundesnetzagentur sind in Niedersachsen vier weitere
Frequenzen vergeben, in Hannover etwa will die [8][Astor-Gruppe] um
Cinemaxx-Gründer Hans-Joachim Flebbe auf dem Messegelände Filme zeigen. Aus
Schleswig-Holstein nannte die Behörde der taz zunächst keine Zahl –
mindestens drei Projekte gibt es aber auch dort: [9][in Ratzeburg], [10][in
Flensburg] und [11][in Husum].
Zum Zeitpunkt der Anfrage hatte die Bundesnetzagentur zwei Frequenzen in
Mecklenburg-Vorpommern erteilt: In Wismar hat ein Autokino schon am 22.
April eröffnet. Auch [12][in Schwerin] läuft der Betrieb bereits. Die
Organisation in Wismar liegt bei dem Veranstaltungstechniker Steven
Wiechoczek und einem sechsköpfigen Team. „Wir zeigen ungefähr 20 Streifen
in der Woche. Da ist Aktuelles wie ‚Bohemian Rhapsody‘ genauso dabei wie
der Klassiker ‚Dirty Dancing‘.“ Waren an den ersten zwei Tagen noch alle
Plätze belegt, so habe es sich auf zuletzt 40 bis 60 Autos je Vorstellung
eingependelt.
Der Mecklenburger sieht für Wismar sogar eine Chance über die Krise hinaus.
„Viele Leute sagen: ‚Wir wollen, dass ihr damit weitermacht!‘ Paaren
gefällt es, zu zweit kuscheln zu können.“ Für Dauerbetrieb seien die Kosten
zu hoch – aber ein Festival einmal im Jahr komme infrage.
8 May 2020
## LINKS
[1] /Rueckkehr-des-Autokinos-wegen-Corona/!5678237
[2] https://www.cineplex.de/filmreihe/autokino/3174/bremen/
[3] https://www.hamburg-zwei.de/Nachrichten/Hamburg/2020/April/Wir-muessen-rede…
[4] https://www.outdoorcine.de/
[5] https://www.bild.de/regional/hamburg/hamburg-aktuell/mal-wieder-die-gruenen…
[6] /Oldenburger-Kino-Cine-K/!5603449
[7] https://autokino-festival.de/
[8] /Elite-Kino/!5027082
[9] https://herzogtum-direkt.de/index.php/2020/04/24/neue-perspektiven-burgthea…
[10] https://www.shz.de/lokales/flensburger-tageblatt/flensburg-bekommt-ein-aut…
[11] https://kino-center-husum.de/aktionen-events/autokino?id=28485
[12] https://megamovies.de/kino/tree/node6602/city251/
## AUTOREN
Pascal Patrick Pfaff
## TAGS
taz.gazete
Schwerpunkt Coronavirus
Kino
Film
Filme
Auto
Oldenburg
Stadtentwicklung
Berliner Nachtleben
Kinokultur
Filmfestival
zeitgenössische Kunst
Schwerpunkt Coronavirus
René Pollesch
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommunalkino von Schließung bedroht: Zu viel Profil ist tödlich
Das „Cine K“ in Oldenburg ist vom Programm her ein Kommunalkino –
allerdings bislang ohne städtische Förderung. Jetzt braucht es die aber
doch.
Kinorummel auf St. Pauli: Autolärm statt Anarchie
Drei Monate Autokino auf dem Heiligengeistfeld. Nicht alle Anwohner*innen
sind davon begeistert.
Bald wieder Autokinos in der Hauptstadt: Neukölln ist überall
Autokinos als pandemieresiliente Locations. Warum auch nicht: Ohne Clubs
und Bars wird Berlin sowieso immer mehr zur Provinz.
Zweiradverbot in Autokinos: Wenn ich groß bin, werd ich Auto
Die Autokinos boomen, aber warum sind dort eigentlich keine Zweiräder
erlaubt? Ein gescheiterter Selbstversuch in Aachen.
Virtuelle Kurzfilmtage Oberhausen: Lächelnd in den nächsten Film
Die Internationalen Kurzfilmtage öffnen sich als online geschaltetes
„Blogfestival“ einem theoretisch unbegrenzten Publikum.
Künstler*innen in Corona-Krise: Überwindet Eure Geld-Scham!
Kulturschaffende bieten ihre Werke gerade oft umsonst an. Sie sollten beim
Publikum faire Bezahlung einfordern.
Rückkehr des Autokinos wegen Corona: Sicher auf dem eigenen Sitz
Trotz Corona-Lockdown dürfen Autokinos ihren Betrieb fortführen. Den alten
geht es seither prächtig, neue werden gegründet.
Pollesch-Inszenierung im Autokino: Gehupt wird trotzdem
Benzingeruch und Popcorn. Mit seinem Stück „Stadion der Weltjugend“ belebt
Regisseur René Pollesch etwas fast Vergessenes wieder: das Autokino.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.