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# taz.de -- Kinorummel auf St. Pauli: Autolärm statt Anarchie
> Drei Monate Autokino auf dem Heiligengeistfeld. Nicht alle Anwohner*innen
> sind davon begeistert.
Bild: Abstand ist kein Problem: das Heiligengeistfeld Anfang April
Hamburg taz | Die beiden großen LED-Leinwände leuchten seit einigen Tagen,
ein Animationsfilm läuft zur Probe, Handwerker*innen haben noch letzte
Zäune errichtet. Wegen der [1][Coronapandemie] erlebt auch Hamburg nun eine
kleine [2][Renaissance der Autokinos]: Am Cruise Center in Steinwerder
laufen bereits seit Mittwoch Filme und am heutigen Samstag startet das
Autokino auf dem Heiligengeistfeld.
Darüber herrscht nicht einhellige Begeisterung im Stadtteil St. Pauli: Denn
das Areal hat sich in den vergangenen Wochen zur Freiluft-Anlaufstelle
entwickelt. Jetzt ist der sanierte Teil der insgesamt etwa 50 Hektar wegen
des Kinobetriebs abgesperrt – und der allergrößte Rest auch: Dort geht die
Suche nach Weltkriegsbomben weiter.
Skaten, Drachenfliegen oder einfach ein Bier auf dem neu gepflasterten
Boden trinken – natürlich mit genügend Abstand: Wenn das Wetter es zuließ,
waren in den vergangenen Wochen Menschen auf dem Heiligengeistfeld
unterwegs. Während es im benachbarten Park Planten un Blomen mitunter so
voll war, dass Entspannung kaum möglich war, entwickelte sich hier, neben
dem Millerntorstadion, ein urbaner Freiraum: Ohne Dom-Rummel und die vielen
parkenden Autos holten sich Anwohner*innen ein Stück Stadt zurück.
[3][Das Autokino] soll nun für die nächsten drei Monate, bis Ende August,
täglich Filme zeigen. Aber auch andere Veranstaltungen sind in Planung. Bis
zu acht Vorstellungen pro Tag soll es geben und bis zu 500 Autos pro
Filmabend sieht das Nutzungskonzept vor. An Wochenenden gehen die
Vorstellungen bereits vormittags los, unter der Woche am späten Nachmittag.
Betreiber sind die Eventagentur Bergmann und das Ottenser Zeise-Kino.
## Keine größere Lärmbelästigung
Für Kulturbetriebe sind alternative Konzepte an der frischen Luft wegen der
Kontaktbeschränkungen überlebenswichtig. Und die Kinos sind dringend darauf
angewiesen, wieder Filme laufen zu lassen. Der Vorteil am Autokino ist,
dass es zu keiner größeren Lärmbelästigung kommt, denn der Ton kommt aus
dem Autoradio.
Andererseits strömen nun bis zu 500 Autos pro Vorstellung nach St. Pauli.
Deshalb sind nicht alle Anwohner*innen begeistert. „Es ist einfach das
komplett falsche Signal in Zeiten des Klimawandels“, sagt etwa David
Schmidt, „und ein Affront nicht nur an Anwohner, sondern auch an alle, die
sich für mehr Diversität in Sachen Mobilität einsetzen.“ Während andere
Städte Autos aus den Innenstädten verbannen, sei es in Hamburg genau
andersrum. Damit kennen sich allerdings die Anwohner*innen aus: Zu
Dom-Zeiten herrscht traditionell erhöhtes Verkehrschaos entlang der
Feldstraße.
Zwar hat das Heiligengeistfeld neben dem Hochbunker und dem
Millerntorstadion sicher besonderen Charme, ob ein Autokino mitten in der
Stadt nötig ist, ist eine andere Frage – in den USA markierten sie
[4][traditionell Stadtrand und Vorort]. Gegen das Autokino in Steinwerder
gibt es kaum Gegenstimmen. Gegen die Pläne auf der Bahrenfelder
Trabrennbahn hatten einzig die Altonaer Bezirksgrünen Bedenken angemeldet,
„weil wir es nicht richtig finden, sich zusätzlichen Verkehr in die
Quartiere zu holen“, so die Fraktionsvorsitzende Gesche Boehlich im Mai zur
taz.
Wie die gerade noch für den Verkehr zuständige Wirtschaftsbehörde mitteilt,
wird für die Dauer des Autokinos die seit Längerem andauernde
Kampfmittelsondierung unterbrochen.
6 Jun 2020
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[2] /Renaissance-des-Autokinos-im-Norden/!5681163
[3] https://www.zeise.de/autokino
[4] /Rueckkehr-des-Autokinos-wegen-Corona/!5678237
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Stadtentwicklung
Hamburg
Verkehr
Kino
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