# taz.de -- Künstler*innen in Corona-Krise: Überwindet Eure Geld-Scham! | |
> Kulturschaffende bieten ihre Werke gerade oft umsonst an. Sie sollten | |
> beim Publikum faire Bezahlung einfordern. | |
Bild: Ode an die Freude – warum eigentlich umsonst? Mitglieder des Freiburger… | |
Es trifft viele Künstler*innen und Kulturbetriebe hart im Moment. [1][Dazu | |
kommt, dass sie von der Politik zwar unterstützt werden, aber eher | |
stiefmütterlich]. Kultur ist wichtig, jedoch nicht „systemrelevant“. | |
Angesichts dieser wenig rosigen Aussichten reagieren viele Künstler*innen | |
seit Wochen mit einem merkwürdigen Reflex: Sie stellen ihre Arbeit umsonst | |
zu Verfügung. Nicht einmalig, nicht als besonderes Ereignis wie zu Anfang | |
der Krise, sondern als ständige Alternative, um ihrem Publikum nicht | |
verloren zu gehen. | |
In der Folge vollzieht sich ein Akt der Selbstausbeutung. Lesungen, | |
Performances und Texte werden kostenfrei online offeriert. So werden | |
ticketfreie Konzerte gespielt, im Netz oder live auf dem Balkon. Staatliche | |
Einrichtungen befördern das noch: Filme gibt es kostenlos, und Archive | |
werden geöffnet. | |
Oft abwesend ist dabei die Beantwortung der Frage, warum das jetzt umsonst | |
ist – und wie man diese Mentalität nach der Krise wieder ändern will. Wenn | |
Kunst und Kultur zum inneren Bestand unserer Gesellschaft gehören, warum | |
gibt es dann diese Scham beim Thema Geld? Ist es mangelndes | |
Selbstbewusstsein? Oder überbordendes Sendungsbewusstsein? Beides wäre | |
fatal. | |
Es geht nicht um die Frage, wie man zum Kapitalismus steht, sondern wie man | |
als Künstler*in überlebt. Hinter Künstler*innen stehen Menschen, die ihre | |
Kunst schätzen und brauchen, auch Publikum genannt. Die lassen sich | |
aktivieren. Nicht als mitleidige Helfer*innen, sondern als Rezipient*innen, | |
die wissen, wie viel Arbeit dahintersteckt. Es gibt nicht nur Autokinos als | |
Ideen, neue Erlösmöglichkeiten zu beschreiten. Zuerst sollte aber die | |
Erkenntnis stehen, aufzuhören mit umsonst. | |
Gerade jetzt, wo Menschen zu Hause viel mehr lesen, Filme sehen, Bilder | |
betrachten, Musik hören als gewöhnlich, ist Kultur eine große Kraft. Es | |
herrscht also keine Kulturkrise, sondern eine ökonomische Krise – mit | |
Chancen. Daher ist Selbstbewusstsein gefragt: Wir dürfen keine Spenden | |
einfordern, sondern faire Bezahlung für Arbeit, die gerade jetzt besonders | |
gebraucht wird. | |
28 Apr 2020 | |
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[1] /Kulturschaffende-in-Coronakrise/!5678288 | |
## AUTOREN | |
Gernot Wolfram | |
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