# taz.de -- Berliner Coronahilfen für Selbstständige: Neue Regeln nach Windhu… | |
> Die Soforthilfe des Senats war nach wenigen Tagen vergriffen. Jetzt | |
> gelten für Hilfen strengere Kriterien für die Selbstständigen. | |
Bild: Schnelle Hilfen für die, die schnell am Rechner waren, wenn man durchkam… | |
Morgens den Antrag ausgefüllt, nachmittags schon 5.000 Euro auf dem Konto: | |
[1][Die Verteilung der Corona-Soforthilfen,] mit denen der Senat Ende März | |
gezielt Soloselbstständige und Freiberufler unterstützen wollte, verlief | |
unerwartet unbürokratisch und schnell. Entgegen den Beteuerungen der | |
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) aber waren die Mittel schon nach | |
fünf Tagen erschöpft. Das Nachfolgeprogramm des Bundes hat hingegen einen | |
deutlich strengeren Kriterienkatalog, für den sich ein großer Teil von | |
Berlins Kreativen und Freiberuflern nicht qualifiziert. Wer zu spät kam, | |
dem bleibt jetzt Hartz IV. | |
Wie viele andere von der Coronakrise betroffene Freischaffende stand die | |
Künstlerin Miriam Z. plötzlich vor der Frage, womit sie ihren | |
Lebensunterhalt bestreiten soll. Dementsprechend erfreut war sie über die | |
Ankündigung des Senats Ende März, Freiberufler*innen und | |
Soloselbstständigen mit dem Soforthilfe II genannten Förderpaket unter die | |
Arme greifen zu wollen. | |
Bis zu 5.000 Euro gab es vom Land, das Geld durfte im Gegensatz zu der | |
Bundesförderung auch für Lebensunterhaltskosten wie Wohnmiete, Krankenkasse | |
und Essen verwendet werden. | |
Die Künstlerin versuchte zunächst gleich am ersten Tag die Förderung zu | |
beantragen, beschloss aber durch die langen Wartezeiten und Serverabstürze, | |
es einfach später zu versuchen: „Auf der Website wurde immer wieder | |
kommuniziert, dass Geld für alle da ist.“ Auch Wirtschaftssenatorin Ramona | |
Pop twitterte noch am 28. März beschwichtigend: „Es sind genug Mittel da, | |
es gilt NICHT das Windhundprinzip.“ | |
## Die Server abgeschaltet | |
Als Miriam Z. am ersten 1. April einen weiteren Versuch startete den Antrag | |
zu stellen, blieb sie wieder mehrere Stunden in der Warteschlange. Als die | |
Künstlerin kurz vor 12 Uhr fast an der Reihe war, wurden die Server | |
abgeschaltet. Als am 6. April wieder Anträge auf der IBB-Website angenommen | |
worden sind, fanden Selbstständige einen deutlich strengeren | |
Kriterienkatalog vor: Ab jetzt dürfen die Mittel nur noch genutzt werden, | |
um laufende Betriebskosten zu decken, wie etwa Gewerbemieten, | |
Leasingaufwendungen und Personalkosten. | |
„Bei den Kreativschaffenden in Berlin ist diese Regelung nicht wirklich | |
hilfreich“, sagt Veronika Mirschel, Leiterin des Referats für | |
Selbstständige bei der Gewerkschaft Ver.di. Lebenunterhalts- und | |
Betriebskosten seien gerade bei Solo-Selbstständigen schwer | |
auseinanderzuhalten. | |
Informationen darüber, wer antragsberechtigt ist, waren anfangs nur | |
spärlich auf der Website der IBB vorhanden. Für den Antrag selbst reichten | |
die Angabe der Steuernummer und die Abgabe einer eidesstattlichen | |
Erklärung. Nicht wenige wurden durch die Unklarheit abgehalten, das Geld zu | |
beantragen – andere griffen wiederum zu, obwohl sie nicht sicher waren, ob | |
sie antragsberechtigt sind. | |
## Hilfe schnell verfügbar machen | |
Auch dass manche in betrügerischer Absicht gehandelt haben, ist nicht | |
auszuschließen, auch wenn es in Berlin bisher keine Anhaltspunkte für | |
systematischen Betrug gibt. Zunächst ging es vor allem darum, Hilfen | |
schnell verfügbar zu machen, erklärt Eva Henkel, Sprecherin der | |
Senatsverwaltung für Finanzen. „Es wird aber Kontrollen geben“, versichert | |
sie. Diese sollen vor allem über die Finanzämter erfolgen – denn die Hilfen | |
müssen wie alle anderen Einkünfte versteuert werden und tauchen in der | |
Steuererklärung auf. Wer versehentlich zu viel bekommen habe, könne das | |
Geld einfach zurücküberweisen, sagt IBB-Sprecher Christian Hartwich. | |
Aus einer nicht repräsentativen Umfrage des Berufverbands bildender | |
Künstler (bbk) vom 7. April gaben rund 13 Prozent der 1.744 Teilnehmenden | |
an, die Förderung nicht erhalten zu haben, weil sie technische Probleme | |
hatten, in der Warteschleife feststeckten oder nicht ausreichend informiert | |
waren. Lediglich 5 Prozent gaben an, dass eine Förderung, die die | |
Betriebskosten deckt, ausreichend sei. | |
„Es ist gut, dass es diese Mittel gibt, aber sie müssen auch für die | |
Existenzsicherung freigegeben werden“, fordert daher Ute Weiss Leder, | |
Sprecherin des bbk. | |
Wird es also eine Neuauflage der Soforthilfe II geben? Laut Henkel ist das | |
eher unwahrscheinlich. „Es wird mit dem Bund gesprochen, aber derzeit gibt | |
es wenig Spielraum.“ Der Großteil der Personen, die wirklich dringend auf | |
diese Hilfe angewiesen waren, hätten diese auch schon bekommen, mutmaßt die | |
Sprecherin. Der Rest wird auf das erweiterte Hartz IV verwiesen. | |
Miriam Z. sagt, sie verstehe, dass die Mittel begrenzt seien, ärgert sich | |
aber über die unklare Kommunikation des Senats: „Man hat das Gefühl, dass | |
Bonbons in die Menge geworfen worden sind und die Tüte jetzt einfach leer | |
ist.“ | |
17 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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