| # taz.de -- Das Leben als trans Frau: Keine Akzeptanz erreicht | |
| > Unsere Autorin möchte einfach ihren Alltag als Mutter meistern. Doch als | |
| > trans Frau muss sie ständig ihr Geschlecht beweisen. | |
| Bild: Nicht nur per Gesetz, auch in den Medien werden trans Personen diskrimini… | |
| Eigentlich möchte ich als trans Frau einfach in Ruhe gelassen werden. Kein | |
| Spielball in gesellschaftlichen Debatten über Geschlecht sein, nicht von | |
| einem menschenverachtenden Gesetz aus den 1980ern drangsaliert werden, | |
| überhaupt: mein Geschlecht nicht anderen Menschen gegenüber beweisen | |
| müssen. So wie die meisten anderen Menschen auch. Ich würde gerne einfach | |
| den Familienalltag bewältigen, mein Zweijähriges beim Aufwachsen begleiten | |
| und durch die Coronapandemie bringen, sowie mein Leben mit etwas weniger | |
| Wut auf eine Gesellschaft genießen, die es mir tagtäglich erschwert. | |
| Die steigende gesellschaftliche Sichtbarkeit von trans Personen führt zu | |
| einem stärkeren öffentlichen Bewusstsein für uns – im Guten wie im | |
| Schlechten. Die [1][Whistleblowerin Chelsea Manning] oder Schauspielerinnen | |
| wie Laverne Cox („Orange Is The New Black“) bringen Repräsentation für das | |
| Thema in die Popkultur. Spätestens seit der Einführung des [2][dritten | |
| deutschen Geschlechtseintrags „divers“] müssen sich die Menschen in | |
| Deutschland damit auseinandersetzen, dass ihr binäres Verständnis von | |
| Geschlecht noch nie der materiellen Realität entsprach und inzwischen auch | |
| inkompatibel mit der juristischen ist. | |
| Für viele cis Personen – also all diejenigen, deren eigenes | |
| Geschlechtsempfinden mit dem übereinstimmt, was ihnen zu Beginn ihres | |
| Lebens in ihre Geburtsurkunde eingetragen wurde – bricht diese neue | |
| Realität mit ganz fundamentalen falschen Prämissen: damit, dass es eben nur | |
| zwei Geschlechter gebe, dass alle Frauen zwei X-Chromosomen hätten oder | |
| dass eine Person mit Penis stets ein Mann sei. Das ist unbequem für | |
| alteingesessene Weltbilder und sorgt für Widerstände. | |
| Manche nehmen die Herausforderung des Wandels gut an. Und warum auch nicht: | |
| Für cis Personen ändert die Akzeptanz von trans Personen eigentlich ähnlich | |
| wenig wie die gleichgeschlechtliche Ehe für Heterosexuelle. Menschen mit | |
| Respekt zu begegnen, selbst wenn sie von der gesellschaftlichen Norm | |
| abweichen, sollte wirklich nicht schwierig sein: Benutze einfach den | |
| richtigen Namen, die korrekte Anrede, das richtige Pronomen und stelle uns | |
| keine invasiven Fragen über unseren Genitalbereich – wie bei den cis | |
| Menschen in deinem Umfeld auch – und schon hast du bei den meisten trans | |
| Personen einen Stein im Brett. | |
| ## Zwangsgeoutet als trans | |
| Besonders freue ich mich, wenn cis Personen ebenfalls empört über das | |
| „Transsexuellengesetz“ sind, das seit fast 40 Jahren in Deutschland die | |
| Diskriminierung von trans Personen sicherstellt. Für den Sachbearbeiter im | |
| Bürgeramt letztens ergab es beispielsweise keinerlei Sinn, dass ich, | |
| amtlich eine Frau wie jede andere, [3][in der Geburtsurkunde meines Kindes | |
| weiterhin als „Vater“ eingetragen bleibe] und zudem mit einem nicht mehr | |
| genutzten Namen, der keinem gültigen Ausweisdokument entspricht. Für ihn | |
| war es einfach maximal verwirrend – für mich als trans Mutter ist es | |
| traurige Realität, dass ich an jeder Stelle, für die die Geburtsurkunde | |
| relevant ist, als trans zwangsgeoutet werde. Nicht zuletzt bei | |
| Auslandsreisen mit meinem Kind. | |
| Diese Absurdität ist nur ein Aspekt des Gesetzes. Es besagt auch, dass wir | |
| für die simple Änderung unseres eingetragenen Namens und Geschlechts vor | |
| Gericht mit zwei unabhängigen psychotherapeutischen Gutachten beweisen | |
| müssen, dass wir „unter dem Zwang stehen“, in unserem Geschlecht zu leben. | |
| Das ist an sich schon eine bemerkenswerte Verdrehung der Tatsachen, denn | |
| üblicherweise ist unser Leidensmoment ja gerade der von außen auferlegte | |
| Zwang, im uns bei Geburt eingetragenen falschen Geschlecht zu leben. Ob | |
| sich Frau Merkel wohl zum Frausein gezwungen fühlt? Wenigstens musste sie | |
| nicht wie ich über 1.000 Euro Prozesskosten bezahlen, um es juristisch | |
| feststellen zu lassen. | |
| Auch im medizinischen System verbessert sich bisher wenig – noch immer wird | |
| pathologisiert, noch immer verlangen die meisten Krankenkassen zwangsweise | |
| eine Psychotherapie, bevor Hormontherapie oder Operation erlaubt werden. | |
| Wie bei den obigen Gutachten steht dahinter der Grundgedanke, dass das | |
| Geschlechtsempfinden einer Person von außen verifiziert werden könnte. | |
| Dabei ist das völlig absurd – abprüfen lassen sich dort höchstens Klischees | |
| wie Kleidung und geschlechterstereotypes Verhalten in der Kindheit. Das | |
| Geschlecht von Menschen hängt aber doch nicht davon ab, ob sie früher | |
| lieber mit Puppen oder mit Autos gespielt haben. | |
| Sich einer fremden Person psychisch zu öffnen, die gleichzeitig über | |
| unseren Zugang zu medizinischen Maßnahmen entscheidet, ist ein großes | |
| Risiko. Im juristischen Bereich würde niemand es in Ordnung finden, wenn | |
| wie hier jemand gleichzeitig die Rolle als Rechtsbeistand und als Richter | |
| innehat. | |
| ## Auch außerhalb des rechten Randes | |
| Neben dieser vom Staat vorgeschriebenen Diskriminierung von trans Personen | |
| ist leider auch gesellschaftlich noch lange keine Akzeptanz erreicht. Unter | |
| anderem wird das an der öffentlichen Debatte deutlich, die sehr selten die | |
| transfeindlichen Zustände kritisiert, aber häufig jeglichen Versuch | |
| problematisiert, etwas an ihnen zu ändern. | |
| Die Logik dahinter scheint zu sein, dass jegliche transfreundliche | |
| Verbesserung nur dann akzeptabel ist, wenn sich keine einzige cis Person | |
| davon gestört fühlt oder sich vielleicht etwas umgewöhnen muss – als wenn | |
| trans Personen bloß Menschen zweiter Klasse wären. Anstatt beispielsweise | |
| nüchtern die Realität zu betrachten, dass trans Frauen im Profisport | |
| keinesfalls das Feld dominieren, wird eifrig eine Debatte darüber geführt, | |
| ob ihre Teilnahme nicht eigentlich verboten werden müsste. Ähnlich ist es | |
| bei Diskussionen über unseren Zugang zu Frauenhäusern oder Damenumkleiden. | |
| Anders als bei cis Frauen wird unser Frausein stets als verhandelbar | |
| dargestellt – selbst wenn es um so etwas Banales geht wie die Frage, auf | |
| welcher öffentlichen Toilette wir pinkeln. | |
| Wir müssen nicht mal bis zum rechten Rand der Gesellschaft schauen, um | |
| Delegitimierung oder glatte Falschinformationen zu finden. Das findet in | |
| fast allen Medien statt. So definiert beispielsweise Jan Feddersen in dem | |
| Magazin FuturZwei aus dem taz Verlag trans als „Mensch, der seine Identität | |
| für flüssig hält, weitgehend dauerhaft“ – völliger Quatsch. Überhaupt … | |
| in der Berichterstattung häufig von „Transfrauen“ statt trans Frauen zu | |
| lesen. Doch trans ist ein Attribut, wie „blond“ oder „groß“ – ich bi… | |
| Teil einer anderen Spezies, sondern einfach eine Frau wie jede andere. | |
| Niemand würde „Blondfrau“ oder „Großfrau“ schreiben. | |
| Selbst in der queeren Community existieren einflussreiche Stimmen, die die | |
| Legitimität von trans Personen für diskutierbar halten. So hat die | |
| Initiative Queer Nations (IQN) vor Kurzem eine transfeindliche | |
| Veranstaltung beworben, [4][die im Gebäude der taz hätte stattfinden | |
| sollen] und in der Trans-Sein als „Irrweg“ und die medizinische Transition | |
| von trans Jungen als „Sterilisierung und Verstümmelung der Körper junger | |
| Mädchen“ beschrieben wurde. Nach heftiger öffentlicher Kritik wurde die | |
| Veranstaltung zwar abgesagt, doch die IQN fand es weiter diskutierbar, | |
| welche „Problematik“ sich aus der „Transkultur“ ergeben könne. So was … | |
| mich traurig. | |
| Ich bin fest davon überzeugt, dass eine echte Akzeptanz von trans Personen | |
| das gesellschaftliche Verständnis von Geschlecht nur bereichern kann – weg | |
| von Stereotypen, hin zu Selbstbestimmung. Es würde gut tun, wenn cis | |
| Personen diesem Wandel eine Chance geben könnten, anstatt sich misstrauisch | |
| Möglichkeiten herbeizufantasieren, wie er cis Personen schaden könnte. Dann | |
| müsste an diese Sache mit dem Geschlecht auch nicht mehr so viel | |
| Druckerschwärze verschwendet werden. | |
| 8 Apr 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /US-Whistleblowerin-in-Berlin/!5502511 | |
| [2] /Dritte-Geschlechtsoption/!5558793 | |
| [3] /Kolumne-Mithulogie/!5567318 | |
| [4] https://blogs.taz.de/hausblog/eine-geplante-veranstaltung-und-die-folgen/ | |
| ## AUTOREN | |
| Maya Mit Kind | |
| ## TAGS | |
| Mutter | |
| Diskriminierung | |
| Trans | |
| Schwerpunkt LGBTQIA | |
| Trans | |
| Schulsport | |
| Transgender | |
| Kolumne Frau ohne Menstruationshintergrund | |
| Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
| Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
| Queer | |
| Identität | |
| taz.gazete | |
| Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Adél Onodi über trans Schauspieler:innen: „Geschlecht ist nicht oberflächl… | |
| Die Schauspielerin Adél Onodi lebt in Berlin und bekommt als trans Frau nur | |
| selten cis Rollen angeboten. Und trans Rollen seien oft klischeehaft. | |
| Gesetz in Florida zu trans Schülerinnen: Ausschluss vom Mädchen-Schulsport | |
| Am ersten Tag des „LGBTQ Pride Month“ hat Florida ein Gesetz beschlossen, | |
| das trans Schülerinnen die Teilnahme am Mädchen-Schulsport verbietet. | |
| Arztpraxis für trans Personen: Medizin ohne üblichen Takt | |
| Eine neue Schwerpunktpraxis in Berlin-Neukölln versucht trans Menschen | |
| individuell zu begleiten – und stößt an die Grenzen des Gesundheitssystems. | |
| Transgender mit Leib und Seele: Die dunkle Seite der Hexendichterin | |
| Die Tweets der Autorin J.K.Rowling dazu, was echte Frauen ausmacht, | |
| bescheren der neuen taz.berlin-Kolumnistin Michaela Dudley Hitzewallungen. | |
| Vorurteile gegen trans Männer: Beim sogenannten Frauenarzt | |
| Der Besuch bei Gynäkolog:innen kann für trans Männer schwierig sein. Gerd | |
| Jansen, Gynäkologe in Oberbayern, möchte das ändern. | |
| Hormonbehandlung für trans Jugendliche: Unergründliches Unbehagen | |
| Medizinische Hilfen für trans Jugendliche werden von verschiedenen Seiten | |
| dämonisiert. Dabei gibt es gute Argumente für die Behandlungen. | |
| „Ehe für alle“ auch in der Schweiz: Spät, aber gut | |
| Es ist vor allem ein atmosphärisch-kultureller Gewinn, der mit der „Ehe für | |
| alle“ einhergeht. Ein Aspekt der Reform ist in der Schweiz besser als hier. | |
| Minderheiten und Diskriminierung: Das Unbehagen der Identitäten | |
| Wer Identitätspolitik komplett ablehnt, verkennt: Es spielt eben doch eine | |
| Rolle, welchen Hintergrund eine Person hat, die eine Meinung äußert. | |
| Transphobie in der Türkei: Schon wieder Beweislast | |
| In feministischen Kreisen kursieren derzeit transphobe Erzählungen. taz | |
| gazete hat mit drei trans Menschen über ihre Erfahrungen gesprochen. | |
| Transgeschlechtlichkeit und Mutterschaft: Können Frauen alles sein? | |
| Im Kampf um Selbstbestimmung schließt der Feminismus trans Frauen aus. Auch | |
| der Staat ist auf ein Kind mit zwei leiblichen Müttern nicht vorbereitet. |